Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kommunalwahl am 14. SeptemberSieben Parteien wollen Bergneustadts Mandate

6 min

F - Fotos Bergneustadt, Skulpturengruppe Austausch, Argwohn und Gelassenheit von Monika Schüchter vor dem Rathaus *** Aufnahmezeit: 08.08.2025 13:55:12 *** Honorar-Nr.: 17556

Vor der Kommunalwahl am 14. September geben wir einen Überblick, wer in welcher Kommune um Stimmen kämpft. Heute: Bergneustadt.

Die klassische Koalition gibt es im amtierenden Stadtrat nicht, in Bergneustadt hat Politik deshalb auch immer etwas von einer Wundertüte. Wechselnde Mehrheiten sind in den Ratssitzungen an der Tagesordnung, dafür sorgen allein schon die Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG), Grüne, FDP und die Freie Wählergemeinschaft Bergneustadt (FWGB). Da sich CDU und SPD selten zusammentun, läuft nämlich nichts gegen die „Kleinen“. Entsprechend lebhaft wird um die richtigen Lösungen gestritten – entsprechend breit ist dann allerdings auch der Rückhalt in der Bergneustädter Bürgerschaft, wenn denn mal eine Entscheidung gefunden wird.

Im neuen Stadtrat dürfte die Kompromiss-Suche jedenfalls nicht einfacher werden: Diesmal buhlt mit dem vor einigen Wochen gegründeten AfD-Ortsverband noch eine siebte Gruppierung um die knapp 14.000 Bergneustädter Wählerstimmen. Die Stadt soll schon bald wieder mehr Einwohner zählen, am liebsten junge Familien, die in eines der Neubaugebiete ziehen. Dafür rüstet die Stadt die Schullandschaft auf. Parallel entwickelt sie gleich mehrere Gewerbegebiete, um neue Unternehmen anzulocken – die letztlich dabei helfen sollen, die arg gebeutelte Stadtkasse wieder aufzufüllen. So weit sind sich die Parteien einig. Ihre Rezepte und Schwerpunkte unterscheiden sich allerdings deutlich.

Wie ist die Ausgangslage im aktuellen Stadtrat?

 Bei der Kommunalwahl 2020 konnte die CDU in 13 von 16 Wahlbezirken direkt gewinnen. Dreiort/Baldenberg, Hunschlade und Belmicke/Othetal gingen an die SPD. Zusammen mit den Mandaten, die über die Listen vergeben wurden, kommen die Sozialdemokraten aktuell auf zehn Sitze im Stadtrat. Die UWG stellt vier Stadtverordnete, die Grünen drei und FDP und FWGB jeweils zwei Mandatsträger. Vorsitzender des Rates ist Bürgermeister Matthias Thul (CDU). Vergeben werden bei der anstehenden Wahl 32 Ratssitze. Es ist aber gut möglich, dass Ausgleichsmandate das Gremium – wie schon 2020 – vergrößern. Derzeit gibt es 34 Mitglieder plus Bürgermeister.

Wer tritt am 14. September zur Wahl an?

Alle sechs bislang im Rat vertretenen Fraktionen haben Kandidatinnen und Kandidaten für die 16 Wahlbezirke zwischen Hackenberg und Belmicke aufgestellt, gleiches gilt für die AfD, die erstmals in den Bergneustädter Stadtrat will. Anfang Mai hatte Wolfgang Lenz Partei und Fraktion der FDP verlassen, um einen AfD-Ortsverband aufzubauen. Inzwischen ist er dessen Spitzenkandidat. Nicht zufällig kandidieren Lenz und die an die Spitze der AfD-Reserveliste gesetzten Bewerber in Leienbach und den beiden Hackenberger Wahlbezirken – also genau dort, wo die AfD bei der Bundestagswahl im Februar besonders viele Stimmen holte. Für die CDU bedeutet das einen unangenehmen Wahlkampf an zwei Fronten: Die Christdemokraten müssen sich gegen die SPD behaupten und zugleich mit den Attacken der AfD von rechts außen befassen. Ebenfalls von rechts kommen zudem noch die Unabhängigen um Jens-Holger Pütz, der der CDU fortwährend vorwirft, seit der Merkel-Zeit ihr konservatives Profil zu verraten. Eine Fusion von UWG und AfD hatten die Unabhängigen klar abgelehnt. Möglicherweise stibitzen sich beide Parteien dadurch gegenseitig Stimmen, vielleicht aber auch nicht. So oder so: Die Bergneustädter müssen an der Urne beantworten, wie viel politischen Raum rechts von der CDU sie einräumen möchten.

Erneut prominent umkämpft ist der Wahlbezirk Sessinghausen: Mit Reinhard Schulte (CDU), Daniel Grütz (SPD) und Axel Krieger (Grüne) wollen hier gleich drei aktuelle Fraktionschefs das Direktmandat. Schulte und Grütz haben zudem die Spitzenplätze der jeweiligen Parteilisten inne. Die grüne Liste wiederum führen Birgit Gauer und Roland Wernicke an, bei der FDP stehen mit Christian Hoene und Ulrich Saßmannshausen die beiden aktuellen Ratsmitglieder der Freien Demokraten vorne und auch bei der FWGB ist Fraktionschef Mehmet Pektas die Nummer eins. Allein um die Direktmandate bewerben sich damit 112 Frauen und Männer.

Was sind die drängendsten Themen in Bergneustadt?

