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Leverkusener ClanDiese Fragen bleiben nach dem Deal im Al-Zein-Prozess offen

Lesezeit 5 Minuten
Der Hauptangeklagte (r) winkt zum Auftakt des Prozesses um eine Leverkusener Clan-Villa neben Anwälten im Gerichtssaal des Landgerichts. Angeklagt sind sieben Angehörige einer Großfamilie. Den Angeklagten werde vorgeworfen, zwischen 2014 und 2021 unberechtigt Sozialleistungen bezogen und Geldwäsche betrieben zu haben.

Der Hauptangeklagte der Familie beim Prozessauftakt im Landgericht Düsseldorf.

Seit Juni stehen sieben Mitglieder der Leverkusener Al-Zein-Familie vor Gericht. Badia Al Zein und seine Söhne sind mittlerweile gegen Kaution auf freiem Fuß. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Zunächst einmal wurde das Wiedersehen ordentlich gefeiert. Kaum hatte das Düsseldorfer Landgericht Clan-Chef Badia Al Zein, genannt Buddy, sowie seine beiden ältesten Söhne von der Haft verschont, kam die kurdisch-libanesische Großfamilie in ihrer Villa in Leverkusen-Rheindorf zu einem Dinner zusammen. Knapp anderthalb Jahre hatte die mutmaßliche Nummer Zwei des bundesweit auf 3000 Mitglieder geschätzten Familien-Syndikats in Untersuchungshaft gesessen. Gegen die Zahlung von 80.000 Euro Kaution kam Badia Al Zein, 47, vor kurzem wieder frei.

Dabei fielen die Kommentare nach der Razzia am 8. Juni 2021 in der Al Zein-Villa noch so euphorisch aus. Unisono werteten NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und sein damaliger Parteifreund Peter Biesenbach als Chef des Justizressorts die Aktion als Riesenerfolg im Kampf gegen die mutmaßlichen Köpfe der Clan-Unterwelt. Inzwischen herrscht ob des Prozessergebnisses eher Ernüchterung.

Al-Zein-Prozess: Ein Deal statt jahrelangen Prozessierens

Bereits ein halbes Jahr nach dem Verhandlungsauftakt schloss die Düsseldorfer Wirtschaftsstrafkammer einen Deal mit Verteidigern und Anklägern der Staatsanwaltschaft. Sollten die Angeklagten einen Teil der Vorwürfe einräumen, falle das Strafmaß entsprechend überschaubar aus. Ein Geschäft, das der Clan-Chef und seine Gefolgsleute dankend annahmen. Über ihre Anwälte gaben sie Teilgeständnisse ab. Im Gegenzug stellte das Gericht maximal sechs Jahre für Badia Al Zein in Aussicht, seine beiden Söhne kommen mit bis zu drei Jahren Gefängnis davon. Ein dritter Nachkomme sowie die Mutter erhalten lediglich Bewährungsstrafen.

Alles zum Thema Herbert Reul

Die Prozessökonomie kommt hier ins Spiel. Lieber sich verständigen, als noch jahrelang länger prozessieren, um alles aufzuklären. Die OK-Staatsanwälte sprechen intern von einem guten Ergebnis. Zum ersten Mal muss einer der „Top-Leute“ (Zitat Reul) aus dem kurdisch-arabischen Clanmilieu in NRW ins Gefängnis. Allerdings ist es ein nicht ungefährlicher Deal, da die Angeklagten bald wieder ihren Geschäften nachgehen dürften.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fall

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt die Hintergründe und wichtigsten Fakten zu dem Fall.

Wie lauten die Strafvorwürfe in der Anklage?

Es geht um Geldwäsche, Geiselnahme, erpresserischen Menschenraub, gefährliche Körperverletzung, räuberische Erpressung sowie andere Delikte. Manche Opfer wurden gefoltert oder wie Arbeitssklaven behandelt. Auch sollen die Al Zeins in der Vergangenheit Belastungszeugen in anderen Strafprozessen bedroht oder bestochen haben. Zudem geht die Staatsanwaltschaft von Sozialleistungsbetrug in Höhe von einer halben Million Euro vor. Bei der Razzia im vergangenen Jahr fanden sich in der Leverkusener Familien-Villa 343.000 Euro in bar sowie teure Luxusuhren. Auch gehörte es zum guten Ton, über Strohleute teure Nobel-Autos zu nutzen.

