Leverkusener ClanKeine Strafe für Mitglieder – Badia Al Zein war früher Hähnchenschlachter

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Liste der sieben angeklagten Al-Zein-Mitglieder

Sieben Angeklagte Clanmitglieder: Der Terminzettel im Gerichtsflur.

Mit Gartenwerkzeugen soll ein Mann in Todesangst versetzt worden sein. Derweil wird klar, dass im Al-Zein-Prozess Angeklagte auch ohne Strafe davonkommen – nicht aber die Haupttäter.

Der Prozess gegen den in Leverkusen ansässigen Al-Zein-Clan wird übersichtlicher: Gericht und Staatsanwaltschaft konzentrieren sich im Verfahren gegen den Clanchef Badia Al Zein, seine Frau und deren drei angeklagte Söhne ab sofort nur noch auf den Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Mit diesem juristischen Begriff wird der fortgesetzte gemeinschaftlich betriebene Betrug gegen das Jobcenter Leverkusen bezeichnet. Der Betrug war möglich, weil die Familienmitglieder gegenüber dem Amt das wahre Familienvermögen verschleiert hatten. Am Betrug, mit dem die Rheindorfer Villa bezahlt wurde, waren fast alle Familienmitglieder beteiligt.

Die Anklageschrift wird also erheblich gekürzt, nur bei dem Familienoberhaupt Badia Al Zein hält die Staatsanwaltschaft einen weiteren Vorwurf aufrecht: Eine Geiselnahme, an der er zwar womöglich nicht selbst körperlich beteiligt war, die ihm aber zur Last gelegt wird.

Prozess gegen Al Zein-Clan in Leverkusen: Zeugen sind verunsichert

Alle anderen Straftaten, wie etwa die knochenharten und mutmaßlich gemeinschaftlich verübten Körperverletzungen der Söhne, werden nicht weiter verfolgt. Sie wären wahrscheinlich letztlich schwer nachzuweisen, auch wegen verunsicherter Zeugen oder weil sich Zeugen nicht erinnern konnten – oder wollten. Alle anderen angeklagten Familienmitglieder – zusammen sind es sieben – bleiben bis auf eine Zahlung von 2000 Euro unbestraft.

Das Verfahren soll auf diese Weise gestrafft werden. Das heißt aber im Klartext, dass jetzt nicht mehr alle mutmaßlichen Straftaten, die den Ermittlungsbehörden bekannt sind, in diesem Prozess abgearbeitet werden und bestraft werden können.

Das Landgericht Düsseldorf beschäftigte sich am Dienstag mit den Lebensläufen des Clanchefs und seiner beiden Söhne. Da sie sich selbst nicht vor Gericht äußern, verlasen die Anwälte Dokumente: Badia Al Zein sei 1975 im Libanon im Bürgerkrieg geboren worden. Sein Vater sei gestorben, als der Sohn zwei Jahre alt war. Der Junge wuchs fortan bei den Großeltern auf. Mit elf Jahren habe er gearbeitet: als Obstzähler, Lagerist und Hähnchenschlachter.

Clanchef kam mit 13 nach Deutschland

Mit 13 schlug sich der heutige Clanchef nach Deutschland durch – über Syrien, die Türkei und Jugoslawien, wo er wegen gefälschter Papiere neun Monate in Abschiebehaft gesessen haben soll. Die falschen Papiere soll ihm der Großvater besorgt haben. Das war 1989.

Die Familie holte ihn irgendwie nach Deutschland: In Berlin und Leverkusen lebten schon Verwandte. Bei der Heirat seiner dreizehnjährigen Braut nach „islamischem Recht“ in Leverkusen war er 17 Jahre alt. Die Frau bekam acht Kinder, eins starb.

Seit Badia Al Zein und die Söhne Merhen (28) und Sehmus (30) aus der Untersuchungshaft entlassen wurden und die zu erwartenden Strafen ausgehandelt wurden, hat das Gericht die Sicherheitsvorschriften gelockert.


Am Donnerstag beginnt ein abgetrennter Prozess in Düsseldorf gegen einen 54-jährigen mutmaßlichen Leverkusener Schläger, ein Clanmitglied, der an einer brutalen Bestrafungsaktion des Clans gegen einen Mann beteiligt gewesen sein soll. Das Opfer war der Anklage zufolge mit der Frau eines Freundes des Leverkusener Clanchefs ins Bett gegangen und sollte dafür bestraft werden. Unter seiner Beteiligung sollen mehrere Mitglieder der Bande den Geschädigten in einen schallisolierten Raum in einer Düsseldorfer Shisha-Bar, „Tonstudio“ genannt, gezerrt und ihn gezwungen haben, sich auf einen Stuhl zu setzen. Um eine besondere Drohkulisse aufzubauen und Todesangst zu erzeugen, sollen der Angeklagte und die anderen Beteiligten vor ihrer Ankunft Gartenwerkzeuge wie Schaufel, Spaten und Hacken in dem Raum bereitgelegt haben.

Dadurch wollten sie laut Anklage den Geschädigten einschüchtern und ihm vermitteln, dass sie ihn töten und später mit diesen Werkzeugen vergraben werden, falls er sich nicht gefügig gezeigt hätte. Die Bestrafung im „Tonstudio“ wurde mit dem Handy gefilmt. Der Fremdgänger wurde schwer verletzt, konnte aber fliehen. Den angeklagten Leverkusener erwartet ein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung, erpresserischen Menschenraubs und räuberischer Erpressung.

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