Bekannte KöpfeAlt-Grüne wollen zu den Wurzeln zurück – aber die Partei will nicht

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 Das Schlebuscher Treibhaus, die Leverkusener Parteizentrale der Grünen.

 Das Schlebuscher Treibhaus, die Leverkusener Parteizentrale der Grünen.

  • Die Grünen sollen in Leverkusen besonderen Mitgliederzuwachs bekommen.
  • Die Neuen sind alte Bekannte in der Partei und oft kritisch mit ihr umgegangen.
  • Vier von ihnen wollen die Grünen nicht aufnehmen, man befürchtet eine Parteispaltung

Leverkusen – Steigt eine Partei in der Wählergunst, kann sie mit Eintritten rechnen. In Leverkusen haben die Grünen jetzt besonderen Mitgliederzuwachs bekommen. Allerdings will die Partei nicht alle neuen Parteifreunde aufnehmen.

Unter denen, die um Aufnahme bitten, sind hartgesottene Öko-Aktivisten, wie Benedikt Rees und Martina Frimmersdorf, die in den vergangenen Jahren mit den Grünen in Äußerungen und Leserbriefen hart ins Gericht gegangen sind. Es könnte unbequemer werden: Die Neuen würden mit ihrer meist kompromisslos kämpferischen Haltung sicherlich nur schwer mit der aktuell eher als angepasst geltenden Parteilinie in Übereinstimmung gebracht werden können. Aber -  heftiges Ringen um Inhalte kannte und ertrug man bei den Grünen eigentlich seit jeher, das wäre nichts Neues.

Das wissen andere potenzielle Neugrüne besonders gut, denn sie sind alte Bekannte in der Partei. Es sind Ex-Mitglieder, die meist schon vor Jahren ausgetreten waren, meist sind sie erfahren in der politischen Arbeit. kennen Beratungswege, Ausschussarbeit und Verfahren. Manfred Urbschat zum Beispiel ist ein konstant Aktiver in der Öko-Szene und aktuell Schatzmeister im Naturgut Ophoven. Er will wieder mitmachen. Auch die Sozialpädagogin Ingrid Baare, die unter anderem die Krebs-Selbsthilfe-Gruppe „help“ leitet, war schon als Schülerin vor 1979 Mitglied, damals noch in der Vorgänger-Initiative AGL (Alternative/Grüne Liste).

Von Bonin will wieder rein

Angemeldet hat sich auch Jürgen Wasse vom Verein Balkantrasse, ehemals Redakteur beim „Leverkusener Anzeiger“, und Roland Hölzer von der Initiative „Wir für Bergisch Neukirchen“. Hölzer ist ein Kämpfer gegen die zunehmende Flächenversiegelung in der Stadt. Die prominenteste Wiedereinsteigerin dürfte Brigitte von Bonin sein. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern der AGL in Leverkusen.

Als die AGL bei der Kommunalwahl 1979 vor genau 40 Jahren zum ersten Mal drei Sitze im Leverkusener Stadtrat errang, besetzte Bonin einen davon. Sie war dabei, als die Ur-Ökos mit Klaus Wolf ab 1984 sogar den ersten grünen Bürgermeister Deutschlands stellen konnten. Während der Ex-Bürgermeister Wolf seinen Grünen stets treu geblieben ist und inzwischen auch wieder mehr Gewicht hat, trat Bonin vor zehn Jahren aus. „Ich habe damals von einem Inzest zwischen Politik und Investoren gesprochen, die Grünen haben mir in diesen Jahren einfach zu viele Großprojekte mitgetragen“, sagt sie heute.

Keine spontanen Entschlüsse

Die inzwischen neun Personen starke Gruppe derer, die sich nun erneut oder erstmals um eine Parteimitgliedschaft bewerben, habe sich nicht spontan entschlossen. Man habe lange abgewogen über Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Umwelt-, Baum- und Klimaschutz in der Stadt und viel über die aktuell heißen Themen diskutiert, sagt Bonin. Das Fazit: „Wir alle haben die Politik seit langem konstant begleitet und sind irgendwie sehr oft unzufrieden mit dem gewesen, was in letzten Jahren von den Leverkusener Grünen kam. Da waren zu viele Baugebiete und zu viel Geflirte mit Investoren und mit der CDU, ohne dass dabei sichtbar genug Grünes herausgesprungen wäre.“

Die Neuen wünschten sich eine „kritisch-konstruktive Zusammenarbeit“. Über die Aufnahmewünsche der neun entscheidet der Vorstand. Lehnt der einen ab, dürfte es dem Vernehmen nach zu einem Rückzug der gesamten Gruppe kommen. Die Gründung einer eigenen Öko-Partei sei noch nicht diskutiert worden, sagt Bonin.

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Die Antwort aus dem Treibhaus, das ist die Leverkusener Parteizentrale, kam postwendend:

Die Vorsitzenden des Kreisverbandes, Anja Boenke und Christoph Kühl, teilten mit, dass der Vorstand nach seiner Sitzung am Dienstagabend vier der neun beitrittswilligen Mitglieder nicht in die Partei aufnehmen will. Drei wolle man zu „konstruktiven Gesprächen einladen“.

Datenschutz reklamiert

Welche das sind, teilte Liebig mit Verweis auf den Datenschutz nicht mit. Der Vorstand habe die um Mitgliedschaft ersuchenden Personen in der letzten Sitzung persönlich kennengelernt, einige seien aber bekannt, weil sie schon einmal Mitglieder waren.

In der Mitteilung heißt es: „Der Gang an die Öffentlichkeit, noch vor Abschluss des Parteiaufnahmeverfahrens lässt aus unserer Sicht darauf schließen, dass es der Gruppe nicht primär um eine konstruktive Mitarbeit im Kreisverband Leverkusen geht. Bereits in der Vergangenheit gab es zahlreiche Konflikte mit den ehemaligen Mitgliedern, in denen sich diese destruktiv betätigten.“

Die Differenzen zu den teils kompromisslosen Öko-Aktivisten seien weniger inhaltlicher Art. Man befürchte, dass die Partei zerrieben und instrumentalisiert werde und durch die zum Teil altbekannten Neu-Mitglieder gespalten werden könnte. Davon unberührt seien die Grünen immer eine Partei der Meinungsvielfalt, schreibt Kevin Liebig. Allen stünde offen, die Veranstaltungen der Grünen zu besuchen und mit zu diskutieren. Gegen den Vorwurf, zu weich oder konturlos in der Umweltpolitik zu sein, verwahrt sich der Vorstand ausdrücklich.

Mitglieder entscheiden

Ein Blick in die Parteisatzung der Grünen zeigt: Zwar entscheidet der Vorstand zunächst über die Nicht-Aufnahme neuer Mitglieder, er muss das aber schriftlich begründen. Das letzte Wort hat die Mitgliederversammlung – aber nur, wenn das abgelehnte Neu-Mitglied eine Abstimmung in dem Gremium beantragt.

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