Beratung im Rheinisch-Bergischen KreisIn der Pandemie greifen noch mehr zum Hörer

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Telefonseelsorge

Die Coronavirus-Pandemie verstärkt sowieso schon vorhandene psychische oder familiäre Probleme, berichten Mitarbeiterinnen der Telefonseelsorge (Symbolbild). 

Rheinisch-Bergischer Kreis – Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie greifen in sämtliche Lebensbereiche ein. Viele Menschen wenden sich mit ihren Sorgen an die Telefonseelsorge und andere Beratungsstellen. Worum sich Jung und Alt in der Pandemie sorgen, zeigt die Übersicht.

Telefonseelsorge

Die Pandemie an sich habe nur wenige „neue Probleme“ erschaffen, mit denen sich die Menschen bei der Telefonseelsorge melden, sagt Dorit Felsch. Sie leitet die Telefonseelsorge im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region und ist damit auch für Rhein-Berg zuständig.

„Wir verzeichnen einen deutlichen Anstieg von Anrufen seit Beginn der Pandemie.“ Dabei sei aber nur in jedem fünften Gespräch die Pandemie das vorherrschende Thema, sagt sie. „Es ist vielmehr so, dass die aktuelle Situation bestehende Probleme verstärkt.“

Das seien etwa psychische Erkrankungen wie Depressionen, Ängste, Konflikte mit der Familie und ganz besonders Einsamkeit. In jedem vierten Gespräch sei Einsamkeit das Hauptthema. Felsch erklärt das so: „Wer sich vorher schon oft allein gefühlt hat und wenige soziale Kontakte hatte, der ist durch den Lockdown noch mehr isoliert.“

Alte wie junge Menschen sind betroffen

Das betreffe ältere und junge Menschen gleichermaßen. „Gerade Senioren, die alleine wohnen und nicht mehr an ihren gewohnten Aktivitäten wie etwa dem Seniorensport teilnehmen können, vereinsamen.“ Die junge Generation betreffe Einsamkeit aber auch: Besonders leiden darunter Studierende, die für ihr Studium in eine andere Stadt gezogen sind und sich an die Telefonseelsorge wenden. „Die sitzen jetzt den ganzen Tag vor dem PC, weil alle Veranstaltungen online stattfinden und lernen niemanden kennen.“

Das ist eines von drei Problemen, die Felsch als direkte Folge von der Pandemie wahrnimmt. Neben der Einsamkeit beschäftige viele Anrufer auch die finanzielle Situation. „Das gilt besonders für Selbstständige und Familien, die durch die Situation vor großen finanziellen Problemen stehen.“

Als dritte direkte Auswirkung der Pandemie nennt Felsch die Belastung in den Familien. Durch die lange Schließung von Schulen und Kitas und das vermehrte Home Office kämen viele Familien an ihre Grenzen. „Den Anrufern fehlt die Kraft, sie sind völlig erschöpft.“ Die Betreuung der Kinder und die Arbeit unter einem Dach organisieren zu müssen, sei für viele kaum noch tragbar.

Häusliche Gewalt gegen Frauen

Häusliche Gewalt bleibt weiterhin eines der zentralen Themen, mit dem sich Frauen an die Allgemeine Frauenberatungsstelle des Rheinisch Bergischen Kreises wenden, berichtet Leiterin Magdalene Holthausen. Im vergangenen Jahr sei die Nachfrage aber insgesamt gestiegen: Im Vergleich zum Vorjahr habe es 12 Prozent mehr Beratungsanfragen gegeben.

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„Durch den Lockdown und die damit verbundene Isolation sind die Probleme im häuslichen Bereich angestiegen“, sagt Holthausen. Das sei eine direkte Auswirkung der Pandemie. Weiterhin beschäftige viele Frauen die Suche nach einer Wohnung.

„Das ist schon lange ein Problem“, sagt Holthausen. „Vor allem, wenn Frauen sich trennen oder scheiden lassen, brauchen sie dringend eine neue Wohnung. Im letzten Jahr hatten wir den Eindruck, dass sich die Wohnungssuche durch die Pandemie noch einmal erschwert hat.“

Kindern fehlen ihre Freunde

Vor allem Langeweile beschäftigt die Kinder seit Beginn der Pandemie, sagt Sabine Schepers. Seit 13 Jahren sitzt sie ehrenamtlich am Beratungstelefon für Kinder und Jugendliche, das vom Kinderschutzbund betrieben wird. Insgesamt ist die Anzahl der Anrufe beim Beratungstelefon um 28 Prozent Prozent gestiegen.

„Im ersten Lockdown im Frühjahr letzten Jahres, als die Schulen alle geschlossen hatten, haben wir deswegen noch zusätzliche Schichten gemacht.“ Trotzdem sei die Pandemie nicht das vorherrschende Thema bei den derzeitigen Anrufen. Es gehe viel um Schule, die Familie, die erste Liebe, Pubertät und Freundschaft. „All die Dinge, die Kinder eben beschäftigen.“

Die steigende Langeweile sei aber eng mit der Pandemie verknüpft. „Es fällt alles aus und viele Kinder können ihre Freunde nicht mehr sehen.“ Das komme erschwerend hinzu: der Austausch mit Gleichaltrigen fehlt.

Bei den Jugendlichen habe die Pandemie vor allem dafür gesorgt, dass Zukunftsängste zunehmen. „Viele haben Angst keine Lehrstelle oder ein Praktikum zu finden. Manche haben durch die Pandemie ihre Anstellung verloren.“

Ihre Arbeit an sich habe die Pandemie aber nicht verändert, sagt Schepers. „Vielen Kinder hilft es enorm mit einer unbeteiligten Person über ihre Probleme zu sprechen. Einfach zu wissen, dass da jemand ist, der zuhört und Mut macht.“ 

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