Leverkusener EntsorgungszentrumWarum ein Abwasser-Experte vor großen Mängeln warnt

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Tanks, in denen man zur Not Löschwasser auffangen kann, gibt es nur im Bürriger Klärwerk, nicht am Sondermüllofen. Eine Schwachstelle, urteilt der BUND.

Leverkusen – Am Donnerstag wird sich die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins mit den Folgen der Explosion bei Currenta befassen. Eine Gelegenheit für den Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland, sein großes Unbehagen über den Umgang mit dem Löschwasser zum Ausdruck zu bringen. Denn mit der Einleitung von bisher mehr als 30.000 Tonnen eines Cocktails aus Lösch- und anderem Abwasser aus dem Bürriger Klärwerk ist die Naturschutz-Organisation überhaupt nicht einverstanden.

Besonders im Fokus: jene 9500 Kubikmeter Wasser, die in den ersten Tagen nach der Explosion und dem Großbrand in den Rhein abgelassen wurden. Denn darin befanden sich erhebliche Mengen des hierzulande weitgehend verbotenen Insektengifts Clothianidin.

Fünf Monate keine Mitteilung

Über die Einleitung der hoch belasteten Mixtur wurde bis kurz vor Weihnachten nichts bekannt, im Gegenteil: Mehrfach hieß es sowohl vom Landesumweltministerium wie von Currenta, es sei keinerlei Löschwasser in den Strom gelangt. Später war dann von einer „akuten Notlage“ die Rede. Bei Currenta wurde befürchtet, dass starker Regen die Kapazität der Auffangtanks überschreiten könnte. Dann hätte die Gefahr bestanden, dass nachlaufendes belastetes Wasser direkt in die benachbarte Kläranlage gerät und diese dann umkippt.

Dazu muss man wissen, dass alles, was vom Bürriger Gelände kommt, zunächst durch das Klärwerk und erst dann in den Rhein geleitet wird. Die Entscheidung, das Wasser in den Rhein abzulassen und nicht etwa mit Tankwagen wegzufahren, hat Currenta getroffen – die Aufsichtsbehörden wurden danach „informiert“, wie Technik-Chef Hans Gennen zuletzt am Montag im Stadtrat mitteilte. Für die Tankwagen-Lösung hätte man 500 Fahrzeuge gebraucht – nicht machbar unmittelbar nach der Katastrophe, so Gennen.

Keine Tanks am Müllofen

Für Paul Kröfges, den BUND-Experten für Abwasser, ist die von Currenta ins Feld geführte Notlage nur der Beweis für einen eklatanten Mangel des Bürriger Entsorgungszentrums. Dort würden keine Tanks für Löschwasser vorgehalten. Vielmehr verlasse sich der Chempark-Betreiber auf die Behälter, in denen das belastete Abwasser aus dem Chempark aufgefangen wird, um es mit dem aus den Haushalten zu vermischen, die vom Wupperverband entsorgt werden. Kröfges’ Einschätzung: Currenta sei vor allem deshalb in Not geraten, weil „kein Volumen mehr für die Aufnahme des ständigen Abwasserstromes aus dem Chempark vorhanden war“.

2012 würde die Bürriger Anlage vergrößert

Vor knapp zehn Jahren wurde die Kapazität der Bürriger Sondermüll-Verbrennungsanlage deutlich auf insgesamt 279 000 Tonnen im Jahr erhöht. Tatsächlich verbrannt werden können dort bis zu 264 000 Tonnen. Die Erweiterung hat die Kölner Bezirksregierung am 29. Oktober 2012 genehmigt. In den beiden Drehrohröfen, dem Herzstück der Anlage, können seitdem 120 000 statt zuvor 80 000 Tonnen Chemiemüll pro Jahr verbrannt werden. Dazu können im Jahr bis zu 90 000 Tonnen Schlamm, 24 000 Tonnen Abwasser und Abwasserkonzentrate sowie 30 000 Tonnen Heizöl und Heizöl-Ersatzstoffe in der Anlage verbrannt werden.

Genehmigt wurde im Herbst 2012 auch die Erweiterung des Bunkergebäudes für die Öfen um eine weitere Kammer, eine Lagerhalle für Abfälle, eine Abfüllanlage für kleine Müllgebinde und eine weitere Tankcontainerstation in Bürrig. Begonnen wurde der Umbau schon 2011 – auch dagegen hatte die Bezirksregierung nach Absprache nichts. (tk)

Das sei ein weiterer Beleg dafür, dass die Löschwasserkonzeption für die Sondermüll-Verbrennungsanlage in Bürrig „völlig unzureichend ist und letztlich nur auf der zeitweisen Rückhaltung in den Stapeltanks, die Teil der Kläranlage sind, basierte“. Man müsse nun klären, wer für diesen Mangel im System eigentlich verantwortlich ist: Currenta, die Genehmigungsbehörde, beide? Oder die Gesetzeslage?

Kein neues Thema

Tatsächlich habe Currenta das Thema Löschwasser-Auffangkapazität nun in den Blick genommen, sagte am Montagabend Chempark-Chef Lars Friedrich im Stadtrat. „Auf längere Sicht“ könne es in diesem System Änderungen geben. Das Thema Löschwasser an sich ist jedoch nicht neu für Currenta: Beim Großbrand bei Momentive am 12. November 2016 fielen 20.000 Tonnen Löschwasser an und konnten nicht komplett aufgefangen werden: Ein Teil lief über den Kai; daraufhin wurde vorsichtshalber Rheinalarm ausgelöst. Nach dem Großbrand in Bürrig am 27. Juli unterblieb das: Currenta und das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Verbraucher argumentieren mit Messergebnissen, nach denen Schwellenwerte etwa für das Insektengift Clothianidin nicht erreicht worden seien.

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BUND-Experte Kröfges wird bei der Internationalen Rheinkonferenz am Donnerstag aber darauf hinweisen, dass zwar mit dem Einleiten am 28. Juli die Stichproben begonnen, Analyseergebnisse damit aber „frühestens und nicht unbedingt vollständig ab dem 30. Juli“ vorgelegen haben. „Außerdem dauert der Aufenthalt des behandelten Wassers in dieser Kläranlage circa zwei Tage.“ Dies bedeute, dass während der Einleitung der 9500 Kubikmeter „Ereigniswasser keinerlei Erkenntnisse vorlagen, welche Konzentrationen und welche Schadstoffe nach Passage der Kläranlage zu erwarten wären. Auch war unklar, ob die Analyse alle Schadstoffe würde erfassen können. Grund genug für Rheinalarm.  

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