Werden Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen in Frage gestellt oder führen zu Streit unter Angehörigen, schreitet der Richter ein.
BetreuungThorsten Schmidt aus Waldbröl sorgt dafür, dass der Wille stets gewahrt bleibt

In der Denklinger Curata-Seniorenresidenz sehen die Anwältin Anja Maleika aus Windeck-Schladern und Richter Thorsten Schmidt aus Waldbröl nach Menschen in Betreuung und sorgen dafür, dass alles in Ordnung ist und bleibt.
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Wenn er sich nachts zur Ruhe legt, dann wird das Gitter an seinem Bett hochgeklappt. Das sei eine gute Sache, findet der 88-Jährige. Schließlich sei er schon mal aus dem Bett gefallen – und das habe sehr wehgetan, erklärt der Bewohner der Curata-Seniorenresidenz am Burgberg in Reichshof-Denklingen. Richter Thorsten Schmidt hört zu, nickt, stellt Fragen. Zwar ist der Mann an Demenz erkrankt, doch hat er gerade sehr klar ausgesprochen, was er möchte: Das hölzerne Gitter am Bett soll bleiben.
Doch was ihn schützt, das kann rechtlich als Freiheitsentzug verstanden werden. „Das gilt auch, wenn jemand in einem Rollstuhl sitzt und darin angeschnallt wird oder einen Tisch vor dem Bauch hat“, erklärt Schmidt, der auch stellvertretender Leiter des Amtsgerichts in Waldbröl ist. „Deswegen schaue ich in der Regel jährlich vorbei und überzeuge mich davon, dass in einem solchen Pflegeheim dem Wohl der Bewohnerin oder des Bewohners entsprochen wird.“
Anwältin aus der Nachbargemeinde Windeck ist bei den Gesprächen oft dabei
Denn das ist ein gesetzlicher Auftrag: Der soll verhindern, dass in solchen Einrichtungen Missbrauch geschieht – zum Beispiel, um die Pflege alter Menschen zu „vereinfachen“. Und weil auch ein Richter dafür einen Zeugen braucht und sich viele Seniorinnen und Senioren nicht mehr äußern können, begleitet ihn die Anwältin Anja Maleika aus Windeck-Schladern als Verfahrenspflegerin an diesem Tag bei den Gesprächen in der Residenz. Sie ist den Besuchten an die Seite gestellt.
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Der Waldbröler Thorsten Schmidt arbeitet seit dem Jahr 2014 in seiner Heimatstadt als Betreuungsrichter: Wenn Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen in Frage gestellt werden oder für Streit unter Angehörigen sorgen, schreitet der 45-Jährige ein. Und das vor allem dann, wenn Menschen im Alltag auf eine Betreuung angewiesen sind: Dann bestellt er jemanden für diese Aufgabe, er beendet oder verlängert solche Betreuungsverhältnisse zudem, sieben Jahre dauert ein solcher Zeitraum stets.

Wird jemand im Rollstuhl angeschnallt oder bekommt einen Tisch vor den Bauch, so kann dies juristisch bereits als Entzug der Freiheit verstanden werden.
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Sehr selten – „Zum Glück“, betont Schmidt – sind dagegen Entscheidungen über Amputationen oder sogar über Leben und Tod: Ist eine Patientin oder ein Patient nicht bei Bewusstsein, wird nur noch von Maschinen am Leben gehalten und etwa keine klare Patientenverfügung vorliegt, dann müsste der Richter auch diese schwere Entscheidung treffen. „Das wäre bisher zweimal der Fall gewesen, doch am Ende war der natürliche Tod schneller“, erinnert sich Schmidt.
Die meiste Zeit sitzt er für seine Arbeit im Auto, fährt im weitläufigen Bezirk des Waldbröler Amtsgerichts von Termin zu Termin. 1400 laufende Verfahren hat er, zum Bezirk gehören neben der Marktstadt auch die Gemeinden Reichshof, Nümbrecht, Morsbach und Windeck. Schmidt sieht viel, was nicht leicht zu verdauen ist. Und manches mache ihm durchaus Angst, gesteht Schmidt und nennt einen Demenz-Patienten, der bedrohlich eine Hundeleine schwang.
Waldbröler Richter interessiert sich für die Schnittstelle von Jura und Medizin
„Aber ich wollte immer mit Menschen und sehr nah an den Menschen arbeiten“, erklärt der Richter seine Berufswahl. „Außerdem interessiert mich diese Schnittstelle zwischen Jura und Medizin – meine Frau Judith ist Allgemeinärztin.“ Und er wird nicht müde dafür zu werben, dass Menschen ihre Zukunft regeln sollten, solange sie dies selbst erledigen können – also Vollmachten ausstellen, das Betreuungsrecht klären, Verfügungen ausfüllen – „in gesunden Zeiten also“, betont Thorsten Schmidt.
Zu seinen aktuellen Fällen gehört auch der einer Frau Mitte 40: Nach einem Herzinfarkt ist sie nicht mehr ansprechbar, unter Beatmung wird die Patientin in Waldbröl auf der Intensivstation behandelt. „So habe ich den langjährigen Lebensgefährten im Weg einer einstweiligen Anordnung, das ist ein Eilverfahren, zu ihrem Betreuer bestellt“, berichtet Schmidt.
Begonnen hat sein Arbeitstag diesmal im Gericht: Ein junger Mann mit dem Down-Syndrom wünscht, dass seine Eltern auch weiterhin seine Betreuer bleiben. Thorsten Schmidt erfüllt dem 31-Jährigen aus Waldbröl diesen Wunsch für die kommenden sieben Jahre. Ein anderer Oberberger (30), der vor neun Jahren nach schwerem Drogenmissbrauch die Diagnose Paranoide Schizophrenie erhalten hat, will dagegen einen Wechsel: Er komme mit seinem bisherigen Betreuer nicht mehr klar, schildert er dem Richter. Der macht sich Notizen für die Akte, nickt, leitet die Veränderung in die Wege und ordnet den Wechsel des Berufsbetreuers an. Der Mann vor ihm gilt als stabil, Thorsten Schmidt glaubt ihm.
Später am Tag kehrt der Richter noch einmal in sein Büro zurück, bevor er im Home-Office dann schließlich den Papierkram erledigt.
Service
Für die Vorsorge empfiehlt der Waldbröler Richter Thorsten Schmidt die Internetseiten des Justizministeriums: Dort zu finden sind Informationen sowie Formulare für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen.

