Falscher VerdachtNach „Aktenzeichen XY“ landet ein Waldbröler auf der Anklagebank

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Aktenzeichen XY

Rudi Cerne moderiert die Sendung „Aktenzeichen XY“. (Symbolbild)

Bonn/Waldbröl – Eine unglückselige Verwechslung brachte jetzt einen 25-jährigen Waldbröler auf die Anklagebank des Bonner Landgerichts. Denn nach einer Fahndung in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ geriet der Azubi in den Verdacht, einen bewaffneten Tankstellenüberfall am 17. August 2019 auf der Brölstraße begangen zu haben.

Ein Tatort-Video zeigte den vermummten Täter, ganz in schwarz gekleidet, wie er mit einer Pistole droht, das Geld in einen dunklen Rucksack steckt und in der Nacht verschwindet. Das Auffälligste an dem Räuber war seine Statur: mindestens 1,90 groß, hieß in der Sendung, und „stabil gebaut.“ Die letzten beiden Eigenschaften führten wohl zum falschen Verdacht: Nach der Sendung meldete sich ein Zuschauer und gab einen entsprechenden Hinweis.

Waldbröl: Nach „Aktenzeichen XY“ steht die Polizei vor der Tür

Wenige Tage später - am 26. August 2019 - stand die Polizei vor der Tür und durchsuchte das Mehrfamilienhaus, wo der Verdächtige - tatsächlich auffällig groß - und seine Mutter in zwei Wohnungen im obersten Geschoss lebten. Aber anstatt Indizien für den bewaffneten Raub zu finden, stießen die Fahnder im Flur zwischen den Wohnungen auf einen Beutel mit Drogen: darin 400 Ecstasy-Pillen sowie kleine Mengen von Marihuana und Amphetaminen, dazu eine elektrische Feinwaage.

Was den Drogenfund jedoch besonders gravierend und zu einem kapitalen Fall für das Bonner Landgericht gemacht hat: In dem Beutel befanden sich auch ein Teleskopschlagstock und ein Messer. So wurde der 25-Jährige wegen Drogenhandels mit Waffen angeklagt und muss mit einer hohen Haftstrafe nicht unter fünf Jahren rechnen. Falls die 1. Große Strafkammer nicht zu dem Ergebnis kommt, dass hier doch ein minderschwerer Fall vorliegt.

Drogendealer wollte Mietschulden seiner Mutter begleichen

Denn dass der junge Mann eher ein Unglückswurm als ein ausgebuffter Krimineller ist, das wurde am Donnerstag, dem ersten Prozesstag, mehr als deutlich: Nicht einmal die Warnung, dass bei ihm durchsucht wird, kann ihn retten. Denn als er alle verdächtigen Details in den Beutel gestopft hatte und diesen im Keller verstecken wollte, standen die Ermittler bereits vor der Tür.

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Zum Prozessauftakt gestand er reumütig, dass er damals versucht hatte, mit dem Dealen von Ecstasy-Pillen die Mietschulden seiner schwerkranken - mittlerweile verstorbenen - Mutter zu begleichen. 2000 Euro hatte er für 500 Pillen investiert und hoffte durch den Verkauf das 7000-Euro-Minus auf einen Schlag zu tilgen. „Eine sehr dumme Idee“, wie er jetzt einräumte.

Der Verdacht, der Tankstellenräuber zu sein, brachte dem Angeklagten weiteres Unglück: Sein Lehrherr hatte ihm aus Angst gekündigt, der kriminelle Verdacht könnte ihm schaden, und vermasselte ihm damit auch noch die anstehende Abschlussprüfung. Froh ist der Angeklagte nur, dass der üble Verdacht endgültig vom Tisch ist. Die Ermittlungen wegen des Raubüberfalls wurden eingestellt.

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