NachrufLeo Verhülsdonk war Wiesdorfs Pfarrer und der Chef des Zeltlagers

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Leo Verhülsdonk Pfarrer 2018

Pfarrer Leo Verhülsdonk  ist tot. Der Wiesdorfer wurde 94 Jahre alt.

Leverkusen – Man konnte ihn als eine lebende Legende von Leverkusen bezeichnen. Am Sonntag ist Leo Verhülsdonk im Alter von 94 Jahren gestorben. Er ist der ehemalige Pfarrer von St. Antonius in Wiesdorf und wohl der bekannteste Reisemanager der Stadt, wenn man so will. Und er lässt eine große Gemeinschaft zurück. Ein Nachruf.

Einer Schätzung des Wiesdorfer Jugendförderungs-Vereins St. Antonius zufolge sind um die 10 000 Kinder aus Leverkusen mit dem Pfarrer im Zeltlager gewesen. Es muss ungefähr 1957 gewesen sein, als die Wiesdorfer zum ersten Mal mit dem jungen Kaplan Verhülsdonk zu einer Ferienfreizeit aufbrachen. Für Arbeiterkinder – und die meisten in Leverkusen waren das – gab es keine andere Möglichkeit, aus dem grauen Leverkusen in die Sommerfrische zu fahren.

Spitzname: „Der Chef“

Das sei der Grund gewesen, weshalb der junge Kaplan die erste Reise für die Kinder seiner Pfarrei organisierte, sagt Michael Prenzlow, einer der heutigen Vereinsvorsitzenden. Die Fahrten gibt es bis heute, auch nach dem traurigen Unglück von 2018, als eine Sturzflut das Zeltlager an der Ardèche vernichtete und ein Betreuer starb.

„Der Chef“. Den Spitznamen hat sich Verhülsdonk in über 60 Jahren erarbeitet, in denen er die Ferienfreizeiten zuerst organisierte und bis zum Unglück mitfuhr.

Leo Verhülsdonk Archiv Zeltlager

Leo Verhülsdonk (vorne mit schwarzer Mütze) mit Kindern der Gemeinde im Ferienlager

Dort lernten ihn Tausende Jugendliche als mal strengen Geistlichen, der bei der Predigt in kurzen Hosen, aber mit Messgewand im Zelt auch mal sehr laut werden konnte, aber auch als echte Vaterfigur im besten Sinne kennen, der immer für jeden ein offenes Ohr hatte, sagt Prenzlows Bruder Axel Casper, 70, der ins Zeltlager mitfuhr seit er Jugendlicher war und sagt: „Ich bin das älteste Lagerkind“.

Im Krieg als Flakhelfer eingesetzt

1927 in eine Neuwieder Familie mit einer Handvoll Geschwister geboren, wurde der junge Leo im Krieg als Flakhelfer eingezogen. Er überlebte und studierte Medizin, brach das Studium aber ab und widmete sich der katholischen Theologie. Als junger Kaplan kam er nach Wiesdorf, wurde 1953 im Dom zum Priester geweiht, blieb dem Dorf aber seither bis letzten Sonntag treu.

Als er in den 50er-Jahren die Messe halten durfte, zelebrierten die Pfarrer meist noch mit dem Rücken zur Gemeinde. Nicht aber Verhülsdonk, der gegen die damaligen Regeln seiner Gemeinde das Gesicht zuwendete, nicht sein Hinterteil, hieß es 2003 zum goldenen Priesterjubiläum. Er sei nie in der Hierarchie aufgestiegen, immer Dorfpfarrer geblieben, sagt Prenzlow.

Leo Verhülsdonk predigt im Zeltlager

2017 feierte Leo Verhülsdonk im Zeltlager in Süd­frank­reich einen Ju­bi­lä­ums­got­tes­dienst.

Lebensinhalt des „Chefs“ aber waren seine Fahrten und die junge Gemeinde. Erst ging es in die deutschen Mittelgebirge, Eifel, Schwarzwald, dann Belgien, später auf Radtouren bis ans Nordkap und nach Sizilien. Erst viel später dann auf den vereinseigenen Zeltplatz an der Ardèche, dort residierte der Chef im Wohnwagen, immer einen Vorrat an Rotwein dabei.

Der Pfarrer soll ein Frauenschwarm gewesen sein

Der Fahrrad-Freak Verhülsdonk soll genauso gern Auto gefahren sein; und das wie ein Henker, zum Beispiel in Rekordzeit nach Frankreich, erzählt man sich im Vereinsheim an der Großen Kirchstraße. Auch ein Frauenschwarm soll er gewesen sein, das hätten ihm diverse Damen bestätigt, erzählt Prenzlow.

Er lebte mit kurzer Unterbrechung bis zum Schluss in seiner Gemeinde – bei seinen Freunden von der Jugendförderung St. Antonius in einer Mischung aus Familie und Wohngemeinschaft. Der alte Pfarrer kam jeden Tag zum Essen in den Vereinsraum. Dort hatte er seine Leute, die sich um ihn kümmerten. Am Montag vor einer Woche plötzlich ging es ihm schlecht, Fieber. Er musste ins Klinikum.

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Verhülsdonk hatte sich nicht mehr gegen Corona impfen lassen: „Das brauche ich nicht mehr in meinem Alter“, soll er gesagt haben. Die Gefahr kannte er wohl, denn sein Kopf war klar. Michael Prenzlow sagt, das Leben des „Chefs“ sei erfüllt gewesen. „Aber wir alle sind sehr traurig.“ An den Diskussionen um seine Kirche habe er sich nicht mehr beteiligen wollen. Es habe den Mann belastet, der ein ganz anderes Bild verkörperte, als es die katholische Kirche abgibt. Am Sonntag ist er kurz vor Mittag gestorben.

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