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Reportage vor OrtLeverkusens finnische Partnerstadt Oulu wird europäische Kulturhauptstadt

6 min
Kaum zu sehen ist die Uhr, die auf dem Rathaus von Oulu die Tage bis zum Beginn des Kulturhauptstadtjahres herunterzählt.

Kaum zu sehen ist die Uhr, die auf dem Rathaus von Oulu die Tage bis zum Beginn des Kulturhauptstadtjahres herunterzählt.

Seit 1968 besteht die Partnerschaft zwischen Leverkusen und Oulu. Der „Leverkusener Anzeiger“ hat sich in Finnlannd umgeschaut.

Wenig weist in diesen ersten Novembertagen darauf hin, dass schon bald ein außergewöhnliches Jahr für Leverkusens finnische Partnerstadt Oulu beginnt: nämlich das Jahr, in dem Oulu den Titel „Europas Kulturhauptstadt 2026“ tragen wird. Im kleinen Bahnhofsgebäude begrüßen zwar zwei Roll-up-Banner mit dem Schriftzug des Großereignisses die Besucher. Doch Zugreisende müssen bei ihrer Ankunft gar nicht durch das Gebäude hindurch, um in die Stadt zu gelangen. Dort sind die Hinweise selten, man muss sie regelrecht suchen.

In den Turmfenstern des alten Rathauses zum Beispiel zählt eine farbenfrohe Uhr die Tage rückwärts, die noch bis zum Startschuss fehlen. Die Uhr befindet sich jedoch so weit oben, dass man den Kopf in den Nacken legen muss, um sie überhaupt zu sehen.

Auf dem einen oder anderen Plakat ist das Logo des Kulturjahres zu entdecken: ein kreisförmiges Symbol, das mit wenigen Strichen in der oberen Hälfte eine Sonne, in der unteren Hälfte eine Schneeflocke zeigt. Und am Ende der Fußgängerzone prangt auf den Fenstern einer grauen Hausfassade der Schriftzug „Oulu 2026“. Davor steht ein kleines Baufahrzeug.

„Europas Kulturhauptstadt 2026“

Oulu, Leverkusens Partnerstadt, wird 2026 den Titel „Europas Kulturhauptstadt 2026“ tragen.

„Für die ersten paar Monate ist auf jeden Fall alles fertig“, sagt trotzdem Henri Turunen im Gespräch mit dem „Leverkusener Anzeiger“. Der 43-Jährige ist Programm-Manager für das Kulturhauptstadtjahr. Seit 2019 schon arbeiten er und sein Team an dem, was bald beginnen soll. Erste Umfragen unter der Bevölkerung zur Bewerbung Oulus als Kulturhauptstadt hatten sogar noch zwei Jahre früher stattgefunden. Die Bevölkerung war also von Anfang an eingebunden in die Pläne der Stadt.

Dass trotzdem bislang noch so wenig auf das Großereignis nächstes Jahr hindeutet, sieht Turunen gelassen. „Die Begeisterung ist in Wellenlinien verlaufen“, erzählt er. Als Oulu 2021 den Zuschlag als Kulturhauptstadt erhalten und sich als Außenseiter überraschend gegen die finnischen Städte Tampere und Savonlinna durchgesetzt hatte, war die Begeisterung zunächst enorm. Doch genauso schnell ebbte sie auch wieder ab. „Fünf Jahre lang kannst du so ein Gefühl nicht hochhalten“, versucht Turunen das zu erklären. Seit den Sommermonaten aber sei wieder etwas von steigender Vorfreude unter der Bevölkerung zu spüren. Und spätestens zum Jahreswechsel werde sogar ganz Finnland von dem Kulturhauptstadtfieber angesteckt, prophezeit der 43-Jährige.

Henri Turunen ist Programm-Manager und bereitet das besondere Jahr vor.

Henri Turunen ist Programm-Manager und bereitet das besondere Jahr vor.

Am 31. Dezember wird die finnische TV-Silvesterparty mit bekannten Stars und Sternchen der finnischen Kulturszene nämlich nicht wie sonst in der Hauptstadt Helsinki stattfinden, sondern in Oulu. Als medienwirksamer Start in das Kulturhauptstadtjahr. „Dann wird auch der Süden des Landes wieder daran erinnert, dass hier im Norden nächstes Jahr etwas ganz Besonderes stattfindet“, so Turunen. Denn nicht nur für die meisten Europäer liege Oulu wegen seiner nördlichen Lage außerhalb der Wahrnehmung. Auch für viele Finnen im Süden des Landes sei das so. Das kommende Jahr soll das ändern.

„Brave Hinterland“ – „Tapferes Hinterland“ – haben Turunen und sein Team dann auch als Motto für die Veranstaltungen der ersten Monate gewählt. Durchaus mit einem Augenzwinkern. Schnee, Eis und pulsierendes Stadtleben sollen als Kombination die Besucher von den Trümpfen der Großstadt Oulu überzeugen. „Wir sind ja eine sehr lebendige, moderne und junge Stadt mit vielen führenden Hightech-Unternehmen, zwei Hochschulen, einem aktiven Sport- und Kulturleben – das wollen wir in Kombination mit dem Winter, der lokalen Kultur und ihren Traditionen den Besuchern zeigen“, sagt Turunen.

