Michael Atug begegnete vor Wochen auf dem Atlantik einem Boot mit den Leichen vermutlich geflüchteter Menschen. Jetzt warf eine Nachricht aus der Karibik Fragen bei ihm auf.
Tragödie auf offener SeeAngespültes Flüchtlingsboot bringt das Grübeln zurück

In diesem Boot, dem Michael Atug im Atlantik begegnete, fanden er und seine Mitsegler die sterblichen Überreste mehrerer Geflüchteter.
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Als er Berichte von einem in der Karibik gestrandeten Schiff mit Leichen liest, kommen bei Michael Atug die Erinnerungen wieder hoch
Eine Meldung von der kleinen Karibikinsel Canouan hat in den vergangenen Tagen den Wipperfürther Michael Atug umgetrieben. In der Nachricht, die zuerst von der britischen BBC verbreitet worden ist, war die Rede von einem 14-Meter-Boot, das mit den Leichen von elf mutmaßlich afrikanischen Geflüchteten am Strand der Insel angespült worden war.
Flucht Richtung Kanaren?
Atug wurde hellhörig, weil er selbst im März mitten im Atlantik einem solchen Flüchtlingsboot begegnet war, auf offener See, rund 2000 Kilometer westlich von Afrika. Als er und seine beiden Mitsegler sich angenähert hatten, war ihnen beißender Verwesungsgeruch entgegengeschlagen. In dem Holzboot hatten sie dann Tote entdeckt, offenbar ebenfalls geflüchtete Menschen aus Afrika.
Jetzt stellte sich Michael Atug natürlich die Frage, ob es sich bei dem Fund an der Küste der Karibikinsel um eben dieses Boot handeln könnte. Die Größenbeschreibung und die Umstände, von denen die Presse berichtete, deckten sich weitgehend. Ein Foto war zunächst allerdings nirgends veröffentlicht worden.
Ich muss noch mal an diese armen Menschen denken, die um ihr Leben gekämpft haben müssen und elendigst gestorben sind.
„Das wühlt mich auf“, sagt Atug. „Ich rieche wieder den unfassbar widerlichen Verwesungsgeruch und muss noch mal an diese armen Menschen denken, die um ihr Leben gekämpft haben müssen und elendigst gestorben sind“, teilte er seine Gedanken dazu dann auch in den Sozialen Medien.
Atug und seine beiden Mitsegler hatten im März vermutet, dass das heillos untermotorisierte Flüchtlingsboot von der Westküste Afrikas aus gestartet war, um die Kanarischen Inseln zu erreichen, als irgendetwas furchtbar schief gegangen sein muss und das Boot immer weiter weg vom Land, mitten in den Atlantik getrieben wurde. Ein kleiner Sturm oder ein Motorschaden hätten schon gereicht, um die gefährliche Flucht in eine Katastrophe zu verwandeln.
„Ich habe das ja selbst erlebt: Wenn der Wind gegen das Boot steht, dann schaffst du es nicht, deine Richtung zu halten und dann ist der Sprit ruckzuck alle“, sagt der Wipperfürther. „Und das Boot hatte in der Mitte nur einen kleinen Motor. So ein schweres Boot, mit den ganzen Menschen drin, das funktioniert nicht!“
Einige Tage nach der Erstmeldung veröffentlichte die Polizei des kleinen Karibikstaates St. Vincent und die Grenadinen, zu dem die Insel Canouan gehört, Fotos von dem angespülten Flüchtlingsboot, in dem neben den sterblichen Überresten der Geflüchteten auch Pässe aus dem afrikanischen Land Mali gefunden worden waren.
Atug fragt sich: Wie viele Boote verschwinden einfach?
Atug stellte daraufhin fest, dass es sich wohl nicht um dasselbe Boot handelt. Was bei ihm nun die Frage aufgeworfen hat: Wenn er während der Atlantiküberquerung in der unübersehbaren Weite des Ozeans in drei Wochen insgesamt nur drei Boote gesehen hat – eins davon das herrenlos treibende Flüchtlingsboot – und jetzt wird zufällig ein ähnliches Boot nach einer 5500-Kilometer-Reise an einer kleinen Insel in der Karibik angetrieben – wie viele solcher Flüchtlingsboote verschwinden denn dann wohl einfach so, tauchen samt der Menschen, die voller Hoffnung eingestiegen waren, nie wieder irgendwo auf?