GebührenBescheide beim Abwasser in Bergisch Gladbach ändern sich nicht rückwirkend

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Das Foto zeigt eine Anlage im Abwasserwerk Beningsfeld in Refrath

Das Abwasserwerk Beningsfeld in Refrath

In Bergisch Gladbach ist die CDU-Fraktion gescheitert, Abwasserbescheide aus den Jahren 2020 und 2021 rückwirkend zu ändern.

 Es geht um sehr viel Geld. Rund 19 Millionen Euro hätte die Stadt möglicherweise an alle Haushalte in Summe auszahlen müssen, falls sie die Gebührenbescheide für Abwasser aus den Jahren 2020 und 2021 im Sinne eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts NRW grundsätzlich aufhebt und entsprechend abändert. Abgeändert werden sie tatsächlich, aber nur für jene Haushalte, die damals fristgerecht Einspruch eingelegt hatten.

Statt 19 Millionen sind es 57 000 Euro, die an die Steuerzahler rückfließen. Konkret senkt die Stadt die Grundwassergebühren von 3,07 auf 2,06 Euro je Kubikmeter, beim Regenwasser von 1,38 auf 0,76 Euro je Kubikmeter für die Einspruch-Einleger. Eine Erstattung an alle Haushalte hatte die CDU-Fraktion schon vor Monaten beantragt.

Antrag zunächst vertagt

Einmal wurde der Antrag vertagt. Im Ausschuss für Infrastruktur gab es jetzt nur die Unterstützung der AfD. Grüne, SPD und Freie Wählergemeinschaft setzten sich mehrheitlich durch (9:7) und folgten der Meinung der Verwaltung, die Bescheide nicht aufzuheben. Der FDP-Vertreter enthielt sich. Bei einer Zusage hätte Kämmerer Thore Eggert eine größere Lücke im Etat gehabt.

Eine Lücke, die nur mit Anhebung der Grundsteuer zu kompensieren wäre, unkten Sprecher der ablehnenden Fraktionen. „Es geht uns um Gerechtigkeit“, erklärte CDU-Vertreter Martin Lucke. Jeder Gladbacher Haushalt würde etwa mit 150 Euro profitieren. „Das ist heute keine Kleinigkeit mehr.“

Bergisch Gladbach: Mieter benachteiligt

Auch Mieter hätten keine Gelegenheit gehabt, Einspruch einzulegen. Bei einem Nein zum Antrag werde nur eine elitäre Minderheit von der Rechtssprechung profitieren. Die Rechtsgutachten, die die Stadt in der Sache eingeholt habe, böten mit teils schwammigen Aussagen Ansatzpunkte für eine Erstattung, meinte Lucke.

Bei einem Nein des Ausschusses würde es künftig eine Einspruchswelle geben, die die Stadt kaum beherrschen könne. Normalerweise sind vier oder fünf Jahre alte Gebührenbescheide sprichwörtlich Schnee von gestern und interessieren kaum noch. Diesmal war es anders. Die Richter am Oberverwaltungsgericht hatten sich mit kalkulatorischen Zinsen beschäftigt und übliche Berechnungsgrundlagen der Kommunen in Zweifel gezogen.

Fast 30 Jahre alte Praxis

Die Materie ist komplex, es geht um eine fast 30 Jahre alte Praxis, fiktive Zinsen für das Abwasserwerk mit in die Bescheide einzurechnen. In Bergisch Gladbach waren dies 5,5 Prozentpunkte, die die Haushalte extra zahlten. Eine Möglichkeit, dies rückwirkend zu ändern, gebe es nicht, meinte Kämmerer Eggert.

Wir haben da keine Handhabe
Jan Lobermeier, Bündnis 90/Die Grünen

„Rechtsempfinden und Rechtslage sind etwas anderes“, sagte Jan Lobermeier (Grüne). Die Ratsmitglieder müssten das Wohl der Allgemeinheit im Auge halten; dieses Wohl sei bei einer Zustimmung zum CDU-Antrag gefährdet. „Wir haben da keine Handhabe.“ Bei einer Zustimmung müsse am folgenden Tag Bürgermeister Frank Stein den Beschluss beanstanden.

Obwohl für ihn der Grundsatz der Gleichheit herausragende Bedeutung habe, könne er sich der CDU-Meinung nicht anschließen, so Jörg Laschet (FDP).

Renditen berücksichtigt

Die Stadt hatte seinerzeit zur Gebührenberechnung der Werte der Abwasseranlagen einen 50-jährigen Durchschnitt der Emissionsrendite für festverzinsliche Wertpapiere zugrunde gelegt und diesen nochmals um 0.5 Prozentpunkte erhöht. Die Richter sahen dies als „doppelten Inflationsausgleich“ an und zogen die Gebührenbremse.

„Jeder wusste von dieser Praxis“, meldete sich in der Debatte Fabian Schütz von der Fraktion Bergische Mitte zu Wort und meinte die Vertreter der CDU. „Aber alle haben sich hinter dem breiten Rücken des Abwasserchefs Martin Wagner versteckt.“ Auch durch Wegzug oder Tod der Hauseigentümer sei eine rückwirkende Änderung kaum mehr möglich.

„Wir hatten damals keinen Grund, an der jahrelangen Rechtssprechung zu zweifeln“, antworte Martin Lucke auf die Vorwürfe. Auch der damalige Kämmerer der Stadt habe nicht gezweifelt: Es sei der heutige Bürgermeister Frank Stein (SPD) gewesen.

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