Am Ende der Fußgängerzone prangt auf den Fenstern einer grauen Hausfassade der Schriftzug „Oulu 2026“.

Schriftzug an einer Hausfassade in Oulus Fußgängerzone, mit der auf das Jahr als Kulturhauptstadt aufmerksam gemacht werden soll.

Erster Höhepunkt wird nach der Silvester-TV-Party das Eröffnungsfestival Mitte Januar sein. Dann sollen die ersten internationalen Ausstellungen in Oulu eröffnen und eine neue samische Oper Weltpremiere feiern. „Oulu ist die Stadt, in der die meisten Samen in einem städtischen Umfeld leben, und das Hauptstadtjahr wollen wir dazu nutzen, auch die Kultur dieser Minderheit bei uns hier im Norden zu feiern und bekannter zu machen“, erklärt Turunen.

„Wild City“ – „Wilde Stadt“ – ist das Motto der Sommermonate. Dann will Oulu mit vielen Veranstaltungen im Freien locken. In der Natur, in den Stadtvierteln, aber auch in 39 Partnergemeinden rund um die Regional-Metropole herum. Denn auch im gesamten Umland von Oulu, von der Ostsee im Westen bis zur russischen Grenze im Osten, sind das ganze Jahr über Veranstaltungen im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres geplant. „Das Tourismus-Büro wird Touren anbieten zu diesen Veranstaltungen in diese ländlichen Gegenden, wo es nochmal ein ganz anderes Leben und andere Veranstaltungen zu entdecken gibt, als hier bei uns in der Stadt“, kündigt Turunen an.

Der Programmplaner sagt, 2026 habe in Oulu für jeden etwas zu bieten.

Der Programmplaner sagt, 2026 habe in Oulu für jeden etwas zu bieten.

Ausklingen soll das Jahr unter dem Motto „Cool Contrasts“ – „Kühle Kontraste“. Der Schwerpunkt wird dann auf dem Spiel mit Licht gelegt, der Kombination von digitaler Kunst, Lichteffekten und der dunklen Jahreszeit. „Das ganze Programm ist wirklich für alle Menschen angelegt und bietet jedem etwas: Wir haben sowohl an die Kleinkünstler bei uns gedacht, als auch an die sogenannte hohe Kultur, von Underground bis Oper wird jeder zu jeder Zeit irgendetwas in unserem Programm finden“, sagt Turunen.

Als dauerhaften Effekt, den das Jahr als Kulturhauptstadt im besten Fall haben soll, wünscht sich der 43-Jährige eine stärkere internationale Vernetzung der Stadt, seiner Künstler und Bürger. Umso erstaunlicher ist es dann, dass die zahlreichen Partnerstädte Oulus kaum eine Rolle spielen in dem Programm. Warum das so sei? „Das hängt von den Beziehungen ab, die die Städte untereinander haben, das spielt sich auf ‚diplomatischer‘ Ebene ab“, ringt Turunen selbst um eine Erklärung. „Aber Mitglieder der Musikschule Leverkusen sollen Ende Mai nach Oulu kommen und gemeinsam ein Konzert mit den Musikern unseres Konservatoriums spielen“, kündigt er nach einem Blick in seinen Laptop an.


Den Kontakt der Musikschule Leverkusen nach Oulu stellte indes einst der jüngst ausgeschiedene langjährige Bürgermeister Bernhard Marewski her, wie er im Gespräch mit dem „Leverkusener Anzeiger“ erzählt. „Das ist mittlerweile mehr als zehn Jahre her“, blickt der CDU-Politiker zurück. Mittlerweile habe die Musikschule eigene Drähte in die europäische Kulturhauptstadt hergestellt. Marewski betont aber, dass er gerne als „Kontaktperson“ für interessierte Leverkusenerinnen und Leverkusener fungiert, die sich 2026 eine Oulu-Reise vorstellen können. Dass sich der 77-Jährige vor Ort bestens auskennt, daran besteht kein Zweifel – 1969 besuchte er die Hafenstadt erstmals, seitdem sei er mehr als 50-mal in Oulu zu Gast gewesen. Bereits 1998 wurde Marewski die „Oulu-Medaille“ für „die bedeutende Arbeit bei der Entwicklung der Beziehungen und der Zusammenarbeit“ der beiden Städte verliehen. Wie Marewski berichtet, steht er auch aktuell in Kontakt zu den Verantwortlichen in Oulu – für einen Besuch im Laufe des Kulturhauptstadtjahres. (dth)


Seit 1968 Partnerstadt

Oulu ist seit 1968 Partnerstadt von Leverkusen. Die Hafenstadt im Norden Finnlands ist mit rund 220.000 Einwohnern die nördlichste Großstadt der EU. Das Programm für das Jahr als Europäische Kulturhauptstadt in englischer Sprache ist im Internet zu finden unter www.oulu2026.eu/en.