KostenexplosionWipperfürther BEW-Chef warnt vor steigenden Gaspreisen

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Gaspreise Symbolbild

Enorme Preisschwankungen an den Energiebörsen sorgen dafür, dass die Preise für Gas aktuell in Höhe schnellen. (Symbolbild)

Wipperfürth – Die Energiepreise steigen weiter steil an. Wie sich die Situation angesichts des Kriegs in der Ukraine und den EU-Sanktionen weiterentwickelt, ist noch unklar. Jens Langer ist seit April 2015 Geschäftsführer der Bergischen Energie und Wasser GmbH (BEW). Er studierte Elektrotechnik und arbeitete bei den Stadtwerken Lüdenscheid, der Energie Südwestfalen und Lekker Energie.

Wie stark sind die Gas-Einkaufspreise für die BEW seit Jahresbeginn beziehungsweise seit Beginn des Krieges in der Ukraine gestiegen?

Langer: Im Großhandelsmarkt konnte man Gas für das Jahr 2023 Mitte 2021 noch für rund 20 Euro pro Megawattstunde (MWh) einkaufen. Anfang des Jahres kostete dieses Produkt rund 45 Euro, nach Kriegsbeginn sprang es auf über 70 Euro. Inzwischen sind es fast 90 Euro. Ähnlich dramatisch sieht es am Spotmarkt aus. Während die Spotmarktpreise (Handelspreise für den nächsten Tag) noch bis Mitte des Jahres 2021 unter 20 Euro MWh notierten, liegen sie im Jahr 2022 bislang bei über 100 Euro im Durchschnitt. In der Spitze, etwa in den ersten kalten Apriltagen, waren es auch über 200 Euro/MWh. Diese Preisexplosion spiegelt sich im Einkauf der BEW wider, sowohl in der langfristigen Beschaffung als auch in der kurzfristigen Beschaffung, die aufgrund von Witterungseinflüssen unvermeidbar ist.

Woher bezieht die BEW das Gas?

Wir beschaffen Erdgas am Großhandelsmarkt in Deutschland. Die dort gehandelten Mengen haben keine Kennzeichnung, aus welchen Quellen sie stammen. Ob gerade russisches, norwegisches oder niederländisches Gas oder sogar amerikanisches Flüssiggas durch die Leitung fließt, können wir als Energieversorger nicht beeinflussen. Die bedarfsgerechte Regelung der Mengen in unser Netz, aber auch die anderen Verteilnetze in Deutschland erfolgt durch eine übergeordnete Stelle.

Wann müssen Kunden mit Preissteigerungen rechnen, wie groß ist der Kundenanteil mit längerfristigen Preisbindungen?

Hier ist zu differenzieren. Kunden mit einer Erstlaufzeit bis Ende 2023 bleiben von steigenden Beschaffungspreisen vorerst verschont. Hier haben wir den Energieverbrauch des Kunden bereits eingedeckt. Wir reichen nur Veränderungen von Steuern, Abgaben und Umlagen durch. Bei allen anderen Kunden werden wir genau hinschauen und je nach Tarif und Vertragsabschlusszeitpunkt die Preise anpassen. Bei Gas werden einige Kunden ab dem 1. August 2022 deutlich mehr zahlen müssen. Die genauen Preise stehen allerdings noch nicht fest. Es kann sein, dass die Preise noch mal um die Hälfte steigen. Was danach kommt, beispielsweise zum Herbst oder Jahreswechsel hin, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht seriös beantworten. Kurzfristig wird sich der Gasmarkt wohl nicht entspannen.

Wir versuchen alles, um die Energiekosten für unsere Kunden so gering wie möglich zu halten. Die Entwicklung der Beschaffungspreise konnte so kein Energieversorger in Deutschland vorhersehen. Für die gesamte Energiewirtschaft ist das eine riesige Herausforderung. Zuletzt bedeutete diese Situation für einige Energiediscounter das Aus.

Was ist mit Großkunden aus der Industrie?

Im Grunde ist die Situation für die Industriekunden nicht anders als für unsere Privatkunden. Die Preise hängen von den jeweiligen Verträgen und den vereinbarten Laufzeiten ab.

Gibt es die Möglichkeit, bereits jetzt einen höheren Abschlag zu vereinbaren, damit die Nachzahlung nicht so hoch ausfällt? Wenn ja, wie müssen Kunden vorgehen?

Aufgrund der steigenden Preise empfehlen wir unseren Kunden dringend, die Abschläge zu überprüfen. Im BEW-Kundenportal können sich unsere Kunden zum gewünschten Datum kostenlos eine Zwischenabrechnung aufrufen. In vielen Fällen ist der Abschlag nicht ausreichend und sollte unbedingt erhöht werden. Ansonsten droht eine deutliche Nachzahlung in der Jahresabrechnung. Je nach Tarif und Vertragspreis sollte der Abschlag zwischen 10 und 50 Prozent erhöht werden.

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Im momentan eher unwahrscheinlichen Fall einer Rationierung von Gas würden nach derzeitigem Recht Privathaushalte bevorzugt. Muss die BEW diese Rationierung durchsetzen, oder geschieht das an einer anderen Stelle?

Nach derzeitigen Prognosen ist selbst bei einem deutlichen Absinken aller russischen Importe in den nächsten Monaten keine Einschränkung der Versorgung zu erwarten. Voraussetzung ist, dass weiterhin hohe LNG-Mengen in die EU geliefert und generell alle anderen, alternativen Importrouten ausgelastet werden. Sollten russische Importe vollständig ausfallen, können Engpässe nicht ausgeschlossen werden. In diesem Fall greifen in Europa Sicherungsmechanismen. So sind Haushaltskunden und Einrichtungen wie Krankenhäuser durch gesetzliche Bestimmungen besonders geschützt. Dagegen kann es bei Industriekunden im Extremfall durchaus zu Abschaltungen kommen. In Deutschland gilt dazu der „Notfallplan Gas“, der die rechtlichen Grundlagen und Maßnahmen zur Krisenbewältigung beschreibt. Im unwahrscheinlichen Fall einer nationalen Gasmangelsituation tritt das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) in Kraft, das zurzeit vom Gesetzgeber überarbeitet wird. Die Regierung kann Maßnahmen ergreifen, um den lebenswichtigen Bedarf an Energie zu sichern. Dazu gehören Eingriffe in die Produktion, den Transport und den Verbrauch von Gas. Auch auf die BEW könnten dann Abschaltanforderungen zukommen, die dann in einer gesetzten Frist umzusetzen sind.

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