Wie lief der Sozialleistungs-Betrug ab?

Über ihre Verteidiger räumten die angeklagten Familienmitglieder im Prozess ein, dass die Familienkasse auch durch krumme Geschäfte stets gut gefüllt gewesen sei und man das Geld vom Jobcenter eigentlich nicht benötigt habe. Woher die illegalen Einnahmen stammten, blieb unklar. Geschickt verschleierte man die illegalen Einnahmen vor dem Jobcenter. Auf diese Weise kassierte der Leverkusener Clan mindestens seit 2014 Hartz-IV-Bezüge. Dadurch wurde ein Darlehen zum Kauf der Villa in Rheindorf für 650.000 Euro bedient. Wieso beim Jobcenter niemand Verdacht schöpfte, ließ die Verhandlung offen.

Wie geht es nun weiter mit dem Anwesen in Leverkusen?

Bis heute darf die Großfamilie die Villa nutzen. Die Strafverfolger haben allerdings im Grundbuch einen Sperrvermerk eintragen lassen. Demnach darf der Clan das Objekt nicht weiter veräußern. Auch gestand einer der mitangeklagten Söhne, der den Hauskauf mit einem sechsstelligen Grundbetrag angeschoben hatte, dass dieses Geld aus kriminellen Einnahmen stammte. Durch dieses Geständnis der Geldwäsche zeigt sich die Staatsanwaltschaft zuversichtlich, dass man die Villa einziehen kann. Auch die beschlagnahmten Barmittel und Luxusutensilien fallen dann an die Staatskasse.

Wie läuft's im Prozess?

Manchmal wie im Film: Mitunter können sich wichtige Zeugen, die bei der Polizei noch belastende Aussagen gemacht haben, im Gerichtssaal nicht mehr an die Geschehnisse erinnern. Eine Frau, die bei der Polizei eine Entführung geschildert hatte, mutmaßlich unter Beteiligung von Familienmitgliedern, rechtfertigte sich offen vor Gericht: Ja, sie habe Angst „vor denen“. Andere Zeugen wiederum bleiben bei ihren Angaben.

Welche Fragen wird der Prozess-Deal nicht klären?

Das Verfahren hat bisher offen gelassen, woher die enormen Summen stammten, die etwa dem Clan-Chef Badia Al Zein zur Verfügung standen. Das Familienoberhaupt verzockte mitunter an illegalen Spieltischen hohe fünfstellige Summen. Unklar blieb auch, woher die Kaution von 80.000 Euro stammt, die Badia Al Zein für seine Haftentlassung hinblättern musste.

Buddy Al Zein und seine Familie drehten geschäftlich das große Rad. Millionenschwere Immobilienprojekte im türkischen Izmir sollen ebenso dazu gehört haben wie üppige Investitionen in über Strohleute gegründete Unternehmen. Diese Finanzschiebereien spielten im Prozess keine Rolle.

Schutzgelderpressung bleibt wohl unberücksichtigt

Etliche Anklagepunkte wie Schutzgelderpressung oder Attacken auf den Besitzer einer Autowerkstatt und dessen Sohn bleiben offenbar ebenfalls unberücksichtigt. Genauso wie das staatliche Vorstrafenregister des mitangeklagten Sohnes Merhen Al Zein, der bereits als Jugendlicher einen Widersacher beinahe totgeschlagen hätte.

Was passiert nun mit den Angeklagten?

Sollte Clan-Chef Buddy Al Zein zu sechs Jahren Strafhaft verurteilt werden, ist folgendes Prozedere wahrscheinlich: Inzwischen hat der in Beirut geborene Deutsch-Libanese knapp anderthalb Jahre im Untersuchungsgefängnis eingesessen. Diese Zeit wird vom zu erwartenden Urteilsspruch abgezogen. Bei guter Führung könnte der 47-jährige Clan-Chef außerdem bald in den offenen Vollzug wechseln. Nach Verbüßung der Zwei-Drittel-Strafe winkt ihm nach vier Jahren Gefängnis die Freiheit.

Seine beiden ältesten Söhne dürften da längst wieder ihren Geschäften nachgehen. Kaum ein Prozessbeobachter glaubt, dass sie drei Jahre Haft gänzlich absitzen müssen. Die Frage ist, welches Zeichen dieser Prozessdeal in der kriminellen Clan-Welt hinterlässt.

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