Konflikte nach PandemieHermesdorfer Raps-Werkstätte kämpft um den Alltag

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In den Wochen der Lockdowns musste auch das Team der hauptamtlichen Raps-Kräfte Auftragsarbeiten ausführen und zum Beispiel Wasserstandsmelder zusammenstecken. Geschäftsführerin Simone Ufer (2.v.r.) und Werkstattleiterin Kerstin Mertes (r.) machen es vor.

In den Wochen der Lockdowns musste auch das Team der hauptamtlichen Raps-Kräfte Auftragsarbeiten ausführen und zum Beispiel Wasserstandsmelder zusammenstecken. Geschäftsführerin Simone Ufer (2.v.r.) und Werkstattleiterin Kerstin Mertes (r.) machen es vor.

Hermesdorf – Noch müssen die Masken getragen werden und beim Abstand darf es weiterhin etwas mehr sein. Doch ist ein Alltag zurückgekehrt in die Raps-Werkstätten, und fast könnte Leiterin Kerstin Mertes von einer Normalität sprechen, wie sie in der Zeit vor der Corona-Pandemie und vor den Schließungen der Betriebe in den Räumen an der Hermesdorfer Marie-Curie-Straße herrschte.

So ist es aber nicht. „Das Konfliktpotenzial ist viel größer als früher, das muss sich noch regulieren“, sagt Mertes. Insgesamt 320 Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung bieten die im Jahr 1988 gegründeten Raps-Werkstätten an ihren beiden Standorten in Marienheide und Waldbröl – dort sind 65 beschäftigt – einen Arbeitsplatz.

Montage, Landwirtschaftsbau, Hauswirtschaft

Sie führen Montage-Aufträge etlicher Unternehmen aus, sie arbeiten im Garten- und Landschaftsbau, in der Küche und der Kantine „Rapsiano“ oder in der Hauswirtschaft. „Doch das sind nahezu 50 Beschäftigte weniger als vor der Pandemie“, berichtet Raps-Geschäftsführerin Simone Ufer. Denn freie Stellen konnten während der Zwangspausen nicht neubesetzt werden, waren etwa Beschäftigte in den Ruhestand gegangen. Zudem hätten es einige Mitarbeitende dann nicht geschafft, in einen geregelten, klar strukturierten Arbeitsalltag und damit in ein Miteinander zurückzufinden.

„Die enge Begleitung im täglichen Arbeitsleben, der feste Rhythmus, eben stabile Strukturen und nicht zuletzt die sozialen Kontakte sind für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung so wichtig“, betont Werkstattleiterin Mertes. Sie blickt auf harte Monate zurück, als sie und ihre neun Kolleginnen und Kolleginnen den in Waldbröl Beschäftigten die Arbeit an die Haustür brachten, ihnen Aufträge für die Heimarbeit erteilten oder ihnen Lesestoff für die Fortbildung zustellten.

Lange Zeit daheim während Pandemie schürt Konflikte

Und das immer zu festen, zuvor verabredeten Zeiten, stets in Abstimmung mit den Auftraggebern. „Für manchen unserer Beschäftigten bedeutete die lange Zeit zu Hause aber einen riesigen Rückschritt“, bedauert Kerstin Mertes. „Und das führt heute eben zu jenen Konflikten.“ Ein Wiedereinstiegskonzept brachte die Mannschaft schrittweise und zunächst in begrenzter Zahl zurück in die Werkstätten, doch groß sei die Angst gewesen, sich dort mit dem Coronavirus zu infizieren. „Und dann war da ja auch noch – und das bei uns allen – die große Angst um den eigentlich sicheren Arbeitsplatz.“

Kommuniziert wurde während der Schließungen online und über Internetplattformen. „In dieser Zeit haben wir alle wahnsinnig viel gelernt“, führt Mertes aus. „Und damit sind wir für die Zukunft gewappnet, wir werden davon profitieren.“ Weitere Computerkurse sollen dieses Wissen sichern.

Umsatz von rund 250 000 Euro fehlt

Natürlich haben die Raps-Werkstätten finanziellen Schaden erlitten, weil Aufträge zurückgefahren oder gar storniert wurden. Arbeiten, die nicht von den Beschäftigten zu Hause erledigt werden konnten, führte dann eben das Betreuerteam aus. „In den Jahren 2020 und 2021 fehlt uns ein Umsatz von jeweils rund 250 000 Euro“, schildert Geschäftsführerin Ufer. „Inzwischen bessert sich die Lage deutlich und es kommen immer mehr neue Aufträge rein.“

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Wenn die Raps-Werkstätten also am heutige Freitag, 24. Juni, in Hermesdorf mit geladenen Gästen das zehnjährige Bestehen des Standortes im Gewerbepark „Im Langenbacher Siefen“ feiern, dann tun sie dies mit großer Erleichterung. Auch, weil die großen Kostenträger der gemeinnützigen Werkstätten – zum Beispiel die Deutsche Rentenversicherung und der Landschaftsverband Rheinland – ihre Zahlungen fortgesetzt und nicht eingestellt hätten, berichtet Simone Ufer. „Und am Ende gibt es noch mehr Gutes: Wir alle arbeiten und kooperieren heute besser als jemals zuvor.“

Das Betriebsrestaurant „Rapsiano“ der Raps-Werkstätten, Marie-Curie-Straße 1 in Waldbröl-Hermesdorf, steht jedem offen, der ein Mittagsmahl haben möchte. Serviert wird dieses von Montag bis Freitag zwischen 11.30 und 13 Uhr.

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