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GraffitiDie Entfernung von Schmierereien kostet die Stadt Gummersbach tausende Euro

5 min
Die Wand am Gummersbacher Bahnhof ist voll mit Graffiti.

Verschandelte Stadt: An vielen Flächen in der Innenstadt oder auch am Bahnhof Dieringhausen prangen Schmierereien.

Farbschmierereien verursachen Schäden in den Kassen und an Fassaden in Gummersbach. Dutzende Anzeigen gehen bei der Polizei ein.

Wer durch die Innenstadt geht, kommt an „Kerzer“ nicht vorbei: Der Graffitikünstler hat seinen Namen   an Dutzende Hauswände gesprüht. Solche Signaturen werden in der Graffitiszene als Tags bezeichnet. Und diese tauchen aktuell an vielen Fassaden in den oberbergischen Städten und Gemeinden auf. Einige Graffitikünstler wollen mit ihren Werken gesellschaftliche Statements setzen, viele sind jedoch nicht mehr als flüchtig gespritzte Schmierereien. Ihre Entfernung verursacht erhebliche Kosten und Substanzschäden.

„Wir unterscheiden zwischen verschiedenen Formen von Schäden, die an der Bausubstanz und den finanziellen Schaden für die Stadtkasse“, erklärt Siegfried Frank, Pressesprecher der Stadt Gummersbach. „Fassaden, die wiederholt mit Hochdruck und Chemikalien gereinigt werden, leiden und müssen dadurch früher erneuert werden.“

Eine Wand mit wenigen Graffiti.

Ob man Graffiti als Kunst oder Vandalismus sieht, sind sich viele Betroffene nicht einig.

Ein besonders betroffenes Beispiel sei der Gummersbacher Busbahnhof: „Die Rampe in Richtung Bahnhof wurde bereits stark in Mitleidenschaft gezogen.“ Diese Art von Schäden lasse sich laut Frank nicht genau beziffern. Konkreter sind die Kosten, die durch die Beauftragung von Fachfirmen entstehen. Frank schätzt die jährlichen Ausgaben der Stadt für die Entfernung der Graffiti auf öffentlichen Flächen auf etwa 5000 bis 15.000 Euro.

Frisch gestrichen, schon bespraytTeuer zu stehen kommen Graffiti auch Privatleuten und Vereinen. Am Bürgerhaus in Niederseßmar etwa wurde die frisch renovierte Fassade nur wenige Tage nach Abschluss der Malerarbeiten erneut mit Graffiti besprüht – bereits zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit. Besonders ärgerlich: Die Sanierung des Gebäudes erfolgte durch Spenden und Eigenleistung der Dorfgemeinschaft.

Eine beschmierte Wand und Tür mit verschiedenen Graffiti.

Im Bahnhof Dieringhausen gibt es kaum noch freie Stellen ohne Graffiti.

Stadtverordneter Karl-Heinz Richter zeigt sich   enttäuscht: „Das Bürgerhaus ist ein Ort für alle Generationen, ein Treffpunkt für den Stadtteil – und jetzt ist die neue Fassade schon wieder beschädigt.“ Verwendet wurde offenbar ein besonders hartnäckiges Spray, das nur schwer zu entfernen ist. Mittlerweile überlegt der Stadtverordnete, eine Kameraüberwachung installieren zu lassen.

Sven Schliwa, Inhaber der Hubertus-Apotheke in der Innenstadt, ärgert sich ebenfalls über die wiederkehrenden Graffiti an der Hauswand. „Wenn man kleinere Schmierereien überstreicht, sind die am nächsten Tag direkt wieder da.“ Auch sein Vater Rolf Schliwa ist von dem Vandalismus betroffen. Eine Anzeige bei der Polizei vor rund zehn Jahren sei ohne Erfolg geblieben. „Die Polizei meinte damals, das sei eigentlich immer aussichtslos“, sagt Rolf Schliwa. Eine Versicherung gegen solche Schäden gebe es nicht, sagt Schliwa, und die Reinigungskosten müsse er selbst tragen. Besonders störend sei vor allem der optische Eindruck.

