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Prozess in LeverkusenAus Angst holte Jonathan Tah Mutter und Schwester ins Rheinland

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Begleitet vom Bayer-04-Sicherheitsbeauftragten betritt Profi Nadiem Amiri das Opladener Gericht.

Begleitet vom Bayer-04-Sicherheitsbeauftragten betritt Profi Nadiem Amiri das Opladener Gericht.

Waren es 60.000 Euro oder 160.000, die der Bayer-04-Profi überwies? Das ist im Prozess um Erpressung eine Frage, die noch offen ist. 

In der Stunde, die Jonathan Tah an diesem Montag im Zeugenstand verbringt, macht der Fußballprofi einen aufgeräumten Eindruck. Als hätte er die sieben Jahre, in denen er mal mehr, mal weniger subtil von Gerardo D. (Name geändert) bedroht und um viele tausend Euro erleichtert worden sein soll, komplett verarbeitet. Am zweiten Tag, an dem das Schöffengericht in Opladen den Vorwurf wiederholter versuchter und vollendeter Erpressung sowie Bedrohung aufarbeitet, ergeben sich indes weitere Ungereimtheiten. Es geht nicht nur um Daten, sondern auch um Geld. Viel Geld.

Der Angeklagte hat seit dem ersten Prozesstag vor zwei Wochen Gericht und Staatsanwaltschaft mit diversen Mails versorgt. Darin gibt es unter anderem eine vermeintlich genaue Aufstellung der Zahlungen, die Gerardo D. von Jonathan Tah erhalten haben will. Denn es gehört zum verqueren Verhältnis zwischen Täter und Opfer, dass der Erpresser sich gar nicht als solcher empfindet. Weshalb er seinerseits gegen Tah geklagt hatte, weil der vereinbarte Zahlungen nicht geleistet habe. 

60.000 Euro oder 100.000 mehr?

Jonathan Tah kommt nach Durchsicht seiner Kontoauszüge auf rund 60.000 Euro, die er im Lauf der Jahre an den Mann überwiesen habe, der sich als Entdecker und Förderer des späteren Nationalspielers sieht. Das meiste davon sei monatlich überwiesen worden, so Tah. Der Angeklagte hingegen kommt auf gut 160.000 Euro. Kann das stimmen? Das muss noch geklärt werden. 

Deutlicher wird am Montag, dass der Profi von Bayer 04 Leverkusen immer noch in Angst lebt vor dem Mann, der ihn schon vor Jahren vor die Wahl gestellt hatte: „Entweder, Du bist mein Freund. Oder mein Feind.“

Bloß nicht entdeckt werden

Ein alter Weggefährte Tahs berichtet, dass der Fußballprofi erneut nicht seine Initialen auf dem Nummernschild hat, wie es viele machen. Er wolle nicht so leicht aufgespürt werden. Den Wagen, um den es geht, habe der Bayer-04-Verteidiger vor rund zwei Wochen zugelassen. „Der hat schon in Angst gelebt“, fasst der Zeuge zusammen. „Und das ist immer noch so.“ Wegen subtiler Drohungen von Gerardo D. habe Tah seine Mutter und seine Schwester aus seiner Heimatstadt Hamburg ins Rheinland geholt, um sie möglichst weit weg zu bringen von der selbst ernannten Kiez-Größe mit den guten Verbindungen zur albanischen Mafia.   

Wichtig ist am zweiten Tag eine Szene nach dem Heimspiel gegen Schalke im April 2021. Tah nimmt die Kollegen Karim Bellarabi und Nadiem Amiri in seinem Auto von der Bay-Arena ins Mannschaftshotel am Forum mit. Unterwegs bemerkt er, dass Gerardo D. ihm folgt. Tah tritt auf die Bremse, weiht seine Mitspieler in wenigen Worten ein, woraufhin beide aussteigen. Bellarabi geht zum Auto des, so Tah, „Stalkers“ und spricht mit ihm. Was genau, bleibt am Montag offen: Der Spieler erscheint nicht vor Gericht. Dafür aber Amiri, der sich nur daran erinnert:  „Der Karim war komplett aufgewühlt.“ Details erfährt das Gericht nicht. Es sei nicht mehr über die Sache gesprochen worden, so Amiri. Aber: „Den Jona habe ich noch nie so gesehen.“

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