 Überragende Bedeutung hat (mal wieder) das Jonglieren mit den Stadtfinanzen, mit der Haushaltssituation steht und fällt vieles. Das im Frühjahr verabschiedete Haushaltssicherungskonzept plant für die kommenden Jahre viel Wachstum ein. Wie neue Menschen und Firmen angesichts von Steuersätzen, die erst einmal abschrecken, in die Stadt gelockt werden können, ist eine wichtige Frage an den nächsten Stadtrat. Aber auch abseits der Finanzpolitik wird den künftigen Stadtverordneten nicht langweilig werden: Der Umbau des Extramarkt-Geländes und der Altstadt, die Zukunft des Schullandheimes und die der ärztlichen Versorgung in der Stadt sind große Baustellen. Anfang der 2030er-Jahre endet zudem der Konzessionsvertrag über das Bergneustädter Stromnetz – gut möglich, dass schon der neue Rat zur Idee eigener Stadtwerke Farbe bekennen muss. Gleiches gilt für das Public-Private-Partnership-Modell für die Schulen. Aber auch die öffentliche Sicherheit, die Versorgung mit Kindergartenplätzen und die Errichtung von Windrädern werden für Gesprächsstoff sorgen.

Wann tagt der neue Stadtrat zum ersten Mal?

 Offiziell beginnt die Wahlperiode am 1. November 2025. Für Mittwoch, 12. November, ist die erste Sitzung im Krawinkelsaal vorgesehen. Auch die Amtszeit des Bürgermeisters beginnt am 1. November. Die Sitzung des Stadtrates am Mittwoch, 24. September, wird damit die letzte in alter Besetzung sein.


Dreikampf um das Bergneustädter Bürgermeisteramt

Matthias Thul (CDU, 45) gewann vor fünf Jahren die Stichwahl mit gut 64 Prozent der Stimmen und ist seit dem 1. November 2020 Bergneustädter Bürgermeister. Die CDU hat ihn erneut nominiert, Grüne, FDP und FWGB unterstützen dies. Als Schwerpunkt einer zweiten Amtszeit nennt er die Entwicklung von Gewerbegebieten. „Sie sind die einzige echte Option, unsere Einnahmensituation zu verbessern.“ Um bezahlbaren Wohnraum – auf dem alten Extramarkt-Gelände, aber auch in Wiedenest und Hackenberg – will sich Thul genauso kümmern wie um vernünftige Bedingungen zum Betrieb eines Ärztehauses.

Wichtig sind ihm auch innovative Ideen zur Stärkung des Einzelhandels, etwa die Unterstützung neuer Konzepte durch einen Fond, und die Weiterentwicklung des Bereiches zwischen Pusteblume und Industriestraße – und zwar gemeinsam mit den dortigen Anwohnern. Überhaupt plädiert Matthias Thul dafür, das Ohr nah an der Bürgerschaft zu haben. „Politik darf nicht in einer Blase diskutieren, sondern muss wissen, was die Menschen wirklich beschäftigt.“

Christian Hannes (SPD, 33) arbeitet als Management-Berater und ist seit Jahresbeginn Sozialdemokrat. Die Werte der Partei, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, habe er von klein auf wertschätzen gelernt und auch persönlich davon profitiert – etwa durch die Möglichkeit, als Kind aus nicht-akademischem Haus studieren zu können, sagt Hannes. Durch seinen Beruf in der Wirtschaft sieht er sich gerade bei den Stadtfinanzen und für den Umgang mit den Unternehmen gut gerüstet.

Als Bürgermeister möchte er das Neustädter Wirtschaftsforum gründen. Er ist für die Differenzierung bei der Grundsteuer, die Wohnen begünstigt, und fordert „eine Stadtentwicklung mit Augenmaß“, die Bergneustadt zur modernen und nachhaltigen Industriestadt machen soll. Durch eigene Stadtwerke soll sich die Energiewende direkt für die Bürgerschaft auszahlen. Grundsätzlich fordert Christian Hannes deutlich mehr Tempo von der Politik: „Die Haushaltssicherung führt uns doch vor Augen, dass wir es uns schlicht nicht leisten können, wichtige Weichen immer wieder auf die lange Bank zu schieben.“

Jens-Holger Pütz (UWG, 61) ist selbstständiger Kaufmann, seit 29 Jahren Mitglied im Bergneustädter Stadtrat und dort Vorsitzender der UWG-Fraktion. Ein entscheidendes Pfund seiner Fraktion sieht Pütz in der Unabhängigkeit von „übergeordneten Parteistrukturen, und zwar gleich welcher Farbe“. Bei der Wahl spekuliert er auch auf Stimmen konservativer CDU- und FDP-Wähler, unzufriedener SPDler und Nichtwähler, die eine Alternative suchen. Zwar sieht Pütz Bürgermeister Thul durch dessen Amtsbonus im Vorteil, aber: „Wird eine Stichwahl nötig, ist alles möglich.“

Ganz oben auf seiner Liste als Bürgermeister stehen die Senkung der Grundsteuer B, der entschiedene Kampf gegen Windräder, sofern die Stadt dabei Einfluss nehmen kann, sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Den Umbau der Altstadt lehnt er weitgehend ab und betont: „Ich bin nicht grundsätzlich gegen Förderprojekte, aber wir müssen erst unseren Haushalt in Ordnung bringen, weil immer auch Eigenanteile zu zahlen sind.“ Heimatverbundenheit sei für ihn nicht bloß ein Wort, sondern Leitlinie seiner Politik.