Abstieg in die zweite BundesligaRhein-Bergs ehemaliger Landrat leidet mit Schalke

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Das Aus am 30. Spieltag gegen Arminia Bielefeld: Schalkes Abwehrspieler Timo Becker sitzt nach dem Schlusspfiff allein auf der Bank.

Das Aus am 30. Spieltag gegen Arminia Bielefeld: Schalkes Abwehrspieler Timo Becker sitzt nach dem Schlusspfiff allein auf der Bank.

Rhein-Berg – „Als am 20. April feststand, dass Schalke 04 absteigt, hätte mich niemand darauf ansprechen dürfen. Nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, geht es und nun überwiegt bei mir die Trauer“, gesteht der 65-jährige Refrather Norbert Mörs.

Seit frühester Jugend ist der in Gelsenkirchen-Buer geborene und aufgewachsene ehemalige Oberkreisdirektor und spätere Landrat des Rheinisch Bergischen Kreises begeisterter Schalke-Anhänger.

„In kaum einer Region der Republik sind die Menschen so eng mit dem Fußball verbunden wie in Gelsenkirchen. Sie leben Schalke und das spürt man überall. Die Menschen haben ja nach dem Niedergang des Kohlereviers nichts anderes als Schalke, was sie mit ihrer Stadt verbindet.“

Der Region um Gelsenkirchen eng verbunden

Diese besondere Verbundenheit mit dem Revier wird an vielen Kleinigkeiten deutlich, erläutert Mörs. „Es wurde immer Wert darauf gelegt, auch Spieler aus der Region zu verpflichten. Manuel Neuer beispielsweise kommt aus Gelsenkirchen-Buer und gewann mit Schalke 2011 den DFB-Pokal, Julian Draxler startet seine Fußball- Karriere bei der Jugendmannschaft, und auch Leroy Sané spielte einige Jahre im Nachwuchs auf Schalke.“

Neu verpflichteten Spielern – die nicht aus der Region kommen – die besondere Verbindung der Menschen mit ihrem Verein nahezubringen, dafür sorgt sein langjähriger Freund Klaus Herzmanatus. Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der letzten Gelsenkirchener Zeche Ewald/Hugo organisiert in dem kleinen Bergbaumuseum seit vielen Jahren auf Bitten des heutigen Ehrenpräsidenten Gerd Rehberg Führungen, damit die Spieler sehen, was die Region ausmacht und womit die Menschen ihr Geld verdienen mussten und müssen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Gelsenkirchenern hatte das Elternhaus von Mörs nur wenig mit dem Bergbau zu tun. „Mein Urgroßvater war der letzte in der Familie, der als Lokomotivführer im Bergbau tätig war. Mein Vater war Bäcker und meine Mutter Geschäftsfrau.“

Als Kinder die Fahnen noch selbst genäht

Beruflich bedingt hatte sein Vater nur wenig Zeit, zu Heimspielen zu gehen. Als er seinen Sohn im Jahr 1966 zu einem Spiel gegen Karlsruhe in die damalige Glückauf- Kampfbahn mitnahm, um ihm zu zeigen, wie die Atmosphäre im Stadion ist, war dieser begeistert und ihm war klar: „Jetzt bin ich auch Schalke-Fan.“

Mörs erinnert sich: „Die wenigen Kilometer bis zum Stadion bewältigten wir mit dem Fahrrad oder der Bahn und Merchandising wie heute gab es damals noch nicht. Die Eintrittspreise waren sehr günstig, unsere Fahnen haben wir noch selbst genäht und ließen den passenden Fanschal stricken.“

Als Heranwachsender feuerte er seine Schalker aber nicht nur bei Heimspielen an, sondern begleitete sie auch zu Spielen nach Essen, Oberhausen, Duisburg oder Wuppertal. „Es war toll, bei Auswärtsspielen andere Städte zu entdecken. In Wuppertal bin ich das erste mal in meinem Leben mit der Schwebebahn gefahren.“

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Zu seinen Highlights zählt das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Bayern München im Jahr 1984. „Das Park-Stadion war mit etwa 80 000 Zuschauern völlig überfüllt und Olaf Thon, am Tag vor dem Spiel 18 Jahre alt geworden, erzielte drei Tore für die Knappen beim 6:6 nach Verlängerung. Meine Stimmbänder waren vom Jubel völlig kaputt und ich konnte 14 Tage lang nicht richtig sprechen.“

Dass er es nach mittlerweile 20 Jahren Vereinsmitgliedschaft nicht geschafft hat, eine der begehrten Dauerkarte zu ergattern, nimmt er sportlich. „Wir sind ein kleiner Freundeskreis, der über zwei Dauerkarten verfügt. Da darf jeder mal zu einem Heimspiel fahren, und das funktioniert sehr gut“.

Mörs drückt für seine Frau Mainz 05 weiter die Daumen

An einen erneuten Aufstieg im kommenden Jahr glaubt er derzeit nicht. Auch nicht, dass Schalke in den kommenden Jahren nach unten durchgereicht wird. Um das zu verhindern und den Wiederaufstieg zu schaffen, müsse sich aber eine Menge ändern.

„Clemens Tönnies glaubte daran, dass man sich Erfolg kaufen könne, hat nach Gutsherrenart mit Geld um sich geworfen und falsche Personalentscheidungen durchgesetzt. Bei aller Emotionalität kann es aber auch nicht sein, dass Marketing- Vorstand Alexander Jobst seinen Job hinschmeißen musste, weil er Morddrohungen von so genannten Fans bekommen hat.“

Wenn die Strukturen wieder stimmen, geht Mörs fest davon aus, dass Schalke vielleicht in zwei oder drei Jahren wieder erstklassig spielt. Nachdem der Abstieg besiegelt ist, hofft er, dass sich Schalke in den verbliebenen Spielen würdig verabschiedet und drückt jetzt seiner Frau die Daumen.

„Sie ist in Mainz geboren und hält natürlich zum ebenfalls längere Zeit abstiegsbedrohten FSV Mainz 05. Wenn Mainz den Klassenerhalt schafft, wonach es nach dem Sieg gegen die Bayern aussieht, findet die Saison wenigstens für sie einen guten Abschluss.“

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