Der Einsatz von Tasern war ein Zankapfel in der schwarz-grünen Landesregierung. Zwei wissenschaftliche Gutachten stärken NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) den Rücken, der sich schon seit Jahren für eine landesweite Einführung der Elektroimpulsgeräte ausspricht.
Gutachter geben grünes LichtHerbert Reul kann NRW-Polizei landesweit mit Tasern ausrüsten

Ein Polizist hält einen Taser (Distanzelektroimpulsgerät) in den Händen. Das Gerät sendet nach Abschuss zweier Elektroden Stromimpulse ab.
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Sie sehen aus wie kleine Pistolen, sind an ihrer gelben Signalfarbe gut zu erkennen. Taser sind Elektroimpulsgeräte, die bei einem Teil Polizeibehörden in NRW zum Einsatz kommen, um den Gebrauch von Schusswaffen zu vermeiden. Zwei neue Gutachten, die NRW-Innenminister Herbert Reul in dieser Woche im Innenausschuss vorstellen will, kommen jetzt zu dem Ergebnis, dass die Taser sich bewährt haben. „Alle Fakten liegen jetzt unmissverständlich auf dem Tisch“, sagte Patrick Schlüter, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei. „Wir erwarten den landesweiten Rollout ohne weitere Verzögerungen“, forderte der GdP-Vorsitzende. „Alles andere wäre ein fahrlässiges Spiel mit der Sicherheit unserer Kolleginnen und Kollegen“, fügte Schlüter hinzu.
Die Einführung der Taser, die bei der Polizei als Distanzelektroimpulsgeräte (DEIG) bezeichnet werden, wurde in der Vergangenheit vor allem von den Grünen kritisch gesehen. Sie hatten wiederholt darauf hingewiesen, dass Taser-Treffer für Menschen mit Herzkrankheiten oder für alkoholisierte Personen extrem gefährlich sein könnten. Zudem wurde befürchtet, dass die Waffe auch in Situationen zum Einsatz kommen könnte, die ohne Taser hätten gelöst werden könnten. Die Geräte würden eben nicht deeskalieren, sondern seien ein weiterer Schritt zur Aufrüstung der Polizei, hieß es.
Test in Koalitionsvertrag vereinbart
In ihrem Koalitionsvertrag verständigten sich CDU und Grünen auf einen Kompromiss, um den Zankapfel aus dem Weg zu räumen. Schwarz-Grün verständigte sich darauf, die bereits vorhandenen Geräte zu testen und den Einsatz der DEIG wissenschaftlich zu begleiten. Dieser Prozess ist mit der Vorlage der Gutachten zum Abschluss gekommen.
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Bereits im vergangenen Jahr hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ein Gutachten zu den gesundheitlichen Risiken von Taser-Treffern für die Betroffenen vorgestellt, das zu dem Ergebnis gekommen war, dass medizinische Folgeschäden nur selten vorkommen würden. Jetzt ergeben sich auch aus den beiden weiteren Gutachten zum einsatztaktischen Nutzen und zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung keine Gründe, die gegen die landesweite Ausstattung der Polizei mit den neuen Waffen sprechen würden.
Die Taser verschießen Drähte mit Projektilen, die sich in der Haut verhaken und Stromstöße übertragen. Dies führt in der Regel zu schmerzhaften Muskelkontraktionen, die die Getroffenen in der Regel handlungsunfähig machen. So können aggressive Personen, von denen eine Gefahr ausgeht, außer Gefecht gesetzt und entwaffnet werden. Innenminister Reul hatte sich in der Vergangenheit positiv über Distanzelektroimpulsgeräte geäußert. „Der Taser hilft nicht nur in extrem brenzligen Situationen, er verhindert auch Gewalt gegen Beamte“, so der Politiker aus Leichlingen.
Taser-Einsatz fast ausschließlich gegen Männer
Aus den Gutachten, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen, gehen jetzt neue Details über die bisherigen Erfahrungen mit den Tasern hervor. So waren von den DEIG-Einsatz ganz überwiegend Männer betroffen, nur 6,1 Prozent waren weiblich. Knapp über die Hälfte der Betroffenen waren 21 bis 40 Jahre alt, 43,9 Prozent standen unter Alkohol- und 22,5 Prozent unter Drogeneinfluss. In 81 Prozent der Fälle reichte allein die Androhung des Schusses, um Personen zur Aufgabe zu bewegen. Die Geräte wirken offenbar langfristig abschreckend. „Personen die bereits von der Anwendung des DEIG betroffen waren, vermeiden selbst nach geraumer Zeit Konflikte mit der Polizei“, heißt es in einer Expertise.
Die meisten Taser-Einsätze finden den Auswertungen zufolge an Wochenenden statt. Etwa 25 Prozent der Einsätze sind innerhalb von 20 Minuten erledigt, in mehr als der Hälfte der Fälle sind mehr als drei Polizisten vor Ort. 56 Prozent finden an öffentlich zugänglichen Plätzen und damit oft vor den Augen der Öffentlichkeit statt. Bei bestimmten Zielgruppen, wie beispielsweise Menschen in psychischen Krisensituationen, könne die Drohung mit dem Taser aber auch zu einer „Eskalation der Einsatzsituation“ führen. Im Jahr 2021 lag bei 24,4 Prozent aller Betroffenen von DEIG-Einsätzen eine psychische Auffälligkeit oder Erkrankung vor.
Taserschüsse blieben in Dortmund ohne Wirkung
Im Jahr 2022 lief in der Dortmunder Nordstadt ein Polizeieinsatz aus dem Ruder. Damals war ein 16-jähriger Flüchtling von der Polizei erschossen worden, als er die Beamten mit einem Messer bedrohte. Zuvor hatten Taserschüsse keine Wirkung gezeigt. Laut Dienstanweisung der Polizei sind die Geräte zur Bewältigung von „dynamischen Lagen“ nicht geeignet.
Die SPD warf der Landesregierung vor, den Einsatz der Taser „auf die lange Bank geschoben zu haben, um einen Koalitionskrach zu vermeiden“, sagte Innenexpertin Christina Kampmann. Die Polizistinnen und Polizisten müssten schon viel zu lange auf eine Entscheidung warten: „Sie sind die Leidtragenden des schwarz-grünen Mantras, unbedingt geräuschlos regieren zu wollen“, kritisierte Kampmann.
Aktuell sind die Taser in 18 Polizeibehörden im Einsatz, dazu gehören Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Gelsenkirchen und Wuppertal. In 29 Polizeibehörden fehlen sie. Experten schätzen, dass bei einer vollständigen Ausstattung des Streifendienstes 9300 Geräte benötigt würden. Die Kosten werden mit bis zu 61 Millionen Euro veranschlagt.
