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„Start“-FestivalSchattengedicht „Volkseigen Ton“ im Scala Club Opladen

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Axel Ranisch, Ragna Schirmer und Matthias Daneck beleuchten DDR-Kultur mit poetischer Tiefe „Volkseigen Ton“ im Scala Club Opladen.

Axel Ranisch, Ragna Schirmer und Matthias Daneck beleuchten DDR-Kultur mit poetischer Tiefe „Volkseigen Ton“ im Scala Club Opladen.

 Wer meint, die DDR-Kultur sei museal, erlebt an diesem Abend ein Echo aus Pathos, Bruch und Poesie.

Musik und Lyrik aus der DDR. Zwischen Geschichte, Haltung und leiser Revolte: Der Scala Club in Opladen – sonst häufig Heimat für Jazz und Clubkonzerte – ist am Dienstagabend beim „Start“-Festival nicht nur Konzertsaal, sondern akustisches Archiv. Auf der Bühne: eine Pianistin, ein Percussionist und ein Schauspieler. Was sich entfaltet, ist kein nostalgischer Rückblick auf die DDR-Kultur, sondern ein klug komponierter Gang durch vier Jahrzehnte Dichtung und Klang, durch Euphorie, Disziplin, Desillusionierung – und, in feinen Momenten, zarte Utopie.

Ragna Schirmer am Flügel ist keine Begleiterin, sie ist ein Kommentar. Ihre Töne fordern, werfen Fragen auf. Wenn sie ein Lied von Friedrich Goldmann anspielt, dann nicht als Denkmal, sondern als Störung – gegen das glatte Erzählen. Neben ihr entlockt Matthias Daneck seinem Schlagwerk keine bloßen Rhythmen, sondern ganze Stimmungsräume. „Ein Schuss“ auf ein Becken, ein trockener Holzklang, ein metallisches Wimmern: Der „Volkseigen Ton“ ist nie eindeutig, nie gefällig. Der Ton ist geprägt von Spannung, Zwiespalt und innerer Unruhe.

Brecht murmelt aus der Gegenwart

Schauspieler und Regisseur Axel Ranisch spricht Brecht nicht, er legt ihn in die Gegenwart. In seinem Timbre mischen sich Bitterkeit und Schalk. Er lässt das berühmte Gedicht „Die Lösung“ nicht pathetisch klingen, sondern trotzig lakonisch: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt? Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ Ranisch streut auch Unbekannteres ein – Fragmente, Notate, die wirken, als wären sie gestern geschrieben. Wie ein unvollständiger Gedanke: „Im Traum stand ich auf einem Bach. Ich war ein Mauler. In der Hand hielt ich eine Kelle.“ Das ist Brecht in der Endfassung der Zeit: Zerschlagen. Suchend. Wach.

Es ist mehr als ein Reenactment. DDR-Kunst war nie eindeutig. Sie war nie nur regimetreu oder regimkritisch, nie nur widerständig oder angepasst. Sie war oft beides zugleich. Die Künstlerinnen und Künstler damals haben gelernt, in Metaphern zu sprechen, zwischen den Zeilen zu tönen, mit dem Unausgesprochenen zu kommunizieren. Auch Gedichte von Eva Strittmatter kommen vor. Ihre Texte sprechen in klaren Naturbildern, doch man spürt das Doppelte: die Liebe zur Landschaft – und den stillen Schmerz über eingeschränkt sein. Wenn Ranisch sie liest, klingen sie wie Briefe aus einem geschlossenen Land. Wie eben die DDR.