Prozess um ErpressungDeshalb lebte Bayer Leverkusens Jonathan Tah jahrelang in Angst

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Jonathan Tah kommt mit Anwalt Udo Wackernagel am Amtsgericht Leverkusen an.

Jonathan Tah am Montag vor dem Opladener Amtsgericht – als Zeuge in einem Prozess um Erpressung und Bedrohung, deren Opfer er sein soll. Neben ihm sein Anwalt Udo Wackernagel

Ein aufdringlicher Freund soll vom Nationalspieler gut eine Viertelmillion Euro gefordert und gedroht haben, seine Karriere mit Gewalt zu beenden. 

Die verhängnisvolle Freundschaft begann, da war Jonathan Tah 16 und noch eine Nachwuchshoffnung beim Hamburger SV. Der vier Jahre ältere Gerardo D. (Name geändert), suchte die Nähe des Fußballspielers, beriet und förderte ihn. Sagt er jedenfalls. „Ich habe den Jungen geliebt“, fasst D. am Montag im Opladener Amtsgericht zusammen. Da hat Tah gerade eine gut vierstündige Befragung als Zeuge absolviert. In der sich das Verhältnis vollkommen anders darstellte: von Bedrohung, vollendeter und versuchter Erpressung ist die Rede. Und das über sieben Jahre.

Rund 60.000 Euro hat D. dem Fußballprofi laut Anklage im Lauf der Jahre abgenommen. Und es wären noch 238.000 Euro mehr gewesen, wenn Tah sich nicht irgendwann ein Herz gefasst und die Polizei eingeschaltet hätte. Das war allerdings erst im Frühjahr 2021. Da hätte die Sache „das nächsthöhere Level“ erreicht, so beschreibt es Tah.

200.000 Euro „Startkapital“ vom Nationalspieler

Er sei gerade vom Training bei Bayer 04 auf dem Weg zu seinem privaten Gym gewesen, als ihm ein Auto an der Ampel den Weg abschneidet. Darin sitzt Gerardo D. „Erst wollte ich wegfahren. Aber ich hab mich gefragt: wohin?“ Der Andere weiß, wo er wohnt, wo er arbeitet, kennt seine Mutter in Hamburg, seine Freunde. Es gibt also kein Entkommen. Also verabredet er sich auf einem nahen Parkplatz, auf dem Kameras hängen, wie Tah weiß. Längst befürchtet er das Schlimmste: „Jetzt kann alles passieren.“

Dann die Überraschung, „der noch viel größere Schock: Er kommt auf mich zu und umarmt mich.“ Die beiden Männer tun ihre Handys weg, machen sich zu einem kleinen Spaziergang auf, sagt Tah aus. Dann sei es wieder hart geworden. D. habe ihm berichtet, dass er jetzt Spielerberater werden will. Da könne er eine finanzielle Starthilfe gut gebrauchen. Von 200.000 Euro sei schließlich die Rede gewesen. Denn Tah stehe ja tief in seiner Schuld.

Die „Falle“ unter der Stelze

Es geht um die „Falle“, die Tah ihm einst gestellt habe: Ende 2015 oder Anfang 2016 habe Gerardo D. angekündigt, er käme jetzt „aufräumen“. Tags darauf habe er beim Training bemerkt, dass D. mit seinem getunten Mercedes vorgefahren sei. Daraufhin habe er zwei Freunde alarmiert, so Tah. Schließlich sei er aber doch zu D. gegangen, sei in dessen Auto gestiegen, dann sei man ein paar Meter weiter ans Ende der Stelze gefahren. Der Grund: Tah wollte nicht, dass Mitspieler von Bayer 04 mitbekommen, was da abläuft.

Im Auto habe D. nach einem Totschläger greifen wollen – Tah verhinderte das. Unterdessen seien zwei Freunde und zwei Begleiter unter der Stelze eingetroffen, hätten D. zur Räson gebracht. Unter anderem mit zwei Ohrfeigen, auch das Wort „Hurensohn“ sei gefallen. Insgesamt zwei Stunden sei es aber auch darum gegangen, ob und wie eng Tah und Gerardo D. miteinander befreundet sind.      

Unerwünschte Nähe

Denn immer wieder hatte D. nicht nur die Nähe zu Tah gesucht. Sondern der junge Fußballprofi hatte dem unerwünschten Freund auch immer mal wieder eine Freude gemacht. Zum Beispiel ein Video, in dem er und ein Teamkollege von Bayer 04 ihm zum Geburtstag gratulieren. Als das Filmchen im Gerichtssaal abgespielt wird, bricht der Angeklagte in Tränen aus. 

Das passt so gar nicht zu den Drohungen, die später ausgestoßen worden sein sollen: D. habe seine Kontakte zur albanischen Mafia angesprochen und ihm prophezeit, durch Schüsse ins Knie seine Fußballer-Karriere zu beenden. Dann habe er seine allein lebende Mutter aufgesucht und auch sie subtil bedroht. Ein Alptraum, der immer schlimmer geworden sei, sagt Jonathan Tah.

Die Aufarbeitung vor Gericht wird sich noch hinziehen. Zwei Termine braucht es noch. Und weitere Zeugen. Darunter Karim Bellarabi und Nadiem Amiri.

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