An der Landesgrenze150 Anwohner demonstrieren gegen Windräder an der Grenze zu Morsbach

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Die Protestkundgebung im Bürgerhaus Steeg

Zur Protestkundgebung im Bürgerhaus Steeg gegen die Windkraftanlagen im Wildenburger Land waren auch Bürgerinnen und Bürger aus dem Oberbergischen gekommen.

Nachdem im Wildenburger Land sieben Windkraftanlagen genehmigt worden sind, sorgen sich Anwohner um den Fortbestand der seltenen Tierarten.

Rund 150 Demonstranten, darunter auch viele Bürger aus dem Oberbergischen, trafen sich in Morsbachs rheinland-pfälzischem Nachbarort Steeg, um ihren Unmut gegen die genehmigten sieben Windkraftanlagen an der Grenze zu Morsbach kundzutun. „Landschaftsschutz ernst nehmen!“ und „Energiepolitik pfeift auf Naturschutz und Bürgerbeteiligung!“: Mit diesen Aufrufen hatte die Bürgerinitiative Wildenburger Land (BI) zu dem Protest aufgerufen.

Im Bürgerhaus Steeg begrüßte Udo Otterbach, Sprecher der BI, die Teilnehmer und betonte, dass dieser Protest zwar keinen Einfluss mehr auf die genehmigten Windräder haben werde, er sei aber dennoch als politische Signalwirkung für künftig geplante Industrieprojekte im Wildenburger Land zu werten.

Die Biodiversität darf nicht auf dem Altar des Klimaschutzes geopfert werden. Das Wildenburger Land ist ein Wildtierland und kein Windindustrieland.
Harry Neumann

Bruno Schuh, Vorsitzender des Bürgervereins Steeg, erläuterte, dass sich die Gesetze in den vergangenen zwei Jahren pro Windkraft entwickelt hätten und der Artenschutz so gut wie keine Rolle mehr spiele. Er unterstrich, dass es der ausdrückliche Wunsch des alleinigen Grundstückeigentümers war, auf dessen Waldflächen jetzt die sieben Windräder gebaut werden.

Welche Tierarten durch die neuen Anlagen gefährdet werden, erläuterte der Ornithologe Horst Braun. Das Wildenburger Land sei ein Schwerpunktvorkommen zum Beispiel für Schwarzstorch und Rotmilan. Die Rotorblätter der Windräder hätten einen Radius von 149 Metern, was eine große Gefahr für Zugvögel und Fledermäuse sei.

Das Bündnis „Unser Wasser“ wurde von Stefan Sommerfeld vertreten. Er befürchtete, dass die neuen Windkraftanlagen mit ihren Schmierstoffen und Betonfundamenten das Grundwasser und die vielen Trinkwasserbrunnen im Wildenburger Land negativ beeinflussen werden. Wolfgang Stock vom BUND hob die große Bedeutung des Landschaftsschutzgebietes rund um Steeg für die dort wohnenden Menschen und die heimische Tierwelt hervor.

Hauptredner Harry Neumann, Bundesvorsitzender der Naturschutzinitiative, bezeichnete das Wildenburger Land als einen bundesweit beachteten Hotspot für Biodiversität, Artenvielfalt, naturnahe Wälder und unzerstörte Lebensräume.

"Unverantwortliche Industrialisierung"

Das Gebiet habe einen sehr hohen ökologischen Wert, betonte er. Neumann weiter: „Die Errichtung von Windenergieanlagen käme einer unverantwortlichen Industrialisierung dieser Landschaft gleich und würde ihren ästhetischen Reiz massiv beeinträchtigen und unwiederbringlich zerstören.“ Die Genehmigung dieser Anlagen verfehle die Absicht, den Zielkonflikt zwischen Energiewende und Artenschutz zu lösen und dabei die hohen Standards für den Artenschutz zu bewahren, so Harry Neumann.

Er forderte abschließend unter dem Beifall der Zuhörer: „Die Biodiversität darf nicht auf dem Altar des Klimaschutzes geopfert werden. Das Wildenburger Land ist ein Wildtierland und kein Windindustrieland!“ Trotz des Regens wanderte ein Großteil der Teilnehmer mit Protestbannern noch hinauf auf die „Steeger Höhe“, wo Horst Braun ihnen die künftigen Standorte der sieben Windräder zeigte.


Chronologie des Widerstands seit 2015

Im Frühjahr 2015 wurde bekannt, dass ein Investor 18 Windkraftanlagen im Wildenburger Land in den Wäldern des Grafen von Hatzfeldt errichten wollte. Die Anlagen sollten überwiegend an den Landes- und Gemeindegrenzen der rheinland-pfälzischen Ortsgemeinde Friesenhagen zu den nordrhein-westfälischen Nachbargemeinden Reichshof und Morsbach gebaut werden. Auch in Natur- und Landschaftsschutzflächen sollte dabei eingegriffen werden.

Daher gründete die „Bürgerinitiative Wildenburger Land“ (BI), die schnell auf 450 Mitglieder anwuchs. Darunter waren auch viele Bürger aus den oberbergischen Gemeinden Morsbach und Reichshof. Die BI lud zu zahlreichen Info-Veranstaltungen mit Fachleuten aus ganz Deutschland ein. Darunter war auch der Mitgründer des BUND, Enoch zu Guttenberg (1946-2018).

Artenschutz beschnitten

Vor allem wollte die BI mit Sachargumenten gegen die Windräder vorgehen. Daher ließ sie in den Jahren 2017 bis 2023 von zwei Ornithologen insgesamt sieben Artenschutzgutachten über die dort vorkommenden, seltenen Tierarten erstellen. Der Bereich Morsbach, Reichshof und Friesenhagen gilt als Schwerpunktvorkommen und Dichtezentrum von Schwarzstorch, Rotmilan, Wespenbussard und anderen seltenen Tierarten.

Alleine schon die Artenschutzargumente führten dazu, dass der Investor einige Bauanträge zurücknahm und die Kreisverwaltung Altenkirchen als zuständige Baugenehmigungsbehörde die Bauanträge für die noch verbliebenen sieben Windräder 2020 ablehnte. Hiergegen klagte der Investor.

Anlagen mit einer Höhe von 240 Metern

Im Jahr 2022 wurde durch neue Gesetze der Artenschutz im Hinblick auf die Errichtung von Windkraftanlagen beschnitten. Dies griff schließlich im März 2023 das Oberverwaltungsgericht Koblenz auf und legte der Kreisverwaltung Altenkirchen nahe, die sieben Windräder an der Grenze zu Morsbach und Reichshof nun doch noch zu genehmigen, was dann auch am 29. August 2023 erfolgte. Nun werden zunächst sieben Anlagen und später noch drei weitere mit einer Höhe von rund 240 Metern gebaut. Hiergegen richtete sich vergangenen Sonntag die Protestkundgebung.

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