Nach der Berichterstattung durch den „Leverkusener Anzeiger“ hat sich breiter Protest erhoben.
„Schlag gegen das Brauchtum“Protestwelle gegen St.-Martins-Kürzungen in Leverkusen – Polizei äußert sich

Die Berichterstattung unserer Zeitung über die geplante drastische Reduzierung von Sankt-Martins-Umzügen in der Stadt hat eine Protestwelle ausgelöst. (Archivbild)
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Die Berichterstattung unserer Zeitung über die geplante Reduzierung von Sankt-Martins-Umzügen in der Stadt hat eine Protestwelle ausgelöst. Der allgemeine Tenor: Die Martinsumzüge sind ein fester Bestandteil der kulturellen Tradition an Schulen und ein wichtiges Erlebnis für Kinder und Schulgemeinschaften. Und sollen als solche erhalten bleiben.
Die Oberbürgermeisterkandidaten Stefan Hebbel (CDU) und Valeska Hansen (FDP) reagierten mit einem gemeinsamen Statement – da sie nach eigenen Angaben bereits seit einigen Tagen zusammen an dem Thema arbeiten: „Wir stehen bereits im Austausch mit den Verantwortlichen. Ziel ist es, Lösungen zu finden, die die Sicherheit der Kinder gewährleisten, ohne das Brauchtum und die Eigeninitiative der Eltern und Vereine durch überzogene Auflagen zu gefährden.“ Wenn die Verwaltung die vielen kleinen Umzüge zu großen Stadtteilumzügen zusammenfasst, gehe ein Stück dieses Kulturguts verloren – und vor allem das Gefühl der Kinder, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gemeinsam mit Freunden und Familien etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.
Zumal nach geltender Rechtslage Brauchtumsveranstaltungen mit bis zu 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern genehmigungsfrei seien. „Die Genehmigungsfreiheit wird in Leverkusen durch zusätzliche Auflagen de facto behindert“, klagt Hansen. „Das ist für Ehrenamtliche nicht akzeptabel.“ Auch Hebbel plädiert dafür, Eltern und Vereinen zu vertrauen: „Sie haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie die Sicherheit gewährleisten können, ohne dass die Tradition unter Bürokratie leidet.“
Auf Rückfrage unserer Redaktion stellt Polizeihauptkommissar Christoph Gilles klar: „Zu keinem Zeitpunkt hat die Polizei empfohlen oder befürwortet, Martinsumzüge abzusagen.“ Nach den 60 durch die Polizei begleiteten Martinszügen im vergangenen Jahr habe die Polizei die Stadt Leverkusen gebeten, eine Zusammenlegung „einzelner kleinerer Martinsumzüge von Kitas und Schulen“ zu prüfen. Dadurch könnte eventuell „kräfteökonomischer“ gearbeitet werden. Die Stadt habe daraufhin stadtteilbezogenen Martinsumzügen als eine Option thematisiert und angegeben, diese zu prüfen. „Das Ergebnis hierzu ist bei der Polizei nicht bekannt“, sagt Gilles.
Wir wollen keine Züge absagen. Es geht darum, wie die größtmögliche Sicherheit für Kinder und Eltern hergestellt werden kann.
Dennoch beruft sich die Stadt in ihrem Schreiben an die Schulen auf „fehlende personelle Ressourcen“ der Polizei. Für viele Parteien ist das so nicht hinnehmbar: Opladen Plus hat umgehend einen Antrag für die Ratsgremien aufgesetzt. Darin wird die Verwaltung darum gebeten, eine Lösung zur Fortführung der Tradition der Sankt-Martins-Umzüge 'in der bisher gelebten Form‘ zu entwickeln. „Sankt Martins Umzüge gehören mit zur Kindheit, fördern Gemeinsinn und machen auf ein christliches Miteinander aufmerksam. Eine solche Tradition darf nicht untergehen“, heißt es im Begründung. Zumal es den Ordnungsbehörden ja auch gelinge, „alle zwei Wochen eine Großveranstaltung im Bayer-Stadion über die Bühne zu bringen“.
Dezernent will beruhigen
Schuldezernent Marc Adomat versucht, die Gemüter zu beruhigen: „Wir wollen keine Züge absagen. Es geht darum, wie die größtmögliche Sicherheit für Kinder und Eltern hergestellt werden kann.“ Deswegen werde in Kooperation zwischen dem Fachbereich Straßenverkehr und den Schulen daran gearbeitet, etwa in der Fragen, ob man eher durch Nebenstraßen oder Waldwege gehen könne. Oder eben gemeinsam.
„Schulen können ihre Anträge erst einmal stellen wie bisher, wir müssen nur gucken, wie es größtmögliche Sicherheit geben kann“, erklärt Adomat. Zum Beispiel sei die Polizei am 11. November, der nicht nur Martins-Tag, sondern auch Karnevalsbeginn ist, besonders belastet. „Kein Grund zur Panik“, versichert Adomat. In seinem Schreiben an die Schulleitungen steht allerdings wörtlich: „dass nur noch ein Martinszug pro Stadtteil stattfinden kann. Anderenfalls können die Sicherheitsanforderungen nicht mehr erfüllt werden und die Züge dürfen nicht mehr im öffentlichen Verkehrsraum stattfinden.“
Immaterielles Kulturerbe
Claudia Wiese, Fraktionsvorsitzende der Grünen, betont ebenfalls, dass Martinszüge „eine der schönsten Traditionen ist, die wir für Kinder haben“. Allerdings liege in einer Zusammenlegung möglicherweise auch eine Chance für neue Kooperationen unter benachbarten Schulen. Die Möglichkeit sieht auch der SPD-Parteivorsitzende Darius Ganjani: „Die Stadt braucht vielleicht nicht 160 Züge, aber sie braucht definitiv mehr als einen Umzug pro Stadtteil.“ Die Martinsumzüge hätten Jahrzehnte lang ohne Probleme stattfinden können. „Wir möchten diese Tradition nicht aus einem Angstgefühl heraus aufgeben“, sagt Ganjani.
Der CDU-Landtagsabgeordneten Rüdiger Scholz fügt hinzu, dass das Land NRW den Martinsbrauch im Jahr 2018 zum Immateriellen Kulturerbe erklärt hat. Eine massive Beschränkung mit einer Vorlaufzeit von nur zwei Monaten zu verkünden, sei „ein Schlag gegen das Brauchtum in Leverkusen.“