Ehrenamt in WaldbrölWenn aus Besuchern Freunde werden

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Zu Besuch bei einer Seniorin sind (v.l.) Ulrike Hoffmann und Monika Pardeyke.

Zu Besuch bei einer Seniorin sind (v.l.) Ulrike Hoffmann und Monika Pardeyke.

Waldbröl – „Die Einsamkeit von alten Menschen hat sich durch die Corona-Pandemie noch verschärft“, sagt Anette Weber, Seniorenreferentin der Evangelischen Kirchengemeinde in Waldbröl. Besonders hat Weber die Situation von Senioren in den Dörfern im Blick. „In den Einrichtungen gibt es immerhin regelmäßigen Kontakt zum Pflegepersonal und allerhand Angebote“, sagt sie. „Aber ich weiß von Menschen, die ganz allein in ihrer Wohnung sitzen, höchstens noch ihren Arzt hin und wieder sehen und ansonsten praktisch vergessen sind.“

Deshalb hat sich im vergangenen Jahr unter dem Dach des ökumenischen Forums Altenheimseelsorge ein Seniorenbesuchsdienst gegründet. Vom ersten Tag an dabei ist Christine Beißel aus Hermesdorf. „Gleich nach dem Lockdown habe ich mich gemeldet“, erzählt sie. Seitdem besucht die 72-Jährige alle zwei Wochen eine Über-90-Jährige, hört ihr zu, wenn sie aus der Vergangenheit erzählt, hilft ihr bei schönem Wetter beim Spaziergang mit dem Rollator. „Sie freut sich jedes Mal, wenn ich komme.“

Vorlesen, Plätzchen backen, Hund streicheln

Freude in den Alltag der Seniorin zu bringen, das macht auch Christine Beißel selbst Freude: „Ich lebe auch allein. Für mich ist es eine schöne Aufgabe, die mich erfüllt. Ich darf bei den Besuchen sogar meinem kleinen Hund mitnehmen, und der wird dann ausgiebig gestreichelt und verwöhnt. Manchmal zu sehr“, erzählt sie und schmunzelt.

Zurzeit besuchen sechs Ehrenamtliche regelmäßig ihre jeweiligen „Schützlinge“, lesen aus der Zeitung oder dem Gemeindebrief vor, entdecken gemeinsame Erinnerungen, backen Plätzchen, hören sich auch mal Sorgen an.

„Der Bedarf ist größer. Aber Corona ist dabei ein großes Hindernis“, sagt die Waldbröler Seniorenreferentin Weber. Im Sommer sei das leichter gewesen, weil man sich im Freien treffen konnte. Mindestens 2G werde vorausgesetzt, informiert Weber, bei Besuchen in Seniorenheimen gilt sogar 2G-Plus. „Wir sind beide dreifach geimpft, und machen vor dem Besuch noch schnell einen Test“, erzählt Beißel. „Dann sind wir beide auf der sicheren Seite und es darf auch mal eine Umarmung sein.“

Besucher und Besuchte müssen zusammenpassen

Manchmal melden sich die Senioren und Seniorinnen, die gern Besuch hätten, von selbst, oder Weber spricht sie bei Geburtstagsbesuchen der Gemeindeglieder an, die älter als 80 sind. Manchmal melden sich auch Angehörige. „Für sie ist es manchmal eine Erleichterung, wenn jemand für ein paar Stunden von außen kommt und neue Eindrücke und Gesprächsthemen mitbringt.“

Weber achtet darauf, dass es passt zwischen Besuchten und Besuchern. Denn ganz wichtig ist eine Vertrauensbasis, ähnlich einer Patenschaft. „Gern hätten wir auch mehr Männer, die für ein paar Stunden im Monat einen Senior besuchen“, führt Anette Weber aus. „Da sind die Themen doch oft andere, es geht ums Handwerk, um Trecker oder um Autos.“

Auch Unterstützung für technische Aktivitäten gesucht

Ab Januar werden auch Helferinnen und Helfer gesucht, die Senioren diskret dabei unterstützen, per Tablet im Videochat mit Angehörigen oder alten Freunden Kontakt zu halten, „die Enkelkinder aufwachsen zu sehen, sich mit dem Sohn in den USA zu unterhalten“, schildert Weber. Fünf Tablets, gespendet von der Rundschau-Altenhilfe, stehen dafür zur Verfügung.

Und wenn es mal schwierig wird bei den Besuchen? Wenn es im vertraulichen Gespräch etwa um Probleme in der Familie geht, um Streit mit Angehörigen? Wenn der Eindruck entsteht, der oder die Besuchte kommt nicht mehr allein zurecht? „Natürlich gibt es eine Schweigepflicht“, versichert Weber. „Wir achten aber auch auf regelmäßigen Austausch mit den Ehrenamtlern, es gibt Vorträge, Informationen und Beratung. Wie nehme ich mich selbst zurück? Wo setze ich Grenzen?“.

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Christine Beißel bemerkt eine zunehmende Demenz bei „ihrer“ Seniorin. „Damit kann ich umgehen“, sagt Beißel. „Ich habe fünf Jahre lang ein Familienmitglied mit Alzheimer gepflegt und weiß, was ihr gut tut.“ Sie freue sich schon auf den nächsten Besuch. „Inzwischen ist zwischen uns beiden eine richtige Freundschaft entstanden.“

Wer im Raum Waldbröl besucht werden möchte oder ehrenamtlich regelmäßig einen Senior oder eine Seniorin besuchen möchte, kann sich melden bei Anette Weber unter (02291) 92 14 92 oder per E-Mail: anette.weber.1@ekir.de.

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