Wenn man kleinere Schmierereien überstreicht, sind die am nächsten Tag direkt wieder da.
Sven Schliwa, Inhaber Hubertus-Apotheke.

Die Firma Stewe gehört zu den oberbergischen Unternehmen, die regelmäßig Graffiti entfernt – insbesondere an Toilettenanlagen oder Gebäuden. Alexander Schimpf von Stewe berichtet: „Wie aufwendig die Entfernung ist, hängt vom Untergrund ab. Glatte oder versiegelte Flächen lassen sich meist leicht reinigen. Bei Beton oder Fugen wird es deutlich schwieriger.“ Dabei gehe man möglichst schonend vor, um die Bausubstanz zu erhalten.

„Wir fangen mit milden Reinigern an und steigern uns nur bei Bedarf zu stärkeren Mitteln – das ist kein Kostenfaktor, sondern dient dem Materialschutz.“ In vielen Fällen liegen die Kosten für die Reinigung, die das Unternehmen vornimmt, im kleinen Rahmen – und werden meist direkt von den betroffenen Firmen selbst getragen.

Eine beschmierte Laterne mit der Aufschrift "Kerzer".

Den Tag "Kerzer" sieht man in Gummersbach an vielen Wänden und Fassaden.

Neben der Entfernung setzt die Stadt Gummersbach verstärkt auf Präventionsmaßnahmen. So sei die Kameraüberwachung am Busbahnhof ein Erfolg, sagt Frank: „Früher lagen die Kosten für die Graffiti-Entfernung dort allein bei rund 12.000 Euro jährlich – heute sind sie nahezu bei null.“ Auch bauliche Maßnahmen sollen helfen. Neue Flächen wie der Bismarckplatz werden teilweise direkt mit Schutzschichten versehen, die eine spätere Reinigung erleichtern und das Material schützen. Wiederholt betroffene Stellen erhalten diesen Schutz nachträglich.

Auch andere Methoden, wie Fassadenbegrünung oder Bewegungsmelder sind laut Polizei wirksam, um Sprayer abzuschrecken. Polizeisprecher Marc Leporin macht deutlich: „Bei Graffiti handelt es sich rechtlich gesehen um Sachbeschädigung.“ Je nach Fall drohen Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren – bei verfassungsfeindlichen Symbolen sogar bis zu drei Jahren.

Im vergangenen Jahr registrierte die oberbergische Polizei 47 Anzeigen, bis zum August dieses Jahres waren es bereits 36. In den Jahren 2024 und 2025 konnten jeweils drei Tatverdächtige ermittelt werden.


Vandalismus oder Kunst?

Ein erfahrener Graffiti-Künstler aus NRW, der nicht mit Namen in der Zeitung stehen will, sieht Graffiti differenziert. Er verstehe die Sorgen der Stadt, verweist aber auch auf den Unterschied zwischen illegalen Schmierereien und urbaner Kunst. „Viele Menschen können kaum unterscheiden, was Kunst ist und was nur Schmiererei.“ Dass der Schriftzug „Kerzer“ vielen im Oberbergischen bekannt ist, sieht er sogar als Beleg für künstlerischen Ausdruck: „Das ist Kunst. Jeder kennt den Schriftzug, aber niemand weiß, wer dahintersteckt. So machen sich Künstler einen Namen.“

Klare Grenzen sieht er trotzdem: „Privathäuser und sensible Flächen sollten in Ruhe gelassen werden. Aber wenn graue Wände oder Autobahnbrücken durch Graffiti verschönert werden, dann kann das das Stadtbild positiv verändern.“ Ein wichtiges Element zur Eindämmung illegaler Graffiti sei aus seiner Sicht die Anerkennung und Förderung von legalen Flächen: „Es gibt viel zu wenige Orte, an denen man legal sprühen darf.“

In seinen Workshops spannt er daher Spanntücher zwischen Bäume, weil ihm keine festen Wände zur Verfügung stehen. Ein wirksamer Schutz gegen Vandalismus sei laut ihm auch die Kunst selbst. „Es gibt einen Kodex unter Sprayern: Wenn ein anderer Künstler eine Fläche gestaltet hat, wird diese nicht übermalt.“