Sechs Jahre HaftLeverkusener Al-Zein-Clanchef und Söhne verurteilt – „Hohe kriminelle Energie“

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Al-Zein-Clanprozess vor dem Düsseldorfer Landgericht, Blick in den Gerichtsssaal

Aufstehen zum Urteil: Der Clanprozess vor dem Düsseldorfer Landgericht ist beendet.

Die Urteile im Al-Zein-Prozess sind am Donnerstag vor dem Düsseldorfer Landgericht gesprochen worden.

Ein knapp sechs Monate währender Mammutprozess ist am Donnerstag zu Ende gegangen: Das Düsseldorfer Landgericht hat den Leverkusener Clanchef und vier seiner Familienmitglieder teils zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Villa der Familie Al Zein auf der Grieße in Leverkusen-Rheindorf wird eingezogen, entschied die Strafkammer. Alle, die dort wohnen, müssen sich nach einer neuen Bleibe umsehen. Einigen bleibt dafür nicht mehr viel Zeit: Familienoberhaupt Badia Al Zein wird bald für sechs Jahre ins Gefängnis umziehen. Die Haft wird er antreten, sobald das am 22. Dezember gesprochene Urteil rechtskräftig ist. Das kann ein paar Wochen dauern; erst anschließend beginnt auch der Vorgang der Einziehung der Villa.

Das amtierende Clanoberhaupt sei die bestimmende Person der Familie, das sei auch in der arabischstämmigen Community bekannt, hieß es am Donnerstag. Der Familienvater, der seine Kinder mit auf den Weg eines kriminellen Lebens gezogen hat, nahm den Urteilsspruch des Richters im Düsseldorfer Landgericht relativ reglos zur Kenntnis. Ab und zu durchzuckte es den inzwischen 47-jährigen Mann, der wegen seines grauen Vollbarts allerdings älter wirkt.

Neben den in seiner Familie gewerbsmäßig eingestielten Betrugsdelikten gegen das Jobcenter Leverkusen wird ihm eine Geiselnahme zur Last gelegt. Werte von etwa 407.000 Euro werden eingezogen, die bei der Razzia gefunden wurden. Der Schaden für das Jobcenter und die betrogene Krankenkasse beläuft sich auf 463.000 Euro.

Braungebrannt und gestählt

Mit dem Clanchef standen drei angeklagte Söhne vor Gericht. Zwei von ihnen (30, 28) müssen ins Gefängnis, beide für drei Jahre. Neben Betrugs wurden beide wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Bedrückt wirkten beide nicht. Einer kaute Kaugummi. Braungebrannt und gestählt blicken sie gelegentlich mit gerunzelter Stirn zu den Zuschauern, wo viele Journalisten den Prozessausgang verfolgten. Beide haben von ihrer Haftstrafe schon ein Jahr und neun Monate in Untersuchungshaft geschmort: Da die Zeiten angerechnet werden, bleibt nicht viel übrig.

Der dritte und jüngste angeklagte Sohn wurde der Geldwäsche überführt, muss aber nicht ins Gefängnis. Er bekommt ein Jahr und neun Monate auf Bewährung: Sollte er drei Jahre straffrei bleiben, muss er nicht einen Tag davon absitzen. Ebenso lange muss sich die Ehefrau von Badia Al Zein als straffrei erweisen, wenn sie in Freiheit bleiben will. Ihr wird vielfacher gewerblicher Bandenbetrug gegen das Jobcenter Leverkusen zur Last gelegt.

Die Anklagen gegen zwei ihrer Töchter, die beim Betrug der Eltern und der Brüder mitgemacht hatten, wurden gegen Geldstrafe oder Auflagen wie beispielsweise 100 Sozialstunden eingestellt.

Richter sieht hohe kriminelle Energie

„Hohe kriminelle Energie“, sagt der Richter, sei bei allen Angeklagten vorhanden. Zu dem für Beobachter naheliegenden Verdacht, Zeugen könnten im Prozess aus Angst vor der Familie keine wahrheitsgemäßen Aussagen gemacht haben, äußerte sich der Richter im Urteil nicht.

Einsatzkräfte bei der Al Zein Razzia Auf der Grieße, Rheindorf
Foto: Britta Berg

Die Razzia im Juni 2021 in Rheindorf

Der Betrug zulasten des Leverkusener Jobcenters sei einfach gewesen, urteilte der Richter, aber das müsse in gewissen Grenzen auch so sein, denn die Hilfen durch das Jobcenter stellten ein niederschwelliges Angebot dar. Das sei aber kein Argument für die Angeklagten, die das ausgenutzt hätten.

Alleine dem Geldwäscher-Sohn bescheinigte der Richter eine möglicherweise gute Sozialprognose. Bei den anderen war davon nicht die Rede.

Deal war viel kritisiert worden

Überraschungen bot das Urteil nicht, denn im Verlauf des Prozesses hatten sich Staatsanwälte, Anwälte und Richter über die Strafen verständigt. Juristen nennen das einen Deal: Teilgeständnisse der Angeklagten im Tausch gegen übersichtliche Strafen. Der Deal hatte eine Menge Kritik bei Lesern und Juristen hervorgerufen: Das sei ein „Fleck auf der Weste des Rechts­staats“. Auf diese Kritik ging der Richter kaum ein. Er hat damit ein Ziel erreicht: Einen ausufernden Prozess, den man in Düsseldorf wohl angesichts der hohen Anzahl von 15 Anwälten befürchtet hatte, hat er verhindert.

Al zein Clanprozess, Düsseldorfer Landgericht. Foto: Ralf Krieger

Al-Zein-Prozess: Nach dem Urteil ging es erstmal wieder nach Hause. Auch für den Clanchef (3. v l. mit brauner Mütze).

Immerhin blieb das Gericht aber bei allen Hauptangeklagten an der oberen Grenze dessen, was in dem Deal vereinbart worden war. Zusätzliche Strafmilderungen verteilte das Gericht nicht. Nur einmal nahm der Vorsitzende Richter das Wort „Clan“ in den Mund: Das deutsche Strafrecht betrachte den einzelnen Täter, denn es sei immer noch die freie Entscheidung jedes Einzelnen, ob er oder sie bei Straftaten mitmache.

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