Ein Produkt, zwei PreiseNeues Verpackungsgesetz sorgt für Verwirrung im Supermarkt

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Zwei Saftflaschen, einmal mit Pfand, einmal ohne, zeigt Jochen Offermann.

Zwei Saftflaschen, einmal mit Pfand, einmal ohne, zeigt Jochen Offermann.

Wipperfürth/Lindlar – Wer in diesen Tagen durch das Saftregal stöbert, kann mit einem genauen Blick mindestens 25 Cent sparen. Hier gibt es den Nektar noch in der pfandfreien Kunststoffflasche und gleich daneben steht die gleiche Sorte vom gleichen Hersteller – nur eben mit aufgedrucktem Rücknahmelogo.

Pfandpflicht wird auf Säfte und Energydrinks ausgeweitet

Hintergrund ist das Verpackungsgesetz, das zum 1. Januar 2022 die Pfandpflicht zum Beispiel auch auf Säfte ausweitet. Damit nach dem Stichtag kein Getränk vernichtet werden muss, füllt etwa der Marktführer Eckes-Granini bereits seit August ausschließlich in die Pfandflasche ab. „Momentan mischen sich bei uns die Bestände der aktuellen Lieferung mit denen der vorherigen“, erklärt Jochen Offermann, Inhaber der Edeka-Märkte und nennt weitere Situationen im Regal, die auf den ersten Blick verwundern.

Der Orangensaft geht nur noch mit Aufschlag durch die Kasse, der Multivitamin ist dagegen noch pfandfrei. Für den Frischgepressten hat Offermann bereits neue Flaschen geordert, die spätestens ab Dezember gegen Exemplare mit Pfand getauscht werden.

Genau genommen hebt das Gesetz ab kommendem Jahr die Befreiung von Säften, aber auch Energydrinks, von der Pfandpflicht auf. Eine Ausnahme, die selbst Saftliebhaber nie verstanden haben. Denn die Plastikflasche, die über die Sülz in den Atlantik treiben könnte, richtet ökologischen Schaden an – ob sie nun einst mit pfandpflichtiger Apfelschorle oder pfandfreiem purem Apfelsaft befüllt war. Ziel der Novelle sei es, so hat es die gerade abgetretene Bundesregierung aufgeschrieben, durch den Aufschlag die Zahl der Einwegflaschen insgesamt zu reduzieren und mehr Anhänger für die Mehrwegalternative zu gewinnen.

Weitere Neuerungen durch neues Verpackungsgesetz

Das neue Verpackungsgesetz hält in den kommenden Monaten allerdings noch mehr Neuerungen bereit. „Der Endkunde wird davon wenig mitbekommen, aber für den Handel ist das ein großes Thema mit aktuell viel Beratungsbedarf“, erklärt Stella Weber, Referentin für Umwelt und Energie bei der Industrie- und Handelskammer zu Köln. Dabei geht es um die Frage, wer in einer Lieferkette die Entsorgung von Verpackung und Paletten übernimmt.

Außerdem müssen die Organisatoren digitaler Marktplätze ab dem 1. Juli 2022 genau prüfen, ob sich ihre Shopbetreiber finanziell am Entsorgungssystem der Bundesrepublik beteiligen – eine Regelung, die vor allem auf ausländische Onlinehändler zielt, die nach Deutschland verschicken.

Auch Brötchentüte und Pizzakarton betroffen

Den 1. Juli 2022 haben sich jedenfalls auch die Bäcker im Kalender angestrichen. Bis zu diesem Tag müssen sich auch solche Betriebe im zentralen Verpackungsregister registrieren, die sogenannte Serviceverpackungen mit Ware befüllen, wie es im Gesetz heißt – also zum Beispiel die Brötchentüte oder den Kaffeebecher. Diskutiert wird in den bergischen Backstuben derzeit auch eine Alternative zu den Plastiktüten, in denen geschnittenes Brot steckt. „Spätestens im neuen Jahr müssen wir dieses Thema angehen“, betont Bäckermeister Thomas Lenort aus Hartegasse für viele Kollegen.

2023 ist die Gastronomie gefragt, die dann bei Außer-Haus-Essen Mehrweg-Behältnisse anbieten muss, die nicht teurer als die Einwegverpackung sein dürfen. Ab 2024 soll es auch Milch nicht mehr pfandfrei geben. Ob alle diese Maßnahmen die Weltmeere tatsächlich sauberer machen, ist allerdings fraglich.

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Offermann findet den Ansatz mit der erweiterten Pfandpflicht grundsätzlich gut, obwohl er als Unternehmer mit der Sortierung und Abfahrt der Einwegrückläufer kein Geld verdiene, wie er betont. Er erinnert allerdings auch an das einst von Jürgen Trittin eingeführte Pfand, das die Bierdose vom Markt verschwinden ließ.

Inzwischen feiert die wieder ein Comeback und das Pfand interessiere inzwischen so gut wie niemanden mehr, berichtet Offermann aus dem Marktalltag. „Nicht selten landen die Dosen direkt vor unserer Eingangstür im Müll. So gesehen ist das Pfand offenbar noch nicht hoch genug.“

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