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„Start“-FestivalWeltklasse-Jazz mit Madeleine Peyroux und der WDR Big Band in Leverkusen

Lesezeit 2 Minuten
Vom ersten Ton an entsteht ein fein austariertes Wechselspiel zwischen Sängerin und Band.

Vom ersten Ton an entsteht ein fein austariertes Wechselspiel zwischen Sängerin und Band.

Madeleine Peyroux und die WDR Big Band eröffnen mit ihren Klangfarben im Erholungshaus einen Dialog über Zeit und Gefühl.

„WDR Big Band meets Madeleine Peyroux“ ist der Titel des Abends im Rahmen des „Start“-Festivals. Was folgt, ist kein bloßes Aufeinandertreffen von Stimme und Band. Es ist ein Zusammenklang, der politisch schwingt, persönlich klingt und emotional vibriert – mit künstlerischer Präzision und unaufdringlicher Wucht. Die WDR Big Band, unter der Leitung des vielfach ausgezeichneten Arrangeurs Vince Mendoza, empfängt Peyroux mit weit geöffneten Armen – oder besser: mit weit gespannten Klangflächen. Vom ersten Ton an entsteht ein fein austariertes Wechselspiel: Die Band atmet mit der Sängerin, begleitet, stützt, öffnet Räume – und weiß genau, wann sie wieder schweigen muss. Sehr atmosphärisch.

Peyroux rahmt und schleift das Konzert – eine Kooperation mit den Leverkusener Jazztagen – mit Zitaten, die für sich stehen. „Es ist ein besonderes Gefühl, jetzt das auf der Bühne zu spielen, worauf man Monate lang hingearbeitet hat“, erklärt sie. Ihr neues Album heißt „Let’s Walk“ – ein Werk, das aus Schmerz geboren ist. Die Morde an George Floyd, Breonna Taylor und Ahmaud Arbery haben Spuren hinterlassen.

„Let’s Walk“ heißt Madeleine Peyroux’ aktuelles Album.

„Let’s Walk“ heißt Madeleine Peyroux’ aktuelles Album.

Nicht plakativ, nicht programmatisch, sondern poetisch. Es handelt von Würde und Widerstand, von der Suche nach Wahrheit in einer gebrochenen Welt. Mendozas Arrangements verleihen dem Konzert eine neue Dimension: Sie schichten sich wie Sedimente, offenbaren unter der Oberfläche des Jazz Erinnerungen an Spirituals, an Mahnrufe, an zarte Hoffnung. Zwischen den neuen Liedern tauchen vertraute Klänge auf. „Dance Me to the End of Love“ erklingt nicht als Cover, sondern als Bekenntnis. Lakonische Zeilen werden zur jazzigen Meditation. Peyroux gelingt das Kunststück, Klassiker nicht zu wiederholen, sondern weiterzuerzählen. Die WDR Big Band, präzise und dabei durchweg warm im Ton, hält sie in der Schwebe – nie zu dominant, nie zu beiläufig. Der Saal ist gebannt.

Was diesen Abend besonders macht, ist weniger das Musikalische – obwohl es makellos ist – als vielmehr das Atmosphärische. Peyroux spricht kaum zwischen den Songs, nur Zitate und wenige Worte, doch jeder Blick ins Publikum, jede kleine Geste trägt Bedeutung. Sie sucht Nähe, ohne sich aufzudrängen. Das Konzert wirkt wie ein Gespräch unter Eingeweihten: ein intimer Austausch über Verluste, Träume, Unaussprechliches. Mendoza formt mit der Big Band dazu den Resonanzraum – mal transparenter, mal dichter. Nach gut 90 Minuten ist nicht nur ein Konzert zu Ende gegangen, sondern ein Abend, der Spuren hinterlässt – ja verfängt. „Let’s Walk“ heißt Peyroux’ aktuelles Album. Es ist auch eine Einladung. Nach diesem Abend nimmt man sie an.