Leverkusener JazztageDas Festival soll stattfinden - notfalls auch ohne Publikum

Lesezeit 4 Minuten
Für alles gerüstet: Bayer-Kulturchef Thomas Helfrich (r.) beim Aufbau der flexiblen Bestuhlung im Erholungshaus.

Für alles gerüstet: Bayer-Kulturchef Thomas Helfrich (r.) beim Aufbau der flexiblen Bestuhlung im Erholungshaus.

  • In einer Woche sollen die Leverkusener Jazztage beginnen.
  • Wegen steigender Corona-Infektionszahlen jedoch drohen Kulturveranstaltungen ohne Zuschauer.
  • Organisator Fabian Stiens und Bayer-Kuturchef Thomas Helfrich wollen die Konzerte trotzdem stattfinden lassen.

Leverkusen  – Wenn in Leverkusen die Jazztage anstehen, dann bedeutet das eine Woche vor Beginn dieses international viel beachteten Musikfestivals normalerweise eines: Die Konzerte sind seit Monaten geplant. Das Programm steht bis auf die Minute fest. Eigentlich müssen nur noch die Künstler und Zuschauer kommen – und es kann losgehen.

Doch 2020 ist das Corona-Jahr. 2020 kennt keine festen Programme und bis ins Detail geplanten Konzerte. 2020 ist für alle Beteiligten – und besonders für Konzertveranstalter wie Jazztage-Chef Fabian Stiens – vielmehr eine einzige große Unwägbarkeit, ein einziges großes Fragezeichen. Und das führt dazu, dass diesmal auch die Leverkusener Jazztage eine Woche vor dem Start eher einer Wundertüte denn einem Festival mit striktem Ablaufplan gleichen.

Gerüchte und Befürchtungen

Schließlich können sich die Maßgaben der Landes- oder Bundesregierung in Sachen Pandemie-Eindämmung täglich ändern. Auch für Leverkusen. Derzeit dürfen ohnehin nur 100 Menschen eine Veranstaltung besuchen. Doch es mehren sich bereits die Gerüchte, Vermutungen und Befürchtungen, dass angesichts wieder steigender Infektionszahlen in den kommenden Tagen der umfassende Lockdown erfolgt. Von jetzt auf gleich. Und der würde dann auch die Jazztage betreffen.

Das weiß Fabian Stiens, der seit Monaten wie ein Verrückter daran bastelt, dieses Festival durchzuziehen und der trotzdem betont: „Die Jazztage finden statt. Ich bin da ein Kämpfer und will nicht zurückziehen.“ Das täten schon so viele andere. Er dagegen wolle ein Zeichen setzen, weil ihm dieser Konzertreigen, den er vor einigen Jahren übernahm, am Herzen liege. Ihm, dem Musikliebhaber. Ihm, dem Idealisten. „Notfalls spielen unsere Künstler ohne Publikum“, kündigt er an. Je nachdem, welche Weisung denn nun seitens der Politik ergehe.

Denn diese Politik sei es ja, die mittlerweile gewissermaßen die Planung des Festivals übernommen habe. Das klingt nicht nur sarkastisch und verbittert. Das ist es auch. Weil es für einen wie Fabian Stiens um die eigene Existenz geht. Um die ringt er nun mit allem, was ihm möglich ist.

Hilfe vom WDR

Anders gesagt: Es ist ihm ernst. Die Künstler – zumindest alle bis auf einen, der noch nicht zugestimmt habe und den er noch nicht nennen wolle – seien bereit, notfalls zwei Konzerte an einem Tag zu geben. Oder auch gänzlich ohne Zuschauer im Erholungshaus als neuem Hauptveranstaltungsort aufzutreten und ihm als Organisator „entgegenzukommen“ – was vor allem die Gagenzahlungen betreffen dürfte. Der WDR wiederum habe sich entschlossen, sämtliche Konzerte aufzuzeichnen und per Live-Stream im Internet zu zeigen. Das sei bemerkenswert und wunderbar vom Sender, der seit Jahrzehnten bei den Jazztagen mit von der Partie ist. Und: Auch die Partner des Festivals säßen fest mit im Boot und gäben ihm ein gewisses Gefühl von Sicherheit, sagt Fabian Stiens.

Das könnte Sie auch interessieren:

Damit spielt er vor allem auf die Bayer-Kultur an, mit der er erst 2019 eine mittlerweile als goldwert zu bezeichnenden Kooperation geschlossen hatte. Die Bayer-Kultur stellt dem Jazztage-Chef die komplette Infrastruktur rund um das technisch bestens ausgerüstete und von der Größe her ideale Erholungshaus zur Verfügung. Sie sorgt – sollte doch Publikum in den Saal dürfen – für ein rundum vorbildliches Sicherheits- und Hygienekonzept. Und sie steht Fabian Stiens in Person von Kulturchef Thomas Helfrich auch beratend zur Seite.

Ein „Zeichen nach draußen“

„Dass die Jazztage stattfinden – egal, was passiert – ist auch ein Zeichen von Leverkusen nach draußen“, sagt dieser Thomas Helfrich. „Das wird gesehen und wahrgenommen. Und Künstler merken sich so etwas für die Zukunft. Die merken sich, wenn einer in der derzeitigen Situation ein solches Festival durchzieht – und das maximal sicher und professionell.“ Eine solche Außenwirkung dürfe man nicht unterschätzen. Ebenso wenig wie dies: „Wenn wir jetzt alles dicht machen, bekommen wir es am Ende nicht mehr hochgefahren.“ So etwas dürfe der Kultur nicht widerfahren. „Wir können mit den Jazztagen zeigen: Wir leben noch!“ Und sei es durch Live-Streams ohne Publikum.

„Jede Branche muss ihren Weg finden, sagt Thomas Helfrich. Ihren Weg, mit der Pandemie umzugehen. Das sei zwingend notwendig. Was er damit meint, ist klar: Es müsse versucht werden, die Kultur trotz des Virus stattfinden zu lassen. Weil es nichts bringe, immer davon zu sprechen, was nach Corona getan werden könne. Dieses „nach Corona“ werde es so nämlich nicht geben. „So, wie wir bislang als Gesellschaft funktioniert haben, werden wir nicht mehr funktionieren. Wir leben in einer Zeit, in der das Virus uns Veränderungen aufzwingt.“ Denen müsse man sich stellen. Mit neuen Konzepten. Optimistisch. Und nicht mit dem totalen Runterfahren jeglichen Kulturbetriebes.

Festival mit Strahlkraft

Genau das passt dann wiederum sehr gut zu den Jazztagen als international angesehenem Festival: Es hat Strahlkraft. Es hat eine Vorbildfunktion. Und es wäre das Schlimmste, gerade jetzt – egal, wie schlimm die Corona-Krise auch sein mag – alles abzublasen. Nein: Musik hat noch nie gekuscht. Musik stand immer schon für Hoffnung und Mut.

KStA abonnieren