Gemeinsam mit sechs weiteren Kommunen führt Leverkusen ein neues Rettungssystem ein. Nach einer Probephase geht es zum 1. Juli an den Start.
Neues SystemWie der Telenotarzt künftig Rettungseinsätze in Leverkusen unterstützt

Kevin Aufsfeld und Alina Meuthen im umgerüsteten Rettungswagen mit Kamera an der Decke und vernetzten Monitoren
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Unfall im Schulsport: Ein Junge hat sich am Arm verletzt. Am Ort stellt sich für die Rettungssanitäter die Situation dramatischer dar – sie rufen den Telenotarzt an. Und landen bei Detlev Gissat, Telenotarzt in Hessen. „Ich konnte über die Videoaufnahmen erkennen, dass der Arm so weit abgewinkelt stand und eine weißliche Farbe angenommen hatte, dass er dringend wieder in Position gebracht werden musste“, berichtet der Notarzt über einen nur wenige Tage zurückliegenden Fall. Dafür muss zunächst starkes Schmerzmittel verabreicht werden. „Es ist nicht leicht, die richtige Dosierung zu berechnen, wenn man ein schreiendes Kind und aufgeregte Eltern um sich hat“, sagt Gissat. Also erledigt Gissat das aus der Ruhe der Leitstelle.

Detlev Gissat vom Telenotruf in Hessen (r) unterstützt seinen Leverkusener Kollegen Michael Stunz bei der Einführung in der Feuerwache.
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Am Dienstag ist der Kollege aus Hessen in der Hauptfeuerwache Leverkusen zu Gast, wo am 1. Juli 2025 die neue Telenotarztzentrale „Bergisches Land“ nach einem Monat Test in den Echtbetrieb geht. Gemeinsam umgesetzt hat die Stadt Leverkusen das mit dem Ennepe-Ruhr-Kreis, dem Kreis Mettmann sowie den Städten Remscheid, Solingen und Wuppertal.
113 Rettungswagen umrüsten
Aktuell hat jeder der sieben Partner je zwei Rettungswagen, die mit der Telenotarzt-Technik ausgestattet sind. Bis Ende 2026 sollen alle 113 Wagen im Einsatzgebiet umgerüstet sein. Dazu gehört zum Beispiel eine Kamera über der Krankentransportliege, Headsets für die Rettungskräfte und Online-Verknüpfung der Monitore mit der Leitstelle. „Man muss sich schon umgewöhnen“, sagt Kevin Aufsfeld, der als Rettungssanitäter in Aachen bereits Erfahrung mit dem System sammeln konnte und diese jetzt in Leverkusen umsetzt. Wenn früher eine Situation auftrat, die seine Qualifikation übersteigt oder in der er Hilfe oder Verstärkung braucht, rief er früher den Notarzt zur Behandlungsstelle. Das braucht Anfahrtszeit.

Gute Laune beim Startschuss: Vertreter aller sieben Gebietskörperschaften haben sich in Leverkusen versammelt.
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Heute kann der Telenotarzt in Echtzeit Medikation anordnen und so die Zeit überbrücken, bis ein Notarzt eintrifft oder den Patienten so einstellen, dass er auch ohne ärztliche Begleitung in eine Klinik gebracht werden kann. „Man muss mehr erzählen und Eindrücke vermitteln, als wenn der Kollege vor Ort ist“, erklärt Aufsfeld. Etwa, wenn es einen auffälligen Geruch gibt. Dennoch ist Aufsfeld zufrieden mit der neuen Technologie: „Man ist froh, wenn man schnell Unterstützung bekommt, da hat man keine Hemmungen, anzurufen.“
Das entlastet nicht nur die mobilen Notärzte, von denen in Leverkusen aktuell zwei rund um die Uhr im Einsatz sind. „Manchmal kann der Telenotarzt sogar so weit helfen, dass der Patient gar nicht in eine Klinik muss, sondern an den Hausarzt überwiesen wird“, erklärt Dr. Ninja Kröger, Projektkoordinatorin in Leverkusen. Dadurch könne auch die Notaufnahme entlastet werden. Und auch für den Patienten seien die Vorteile klar: „Es steht sofort ein notfallmedizinischer Vollprofi zur Verfügung“, erklärt Kröger. Bei einem Herzinfarkt etwa könne das schon mal eine Zeitersparnis von einer halben Stunde bedeuten. Und Leben retten.
Das Telenotarztsystem hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) als flächendeckende landesweite Einführung per Erlass vorgegeben. Ein System muss mindestens eine Million Einwohner versorgen, deswegen – und aus Kostengründen – haben sich die sieben sogenannten Gebietskörperschaften zum Telenotruf „Bergisches Land“ zusammengeschlossen. Durch eigentliche Technik ist der Notruf an die benachbarten Zentralen Aachen und Hessen angeschlossen. Sollte eine Zentrale ausfallen oder überlastet sein, wird automatisch auf eine andere umgeleitet. Die Kosten für den Telenotruf „Bergisches Land“ belaufen sich auf rund 25 Millionen Euro für sieben Jahre. Geteilt werden sie nach einem Schlüssel, der sich nach Einwohnerzahl und Rettungseinsätzen berechnet. Die Umsetzung erfolgt in Kooperation mit der ADAC Telenotarzt gGmbH und der Umlaut Telehealthcare.