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ReichsbürgerTerrorverdächtiger aus Dortmund war seit 2019 auffällig

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11.11.2025, Baden-Württemberg, Karlsruhe: Zwei zivile Einsatzfahrzeuge der Polizei fahren in den Bundesgerichtshof. Dort soll eine Haftprüfung stattfinden. Die Bundesanwaltschaft hat in Dortmund einen Mann festnehmen lassen, der im Internet zur Tötung bekannter Politiker aufgerufen haben soll. Der Beschuldigte soll Spenden in Form einer Krypto-Währung gesammelt haben, die als Kopfgeld für die Tötungen dienen sollten. Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Zwei zivile Einsatzfahrzeuge der Polizei fahren in den Bundesgerichtshof. Dort fand am Dienstag die Haftprüfung statt. 

Martin S. war weit länger im Fokus der Sicherheitsbehörden als bisher bekannt. Innenminister Herbert Reul schilderte im Landtag eine jahrelange Serie von Straftaten und radikalen Aktivitäten des Terrorverdächtigen.

Drei Tage nach der Festnahme des rechtsextremen Terrorverdächtigen Martin S. aus Dortmund hat NRW-Innenminister Herbert Reul im Innenausschuss des Landtages weitere Details zu dem Verdächtigen offenbart. Demnach war der als „Reichsbürger“ eingestufte Deutsch-Pole bereits seit sechs Jahren bei Polizei und Justiz aktenkundig. „So hat er im Jahr 2019 eine Sachbeschädigung begangen, im Jahr darauf kam dann ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und eine Volksverhetzung dazu und 2021 folgte eine Beleidigung.“ Auch warfen die Strafverfolger S. die Verletzung des vertraulichen Wortes vor, da er ohne Erlaubnis das Gespräch mit seinem Anwalt aufgenommen hatte.

Die Anti-Terroreinheit der Bundespolizei GSG9 hatte den Beschuldigten zum Wochenbeginn festgesetzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Martin S. wegen Terrorfinanzierung, der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten. Der Rechtsextremist hatte demnach spätestens seit Juni 2025 im Darknet zu Anschlägen auf Politiker, Amtsträger und Personen des öffentlichen Lebens in Deutschland aufgerufen. Auf der Liste sollen unter anderem die Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Angela Merkel (CDU) gestanden haben.

Todeslisten und Anleitung zum Bombenbau

Über seine digitale Plattform „Assasination Politics“ soll der Softwareentwickler Todeslisten sowie Anleitungen zum Bombenbau verbreitet haben. Zudem warb er laut Bundesanwaltschaft Spenden in Bitcoins ein, um ein „Kopfgeld“ für den Mord an den Zielpersonen auszusetzen. Dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ zufolge ließ S. auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn keinen Zweifel an seinen radikalen Überzeugungen. Dort zog er über die Ampelregierung her und wähnte Europa auf dem Weg zum islamischen Kalifat. Über die Corona-Impfung erging sich S. in Hasstiraden, schimpfte über „Impfschafversuchskaninchen“. Auch den Klimawandel stellte er infrage.

Der Begriff „Assassination Politics“ geht offenbar auf einen gleichnamigen Essay eines radikalen US-Antiregierungsaktivisten aus den 90er-Jahren zurück. Jim Bell schlug darin einen hypothetischen Marktplatz im Internet vor, auf dem anonym Morde finanziell unterstützt werden könnten. Ziel sollten etwa vermeintlich korrupte Regierungsbeamte sein.

Als rechtsextremistischer Gefährder eingestuft

Seit 2021 liegen dem Verfassungsschutz laut Landesinnenminister Reul „gesicherte Informationen vor, dass der Beschuldigte in der Dortmunder Neonazi-Szene verkehrte.“ So soll er auch an Gedenkveranstaltungen für den 2021 gestorbenen Neonazi Siegfried Borchert teilgenommen haben.

Der Staatsschutz in Dortmund habe dann im Januar 2024 aufgrund der Erkenntnislage angeregt, den Beschuldigten als „Relevante Person“ einzuordnen, berichtete Reul. Im Register für gewalttätige Extremisten rangiert diese Stufe unter jener von Gefährdern, die für Attentate in Frage kommen. Nach eingehender Prüfung durch das Landeskriminalamt reichten die damaligen Hinweise für eine entsprechende Einstufung aber offenbar nicht aus, führte der CDU-Politiker aus. „Aber unter uns: Wir haben diesen Menschen schon sehr engmaschig betreut.“

Nachdem gegen ihn Haftbefehl erging, wurde der Beschuldigte als rechtsextremistischer Gefährder in das landesweite Staatsschutzregister aufgenommen. Gerade in Dortmund sei die Neonazi-Szene kein gänzlich neues Phänomen, erklärte der Minister. Deswegen bekämpfe eine eigens eingerichtete Sonderkommission (Soko) Rechts seit 2015 die braunen Milieus in der Ruhrmetropole. „Die Entwicklung der Fallzahlen und die hohe Aufklärungsquote“, sprächen für sich, erläuterte der Minister. 2023 verzeichnete die Dortmunder Polizei nach eigenen Angaben 157 rechtsextremistisch motivierte Straftaten. Seit der Einführung der Soko Rechts vor zehn Jahren, in dem noch 441 Fälle registriert wurden, sanken die Zahlen um gut 64 Prozent.