85. JahrestagMit Rabbiner Yechiel Brukner gedachten über 200 Oberberger der Opfer der Pogrome

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Einen Kranz legen Frank Bohlscheid (r.) und Ingo Themann nieder.

Einen Kranz legten Frank Bohlscheid (r.) und Ingo Themann nieder.

Die Veranstaltung fand am Mittwochabend am ehemaligen jüdischen Friedhof der Gemeinde Nümbrecht statt.

„Mich erschüttert, dass Menschen in Deutschland jubeln, wenn in Israel Menschen umgebracht werden“, sagte Bürgermeister Hilko Redenius am Mittwochabend auf der Gedenkstunde zum 85. Jahrestag der Novemberpogrome 1938. Die Veranstaltung am ehemaligen jüdischen Friedhof war von der Gemeinde, den Freundeskreisen Nümbrecht-Mateh Yehuda und Wiehl-Jokneam sowie der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ) organisiert worden. Redenius freute sich über mehr als 200 Teilnehmer.

„Ich empfinde es als Privileg, heute in Nümbrecht vor so vielen Leuten sprechen zu dürfen“, sagte Yechiel Brukner, Rabbiner der Synagogen-Gemeinde Köln: „Dass Sie gekommen sind, ist etwas Wunderbares. Sie vergessen nicht, Sie pflegen die Kultur der Erinnerung daran, was auf deutschem Boden geschehen ist.“ Sein Vater habe als einziger aus der Familie das KZ Buchenwald überlebt: „Ich bin in der Pflicht, von der Schoa zu erzählen.“

Am Vormittag noch in Israel gewesen

Brukner war am Vormittag noch in Israel gewesen und schilderte, dass die Gesichter der Menschen dort von einem tiefen Schock gezeichnet seien. Er erklärte, dass er immer ein absoluter Gegner davon gewesen sei, heutige Ereignisse mit der Schoa zu vergleichen. Aber das, was jetzt im Gaza-Streifen passiere, komme dem recht nahe.

Der Rabbiner erinnerte daran, dass mit der Gründung des Staates Israel etwas Wunderbares geschaffen wurde: „Unser Volk ist stark. Wir haben den Holocaust überstanden und wir werden auch das jetzt überstehen.“ Er verlieh seiner Hoffnung auf die Zeit danach Ausdruck: „Wir dürfen erwarten, dass wieder etwas Großes geschieht.“ Brukner bedauerte, dass er wegen eines Schweigemarsches in Köln der Veranstaltung nicht bis zum Ende beiwohnen könne.

Schüler des Homburgischen Gymnasiums riefen die Schrecken der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 mit Feuer, Zerstörung, Scherben und Gewalt wieder ins Gedächtnis: „Wir dürfen niemals zulassen, damit aufzuhören, sich daran zu erinnern.“ Im Anschluss erfolgte eine Kranzniederlegung bei den Gedenkstelen durch CJZ-Vorsitzenden Frank Bohlscheid und Ingo Themann, Vizevorsitzender des Freundeskreises Nümbrecht – Mateh Yehuda.

„85 Jahre liegt die Reichspogromnacht mittlerweile zurück – und selten war dieser Gedenktag so aktuell wie jetzt“, sagte Vizelandrat Prof. Dr. Friedrich Wilke. Diese Nacht sei das Signal zum größten Völkermord Europas gewesen. Vor einem Monat habe der durch die Hamas begonnene Krieg weltweit für eine Welle des Antisemitismus gesorgt. Auch in Deutschland ließen sich Menschen von Extremisten instrumentalisieren, um diesen Angriff zu verherrlichen.

Musikalisch wurde die Gedenkstunde umrahmt von Musikschülern des Hollenberg-Gymnasiums Waldbröl unter Leitung von Prof. Igor Epstein, Vorstand der Kölner Klezmerakademie. Ihre Lehrerin Helene Köhn berichtete, dass Paria, Ben und Sebastian eigens für die Veranstaltung mehrere Stücke mit dem Professor einstudiert hätten. Marion Reinecke, Vorsitzende des Freundeskreises Nümbrecht – Mateh Yehuda, mahnte, die jüdische Bewegung in Oberberg zu unterstützen. So gebe es etwa auch ukrainische Flüchtlinge mit jüdischem Hintergrund: „Die Menschen haben Angst.“

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