Correctiv-RechercheZwei Oberbergerinnen bei Geheimtreffen zur Vertreibung von Migranten

Lesezeit 4 Minuten
Blick auf ein Gästehaus in Potsdam.

Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen. Daran sollen auch zwei Oberbergerinnen teilgenommen haben.

In Bezug auf das Geheimtreffen im November werden die Namen von Simone Baum aus Engelskirchen und Michaela Schneider aus Morsbach genannt.

Zwei Oberbergerinnen sollen laut dem Recherche-Netzwerk Correctiv zu dem Teilnehmerkreis des Geheimtreffens Ende November in Potsdam gehört haben, bei dem Rechtsextremisten von einer geplanten Vertreibung bzw. „Remigration“ auch deutscher Staatsbürger berichtet haben. Die Namen von Simone Baum aus Engelskirchen und Michaela Schneider aus Morsbach werden genannt. Baum ist Landesvorsitzende der CDU-nahen „Werteunion“ Nordrhein-Westfalen und gehört dem Bundesvorstand als stellvertretende Vorsitzende an. Die Morsbacherin Schneider ist eine der Vize-Vorsitzenden der Werteunion NRW und gehört auch der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU an.

Simone Baum im Porträt.

Simone Baum will keinen Kommentar abgeben.

Auf Nachfrage unserer Zeitung wollte Simone Baum am Donnerstag weder bestätigen noch abstreiten, an dem Treffen teilgenommen zu haben und verweigerte jeglichen Kommentar zur Sache. Wörtlich sagte sie aber: „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich eine Demokratin bin. Ich kenne meine Grenzen. Mehr sage ich nicht.“

Die Morsbacherin Michaela Schneider sagte am Donnerstag dieser Zeitung wörtlich: „Dazu gibt es von mir keinen Kommentar“. Auf abermalige Nachfrage, ob sie denn nun zur besagten Zeit in Potsdam gewesen sei oder nicht, wiederholte sie freundlich ihren zuvor bereits gesagten Satz.

Michaela Schneider im Porträt.

Schweigt zu der Sache: Michaela Schneider.

Die Engelskirchenerin Baum saß für eine Legislaturperiode, von 2014 bis 2020, für die CDU-Fraktion im Rat der Gemeinde Engelskirchen. Im Jahr 2019 kandidierte sie erfolglos für den Posten der stellvertretenden Vorsitzenden im Gemeindeverband. Als Baum 2020 erneut für ein Ratsmandat kandidieren wollte, gab es eine Kampfabstimmung, bei der sie unterlag.

Lukas Miebach, Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbands Engelskirchen, erklärt auf Nachfrage: „Der Vorstand hatte damals entschieden, eine andere Kandidatin zu favorisieren und zur Abstimmung zu empfehlen.“ Seitdem sei Baum bei keiner Parteiveranstaltung der CDU Engelskirchen mehr gesehen worden, sagt Miebach. Trotzdem ist sie nach wie vor Mitglied der Christdemokraten. Dass seine Parteikollegin an dem Geheimtreffen mit Rechtsextremisten teilgenommen haben soll, nennt Lukas Miebach „schockierend“: „Wir distanzieren uns davon aufs Schärfste.“

CDU-Landtagsabgeordneter Bodo Löttgen äußert sich zu Geheimtreffen

Die Berichterstattung über das Geheimtreffen in Potsdam kennt auch der oberbergische CDU-Landtagsabgeordnete Bodo Löttgen. So etwas sei „höchst bedenklich“. Zugleich betont er, dass jetzt niemand überrascht tun solle, dass so etwas möglich sei. Solche Leute hätten nicht verstanden, wes Geistes Kind die AfD sei. Sie werde von den Verfassungsschutzbehörden gut beobachtet, doch es scheine so, dass an dieser Stelle noch mehr getan werden müsse.

„Und das betrifft alle Demokraten, um dem so früh wie möglich Einhalt zu gebieten. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Politik, das muss ein Gemeinschaftswerk der gesamten Gesellschaft sein“, sagt Bodo Löttgen, der in diesem Kontext von einem „braunen Morast“ spricht und deutlich sagt, dass die CDU damit rein gar nichts zu tun haben wolle.

Er betont, dass die Werteunion rein gar nichts mit der CDU zu tun habe, außer dem Umstand, dass dort CDU-Mitglieder vertreten seien. Umso bedauerlicher sei es, wenn man sehe, wer da noch Mitglied sei. Löttgen, der lange Jahre Generalsekretär und Fraktionschef der NRW-CDU im Düsseldorfer Landtag war, sagt, dass es in der CDU schon länger Überlegungen gebe, zu prüfen, ob eine Mitgliedschaft in der CDU mit der in der Werteunion vereinbar sei.

Doch als Ex-Generalsekretär wisse er auch, wie schwer es sei, rechtswirksam einen entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluss herbei zu führen. Wenn der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen die konservative Werteunion zu einer eigenen Partei ausbaue, ergebe sich indes ein entsprechender Ausschlussgrund im Falle einer Doppelmitgliedschaft.

Dr. Carsten Brodesser (CDU) distanziert sich von „völkischen Ideologien“

Der CDU-Kreisvorsitzende Dr. Carsten Brodesser distanziert sich am Donnerstag von „völkischen Ideologien, ewig Gestrigen und Faschisten“. Brodesser bezeichnet derartige verfassungsfeindliche und völkische Ideologien, die in Potsdam offenbar propagiert worden seien, als schlicht „ekelhaft“.

Wenn die beiden Frauen an dem Treffen teilgenommen haben sollen, und daran habe er überhaupt keinen Zweifel, sei das erst einmal deren Privatsache, so Brodesser. Das könne man niemandem verbieten. Allerdings sei die Teilnahme keineswegs in Kenntnis der CDU Oberberg erfolgt. Und es gebe auch keinen Zusammenhang zwischen dem Geheimtreffen und der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU.

Diese gehöre, im Gegensatz zur Werteunion, zur Gliederung der CDU. „Bei der Werteunion gab es in der Vergangenheit immer das Begehren, ein Teil der CDU zu werden“, berichtet Brodesser. Dem sei man aus gutem Grund und Gottlob nicht nachgekommen.


Mehr zum Geheimtreffen in Potsdam

Die Vertreibung von Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund, auch deutschen Staatsbürgern, aus Deutschland soll laut dem Recherchehaus Correctiv im Zentrum des Treffens gestanden haben, an dem neben den Oberbergerinnen Simone Baum und Michaela Schneider sowie AfD-Politiker und der Rechtsextremist Martin Sellner teilgenommen haben sollen. In einem Einladungsbrief zu dem Treffen Ende November in einem Hotel bei Potsdam heißt es laut Correctiv, dass ein „Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans“ vorgestellt werde, die „Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen“, seien „so groß wie nie zuvor“. Für die Teilnahme solle eine Mindestspende von 5000 Euro erhoben werden.


Was ist die Werteunion?

Der Verein „Werteunion“ sieht sich nach eigener Darstellung als konservative Basisbewegung innerhalb der CDU/CSU. „Massenmigration, Demokratieabbau und Eurokrise“ nennt sie als Themenfelder. Das 2017 gegründete Netzwerk hat laut Homepage zirka 4000 Mitglieder, von denen 85 Prozent der CDU/CSU und ihren Vereinigungen angehören sollen.

KStA abonnieren