Kinder kriegen in LeverkusenPro Familia sieht wachsende Vereinsamung Schwangerer

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Pia Heck und Bernd Bündgen

Kennen sich aus mit allen Sorgen rund die Familiengründung: Pia Heck und Bernd Bündgen von Pro Familia.

Mit welchen Fragen sich Familien und solche, die es werden wollen, beschäftigen, erzählen die Berater von Pro Familia.

Ist es normal, in einer Schwangerschaft gemischte Gefühle zu haben, selbst wenn man sich ein Baby gewünscht hat? „Ich würde mir Gedanken machen, wenn eine Frau sagen würden, sie habe keine Ängste, Zweifel oder Fragen“, sagt Bernd Bündgen. „Ich kenne keine Frau, die in einer Schwangerschaft oder auch schon beim Kinderwunsch keine Ambivalenzen hat.“

Das war wohl schon immer so, aber seit dem Siegeszug der sozialen Medien haben viele Frauen das Gefühl, damit alleine zu sein. „Auf Instagram ist immer alles perfekt, alle strahlen“, sagt Bündgen. „Wenn die Frauen hören, dass sie nicht alleine sind, ist das oft schon eine enorme Erleichterung.“

Beratung mit viel Tradition

Und wenn es dann auch noch Antworten auf die vielen offenen Fragen und Lösungsansätze für die Sorgen gibt, noch mehr. Dafür gibt es in Leverkusen seit 52 Jahren die Beratungsstelle „Pro Familia“, eine der ersten im Land. Bündgen ist hier als Sozialpädagoge und psychoanalytisch-systemischer Berater tätig. Außerdem gehört zum sechsköpfigen Team um Leiterin Pia Heck Frauenärztin Karin Siefert, Psychologin Silke Großmann, Familienhebamme Petra Schuck und Anja Nöhre für die Verwaltung. 

Häufige Fragen, mit der werdende Eltern in die Beratungsstelle in der Nobelstraße 19 kommen sind: Wie können wir unser Leben als Familie finanzieren? Wie sage ich es meinem Chef? Wie viel Elternzeit sollte man nehmen? Wie bekomme ich eine Hebamme? Elterngeld? Kitaplatz

Pauschale Antworten gibt es auf die meisten Fragen nicht, entscheidend sind die persönlichen Lebensumstände. „Ich kann mich an ein Paar erinnern, dass zu uns zur Paarberatung gekommen ist, weil sie ihre Karriere ausbauen wollte und er sich ein Kind wünschte“, erzählt Pia Heck. Die Beratung hat ergeben, dass der Mann durchaus bereit war, die Elternzeit zu großen Teilen zu übernehmen und selbst beruflich zurückzustecken – auf den Gedanken war das Paar aber vorher noch gar nicht gekommen. „Unsere Aufgabe ist nicht, jemandem etwas vorzugeben oder aufzudrücken, sondern zu zeigen, was möglich ist“, sagt Heck.

Das Elternzeitgesetz ist seiner Zeit voraus, die Realität sieht leider oft anders aus
Pia Heck, Leiterin Pro Familia Leverkusen

Sie beobachtet, dass die Familiengründung häufig zu einer „Retraditionalisierung“ der Paare führt. Die Frau bleibt beim Kind und der Mann hat das Gefühl, die Familie versorgen zu müssen. Dabei sind Mütter und Väter beim Anspruch auf Elternzeit gleichgestellt, die gemeinsame Sorge fürs Kind wird sogar mit Extrazeit gefördert.

„Allerdings ist das Gesetz seiner Zeit voraus“, sagt Heck. „Die Realität sieht leider anders aus.“ Nämlich so, dass der Mann mehr verdient und schon alleine aus diesem Grund mehr arbeiten geht. Stichwort: Gender-Pay-Gap. 

Einsamkeit ist ein großes Thema

Die Beratung bei Pro Familia ist kostenlos und steht jedem zur Verfügung. Finanziert wird sie zu 80 Prozent vom Land, einen Teil trägt die Stadt, aber auch Spenden sind notwendig für den Betrieb. Zuständig ist die Beratungsstelle für alle Themen bis zum dritten Lebensjahr.

Und auch bei einer ungewollten Schwangerschaft, nach Fehlgeburten oder bei unerfülltem Kinderwunsch werden die verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt. Wenn weitere Hilfen nötig sind, sind die Berater gut mit weiteren Anlaufstellen in der Stadt vernetzt.

Einsamkeit sei ein Thema, das in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus gekommen ist, sagt Bernd Bündgen. Fehlende Familiennetzwerke, keine Gruppenangebote während Corona. „Mit den Menschen in Beziehung treten und sie vernetzen mit allem, was sie brauchen“, das sei der Schlüssel, sagt der Berater. Wer in die Beratungsstelle kommt, hat den wichtigsten Schritt dafür schon getan. 

Pia Heck zum Beispiel ist stolz auf ein 19-jähriges Mädchen, das ungewollt schwanger und vollkommen planlos war, als sie zu Pro Familia geschickt wurde. Wie geht Gebären überhaupt? Das Krankenhaus hat ihr auf Grund des jungen Alters zu einem Kaiserschnitt geraten. „Und dann hat sie gesagt: Nein, ich würde es gerne versuchen und es sogar ohne PDA geschafft“, erinnert sich Heck.

Und das Baby auch Weile lang gestillt, obwohl sie sich das zu Beginn nicht vorstellen konnte. „Das Bemühen, mit dem Kind alles richtigzumachen, ist bei fast allen Eltern da“, sagt Heck. Und für alles Weitere gibt es Hilfe. 


Pro Familia und weitere Beratungsstellen

Die Beratungsstelle „Pro Familia“ sitzt in Leverkusen in der Nobelstraße, Termine können per Telefon unter 0214 401804 oder Mail an leverkusen@profamilia.de vereinbart werden. Viele Informationen gibt es auch im Internet unter www.profamilia.de/leverkusen

Weitere Beratungsstellen für werdende Eltern in der Stadt:AWO Beratungsstelle für Schwangerschaft, Sexualität und Partnerschaft, Telefon 02171-2 75 29 | E-Mail: beratungsstelle@awo-lev.de

Esperanza - Sozialdienst kath. Frauen Leverkusen, Düsseldorfer Straße 2, 02171 49030, skf-leverkusen@t-online.de

Das Netzwerk „Frühe Hilfen“ bietet in vielen Stadtteilläden verschiedene Beratungsangebote an, sie werden in einer weiteren Serienfolge genauer vorgestellt,