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Angriff in NRW-Psychiatrie
13-jährige Islamistin hat Betreuerin niedergestochen

4 min
Ein Schild „LWL Kinder- und Jugendpsychiatrie“ weist auf die Klinik in Paderborn hin. In der Klinik soll eine 13-jährige Patientin eine Betreuerin mit einem Messer angegriffen haben.

Ein Schild „LWL Kinder- und Jugendpsychiatrie“ weist auf die Klinik in Paderborn hin. In der Klinik soll eine 13-jährige Patientin eine Betreuerin mit einem Messer angegriffen haben. (Symbolbild)

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ steht das Mädchen schon seit Mitte April auf der „Gefährder-Liste“ der NRW-Polizei. 

Wenige Tage vor der lebensbedrohlichen Attacke hatte die Polizei die Klinik nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor einer solchen Tat gewarnt. Die Ermittler hatten erfahren, dass die Jugendliche in der Klinik Zugang zu einer Küche bekommen sollte. Daraufhin hatte die Staatsschutzabteilung der Polizei die verantwortlichen Ärzte darauf hingewiesen, dass die dortigen Messer eine erhebliche Gefahr darstellen. Und sie rieten davon ab, das Mädchen in die Küche zu lassen.

Wortlos zugestoßen

Die Klinik habe aber an ihrem Vorgehen festgehalten, heißt es. Am Samstagvormittag sollte die Jugendliche dann mit zwei Betreuern und einer Küchenhilfe das Mittagessen anrichten. Ein Wachmann vom Sicherheitsdienst, der eigens für den Teenager abgestellt war, habe die Küche kurzzeitig verlassen, berichten Insider. Nachdem das Mädchen zunächst in den Garten gegangen sei, habe es nach der Rückkehr ein Messer von der Anrichte genommen und ohne ein weiteres Wort einer Betreuerin in den Rücken gestochen.

Anschließend sei die Täterin wieder in den Garten gegangen, wo die Polizei sie widerstandslos festnehmen konnte. Vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe gab es dazu zunächst keine Stellungnahme. Die 13-Jährige hatte der Betreuerin ein Messer in den Rücken gestochen. Die 24-Jährige schwebte zunächst in Lebensgefahr, nach Angaben der Polizei geht es dem Opfer inzwischen aber besser. Das Mädchen kam laut Polizei zunächst in Gewahrsam. Eine Untersuchungshaft komme aufgrund des Alters nicht in Betracht, hieß es. Die Polizei bildete eine Mordkommission.

Alles zum Thema Herbert Reul

24-Stunden-Überwachung

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete, stand die 13-Jährige seit Monaten als islamistische Gefährderin im Fokus der Behörden. Sie lebte zuletzt in einer Wohnung, in der sie pädagogisch betreut wurde und 24 Stunden am Tag unter Polizeiüberwachung stand. Wie zu erfahren war, weist ihre Vita deutliche Anzeichen psychischer Auffälligkeiten auf. Zerrüttete Familienumstände, soziale Apathie und der Hang zu Gewaltexzessen sorgen für eine Mischung, die städtische Behörden, Polizei und Justiz vor enorme Herausforderungen stellt.

Bei einer zeitweiligen Unterbringung in der Jugendpsychiatrie ab dem 15. April dieses Jahres versuchte Birte M. in der Innenstadt von Paderborn während eines Freigangs zu fliehen und wurde anschließend von der Polizei wieder eingefangen. Am 16. Juni musste das Mädchen dem Vernehmen nach aus der Psychiatrie entlassen werden, weil eine längere Zwangsmaßnahme für einen so jungen Menschen rechtlich kaum zu begründen gewesen wäre.

Fluchtversuch trotz elektronischer Fußfessel

Ein Amtsrichter ordnet daraufhin an, der Schülerin eine elektronische Fußfessel anzulegen. Ein Verein aus der freien Jugendhilfe übernahm die Aufsicht. Das Mädchen wurde mit einer eigens für sie abgestellten Betreuerin in einem Ferienhaus in einer Anlage im Teutoburger Wald untergebracht.

Die zentrale Überwachungsstelle für Fußfesseln, in Hessen angesiedelt, alarmierte die Leitstelle Bielefeld drei Tage später. Die Jugendliche war kurz nach Mitternacht durch ein geöffnetes Schlafzimmerfenster geklettert. Die Einsatzkräfte orteten sie 400 Meter von dem Ferienpark entfernt. Als Polizisten das Mädchen überwältigten, beschimpfte sie die Beamten wüst und überzog sie mit dschihadistischen Todesdrohungen.

Mordanschlag zuvor angekündigt

Am 23. Juni floh die Gefährderin nach Informationen unserer Zeitung erneut. Bei der späteren Festnahme wehrte sie sich mit Händen und Füßen, trat eine Glastür ein, ging mit Scherben in der Hand auf die Beamten los. Erneut wurde sie in die geschlossene Jugendpsychiatrie eingewiesen. Hier stach sie dann auf die Betreuerin ein.

Dem Vernehmen nach hatte die 13-Jährige gegenüber Kontaktpersonen angegeben, einen Menschen vor ihrem 14. Geburtstag im Oktober töten zu wollen – denn dann wird sie strafmündig. Das Mädchen steht schon seit Mitte April dieses Jahres auf der Gefährderliste des Landeskriminalamts NRW. Dort werden extrem gewaltbereite, potenzielle Attentäter aufgelistet. Auch für die Staatsschützer gilt die mutmaßliche Dschihadistin als tickende Zeitbombe.

Innenminister Reul: Strafmündigkeit auf zwölf Jahre herabsetzen?

Die schon seit Monaten laufende „24/7-Überwachung“ verursache „enorme Kosten“, betont ein Ermittler: „Und ein Ende ist kaum abzusehen.“ In der Klinik sollte sich nicht nur ein privater Sicherheitsdienst um die Jugendliche kümmern. Auch die Polizei wollte Beamte zum Aufpassen schicken, hieß es vor ein paar Monaten. Inwieweit dies geschehen ist, konnte am Sonntag nicht geklärt werden.

Zu Details in dem Fall des gewaltbereiten Mädchens wollte sich NRW-Innenminister Herbert Reul vor einigen Wochen im Gespräch mit dieser Zeitung zwar nicht äußern. Allerdings machte der CDU-Politiker klar, dass er die Geschehnisse für äußerst brisant hält. „Dieser Vorgang reiht sich in etliche andere ein, bei denen Kinder und Jugendliche sich übers Internet oder soziale Netzwerke radikalisieren. Am Ende wollen sie ein Blutbad anrichten“, betont der Minister. So etwas habe er früher „für unmöglich gehalten“. Deshalb müssten „neue Lösungen“ her. Womöglich auch eine Gesetzesreform, um das strafmündige Alter von 14 auf zwölf oder gar zehn Jahre herabzusetzen.