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Bergisch GladbachBewegende Momente bei der Gedenkfeier an die Opfer der Pogromnacht

4 min
Die Menschen stehen im Kreis, der Bürgermeister hält eine Rede.

Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht am Holocaust-Mahnmal im Park der Villa Zanders.

Es sei schwierig geworden, sagte Willy Bartz, Vorsitzender des Ganey-Tikva-Vereins:  „Synagogen müssen wieder überwacht werden“.

„Es ist schwierig geworden. Synagogen müssen wieder bewacht werden, unsere jüdischen Mitbürger fühlen sich wieder unsicher“, fasste Willy Bartz, Vorsitzender des Ganey-Tikva-Vereins, vor dem Holocaust-Denkmal im Park der Villa Zanders zusammen. Die Gedenkveranstaltung am Sonntagnachmittag erinnerte an die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938.

SA und SS, teils in Zivil, steckten in dieser Nacht im ganzen Reich Synagogen in Brand. Sie verwüsteten Tausende jüdischer Geschäfte, zertrümmerten Wohnungen. Es war kein spontaner „Volkszorn“, sondern ein gelenktes Pogrom. Die Gewalt traf die Menschen: Juden wurden ermordet, misshandelt, gedemütigt.

Die Polizei griff nicht ein, sie schützte die Täter. Die Gestapo verhaftete sofort rund 30.000 jüdische Männer und verschleppte sie in Konzentrationslager. Die zynisch zur „Kristallnacht“ verharmlosten Scherben kündeten nur vom Beginn eines neuen, offenen Terrors.

Zu der Gedenkfeier, bei der Teelichter in Form eines Davidsterns auf dem Denkmal brannten, kamen viele Bergisch Gladbacher Bürgerinnen und Bürger. Nachdenklich hörten sie dem neuen Bürgermeister Marcel Kreutz zu. Er erinnerte daran, dass all dies auch in Bergisch Gladbach geschah.

Es begann mit Ausgrenzung. In Worten
Marcel Kreutz, Bürgermeister

„Es begann mit Ausgrenzung. In Worten. Schritt für Schritt wurde das Unsagbare sagbar, dann folgten die Taten“, sagte Kreutz. „Wir tragen die Verantwortung, dass dies nie wieder geschieht“, forderte der Bürgermeister.

Leise sangen die Anwesenden mit Christian Ruhe zwei jiddische Lieder: „Hevenu Shalom Aleichem“ und „Shalom Chaverim“. Beide besingen den Frieden für die Welt. Musik und Singen stifteten ein Gefühl von Gemeinschaft. Sie erinnerten daran, dass es Zeit ist, Brücken zu bauen – wie Willy Bartz es ausdrückte.

Auch die jüdische Schriftstellerin und Lyrikerin Nelly Sachs musste fliehen. Schülerinnen der Integrierten Gesamtschule Paffrath erinnerten an sie. Erst in den 60er Jahren wurde die Literaturkritik auf sie aufmerksam; 1965 erhielt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1966 den Literaturnobelpreis.

Sie war überzeugt: „Lyrik ist ein Weg, um das Unaussprechliche auszudrücken und den Leser dazu einzuladen, in die Tiefen der menschlichen Seele einzutauchen.“ Zum Schluss mahnte Willy Bartz mit den Worten des jüdischen Schriftstellers Elie Wiesel: „Ihr wisst nicht, wie es ist, in jüdischen Schuhen zu gehen.“

Auch in Kürten gab es Vorfälle

Zum ersten Mal gedachten Kürtener Bürgerinnen und Bürger gemeinsam auf dem Karlheinz-Stockhausen-Platz der Pogrome in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Diese Nacht war kein Zufall. Sie war Befehl. SA-Trupps und SS-Kommandos griffen reichsweit zu. Im Auftrag der Partei inszenierten sie den angeblichen Zorn des Volkes.

Die Täter wüteten mit Härte. Sie steckten 1400 Synagogen und Bethäuser in Brand, zertrümmerten rund 7500 jüdische Geschäfte und Wohnungen. Danach setzte die SS die nächste Stufe durch. Sie verhaftete und verschleppte bis zu 30.000 jüdische Männer – direkt in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen.

„Auch in Kürten gab es Vorfälle“, erinnerte Leo Wulf vom Verein „Kürten für Demokratie und Vielfalt“. Er berichtete, dass Jutta Geiseler von „Omas gegen Rechts“ angeregt hatte, ein solches Gedenken zu organisieren. Er sprach auch über die Gegenwart: „Wenn man sich heute umschaut, entdeckt man eindeutige Bezüge.“ Und er forderte alle auf, „den Mut zu behalten, auch wenn es Gegenwind gibt.“

Pfarrer Harald Fischer ergänzte in seiner Ansprache: „Wo immer es nötig ist, müssen wir hinschauen. Daher ist unser gemeinsames Gedenken notwendig und wichtig.“ Jutta Geiseler berichtete von persönlichen Erfahrungen der Ausgrenzung. Ihr Mann war lange Zeit schwer krank. Er saß im Rollstuhl. Einmal sei sie angepöbelt worden: „Warum hast du was mit Rollstuhlfahrern?“

Gemeinsames Erinnern braucht Zeichen. „Kürten für Demokratie und Vielfalt“ hatte Teelichter vorbereitet. Alle Teilnehmenden sollten eines nehmen und zu einem Peace-Zeichen zusammenstellen. „Ich hatte die Idee, eine Menschenkette um das Rathaus zu bilden“, verkündete Wulf. Obwohl gar nicht so wenige gekommen waren, reichte es nicht. So wurde vereinbart, zum Schluss mit allen ein Foto vor dem beleuchteten Fenster des alten Rathauses zu machen. „Und es gibt Punsch, lasst uns später ins Gespräch kommen“, schlug Jutta Geiseler vor.