Bergisch GladbachIm Marienkrankenhaus werden Patienten fachkundig aufgepäppelt

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Ein Team des Marienkrankenhauses steht an einem Tisch mit Lebensmittel, die auch kranke Menschen gut essen können.

Häufig muss Mangelernährung im Krankenhaus behandelt werden.

Im Bergisch Gladbacher Marienkrankenhaus kümmert sich ein Team um Patienten, die mangelernährt sind.

 Verführerisch duftet es schon im Foyer des Marienkrankenhauses in Bergisch Gladbach nach frisch gebackenen Waffeln. Dort haben Edda Stein und ihr Ernährungs- und Diabetes-Team einen Tisch aufgebaut – mit Waffeleisen, Teig, Apfelmus, Joghurt, lauter Fläschchen für die hochkalorische Trinknahrung und Infomaterial über die krankheitsbedingte Mangelernährung.

Das alles findet im Rahmen der europaweiten Aktionswoche zu diesem Thema statt, initiiert durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Man mag es kaum glauben, doch bis zu 30 Prozent der Patienten sind oft schon bei der Einlieferung ins Krankenhaus mangelernährt. „Oft haben sie tage- und wochenlang nicht gegessen“, erklärt Dr. Jamal Ali, Oberarzt der Klinik für Innere Medizin und Ernährungsmediziner. „Sie kommen nicht nur total dehydriert, auch das Blutsystem kommt total durcheinander – Herzrhythmusstörungen, Elektrolyt-Verschiebungen. Im schlimmsten Fall wirkt die gestörte Nahrungsaufnahme sogar tödlich.“

Die Gründe sind vielschichtig

Die Gründe sind vielschichtig: Appetitverlust, Übelkeit, Durchfälle bei der Chemotherapie, ein Tumor in der Speiseröhre oder im Darm – da geht nichts mehr durch. Aber auch Menschen mit Leberzirrhose, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sowie Lungenerkrankungen, Muskel- und neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall fallen beim Screening auf. „Essen ist anstrengend, wenn man keine Luft mehr hat“, so Dr. Ali. „Wenn man weniger als 50 Prozent der erforderlichen Nahrung aufnimmt, ist man risikobehaftet für die Mangelernährung.“

Das gilt sogar für adipöse Patienten: Wer bei einem Gewicht von 120 Kilo bereits 20 Kilo abgenommen hat, ist sehr gefährdet. Abnehmen vor dem Krankenhausaufenthalt, zum Beispiel wegen einer Operation, ist also überhaupt nicht angesagt: „Es wird dabei nur die Muskelmasse, die dringend erforderlich ist, nicht das Fett reduziert.“

Doch mit einer gezielten Ernährungstherapie bringt das seit Jahrzehnten spezialisierte Team die kranken Menschen dazu, wieder Nahrung aufzunehmen. Sie werden buchstäblich wieder aufgepäppelt. Je nach Schwere des Zustandes ist zunächst eine künstliche intravenöse Ernährung erforderlich – dafür gibt es Set mit den inhaltsreichen Flüssigkeiten und Zugängen.

Dann greift das Stufenmodell für die Ernährungstherapie. „Das erste Mittel der Wahl ist, zu optimieren, was der Patient noch essen kann“, erklärt Edda Stein. „Sahnejoghurt, Milch, Kakao, Apfelmus, Milchreis – was immer der Patient zu sich nehmen kann – anreichern mit Kalorien und Eiweißpulver.“

Stufenweise zu mehr Appetit

Auf dem Tisch stehen die Fläschchen mit fruchtiger Trinknahrung, die man verdünnen kann, und Päckchen für das Kalorien- und Eiweißpulver, das in die Nahrung eingerührt wird. Oft kann der Patient zunächst nur ein kleines „Pinnchen“ zu sich nehmen, viermal am Tag – das ergibt zusammen zwei Fläschchen mit hochkalorierter Trinknahrung, die jeweils 300 Kalorien und 12 Gramm Eiweiß beinhalten. „Wenn er es schafft, über die zwei Fläschchen Trinknahrung plus Eiweiß zu den Mahlzeiten täglich aufzunehmen, kommt er nach und nach auf 2000 Kalorien und deckt damit seinen Bedarf“, so Ernährungsexpertin Stein. „Dann haben wir es in Stufen geschafft, dass er wieder Appetit hat.“

Und dann kommen auch die lecker duftenden Waffel ins Spiel – sie sind angereichert mit Eiweißpulver und können mit dem entsprechenden Rezept auch zu Hause gebacken werden. Gut ernährt, verträgt ein Krebspatient auch die Chemotherapie besser.

Vom Pflegepersonal wird das Verhalten bei der Nahrungsaufnahme aufgezeichnet und vom Spezialteam kontrolliert. „Es ist wichtig, eine Laborkontrolle zu machen und die Parameter für die Nahrungsaufnahme so zu verändern, dass der Patient wieder essen kann“, sagt Elisabeth Niemand vom Team. „Vielleicht muss ja sogar die Chemotherapie verschoben werden – das wird in enger Zusammenarbeit mit den Onkologen entschieden.“

Auch wenn der Patient wieder zu Hause ist, wird er weiterhin entsprechend betreut. Wie schön, wenn dem Krebspatienten nach den schweren Tagen wieder Spätzle mit Champignons schmecken.

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