Leben für die ManegeZirkusfamilie lässt in Bergisch Gladbach hinter die Kulissen blicken

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Zwei Artisten schweben unter dem Zirkuszelt.

Wagemutig geht es in die Höhe: Zwei Artisten schweben unter dem Zirkuszelt.

Auch wenn es schwer geworden ist, als Zirkus zu überleben, kämpft Direktor Francesco Weiß für die Familientradition.

Wenn man sich einen Zirkusdirektor vorstellt, denkt man in der Regel an einen kleinen, kräftigen Mann mit schwarzem Schnurrbart und Zylinder. Meistens trägt er dazu auch noch eine rote Uniform. Francesco Liberty, eigentlich Weiß mit Nachnamen, trägt einen solchen Anzug – allerdings in Blau.

Er hat kurze, blonde Haare, auf denen kein Zylinder sitzt. Aber den braucht er auch nicht, um seine Familientradition fortzusetzen. Er ist Zirkusdirektor in vierter Generation. Der „Zirkus Liberty“ existiert bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts.

Tochter eröffnet Show in Bergisch Gladbach

Sein Sohn Anthony sitzt mit einer glitzernden Jacke im Hochstuhl, während sein Vater und dessen Cousin die Gäste ins Zirkuszelt lotsen. Das kleine Zelt auf dem Schützenplatz in Bergisch Gladbach-Hand hat eine blaue Farbe und ist gemütlich. Die Gäste sitzen auf klassischen, weißen Plastikstühlen mit Sitzpolstern. Es riecht nach Popcorn, und schon von Weitem kann man die Musik hören.

Ein Mädchen steht in der Manege und schwingt Ringe.

Der Nachwuchs wagt sich an die Reifennummer.

Um 16 Uhr verstummt die Musik, und das Licht wird pinkfarben. Die 7-jährige Tochter von Francesco eröffnet den Zirkus in glitzernden Schläppchen und einem roten Zirkusanzug. Papa Francesco folgt seiner Tochter in die Manege. „Der Applaus ist der schönste Lohn eines jeden Künstlers“, sagt er.

Zirkusfamilie hat schwere Zeiten hinter sich

Doch die Familie hat schwere Zeiten hinter sich. Denn: 2019 verstarb der damalige Zirkusdirektor Günter Weiß plötzlich und ohne Vorwarnung. Sohn Francesco musste übernehmen. Sie spielten eine Saison, dann kam Corona.

Zwei Jahre lang hatten sie keine Einkünfte und mussten von Bürgergeld leben. Die Futterkassen sind nach der langen Winterpause leer. Dennoch ist für die Pferde, Tauben und Kamele ausreichend gesorgt.

Der mit gelben Schmuck behangene Hengst „Sultan“ trabt vergnügt in die Manege, und schnaubt eifrig. Die Kinderaugen glitzern bei seinem Anblick mindestens genauso stark, wie Francescos Anzug, in den er mittlerweile geschlüpft ist. Die Kinder in der ersten Reihe lachen begeistert, als die Ponys Maggie und Jacky sie begrüßen.

Zirkusleben ist heute anders als früher

Natürlich ist auch Ehefrau Joanna dabei. Sie begeistert das Publikum als Clownin Emma Liberty. Bei einer Darbietung kommt auch Sohn Anthony als Clownsnachwuchs dazu. Unter dem Namen „Banane“ rennt er in die Manege.

Eine Clownin steht in der Manege.

Clownin begeistert das Publikum.

Er zieht der Clownsmutter die gerade frisch ausgelegte Tischdecke weg – und das mit der Beihilfe von Papa Francesco. Während Clownmutter Emma die Zeitung liest, kommt auch noch Tochter Amy rein geschlichen.

Das Leben als Zirkusfamilie ist heutzutage anders als früher. Es fehlt an Stellplätzen, viele Städte wollen keinen Zirkus mehr in der Stadt. Auch das Aufhängen von Plakaten ist finanziell kaum noch zu bewerkstelligen. Die Familie ist meistens auf Bauern angewiesen.

Skateboard-Nummer fasziniert Publikum

Fasziniert steht der Direktor nun neben dem Vorhang, als die Jongleure Silvia und Rudi das Publikum in Staunen versetzen. Die Nummer ist kompliziert, der Elan umso größer. Ein kollektives „Wow“ erfüllt das Zelt. Diese fesselnde Wirkung setzt sich fort, als Francesco auf einem erhöhten Podest auf mehreren Skateboards gleichzeitig balanciert. Viele reißen die Hände vor den Mund, als der Zirkusdirektor immer höher stapelt.

Wenn man die Familie fragt, ob sie in einem Satz zusammenfassen könnte, was der Zirkus für sie bedeutet, antworten sie fest: „Unser Leben“. Und das merkt man auch, wenn man in dem kleinen, blauen Zelt sitzt und der Familie zusieht. Für sie ist es Hobby und Beruf, sagt Joanna Liberty.

Der Zirkus gastiert noch bis zum 1. April in Bergisch Gladbach-Hand, Handstraße 60, und freut sich über zahlreiche Besucher. Aufführungen: täglich 16 Uhr. Jedoch: Sonntag 11 und 16 Uhr. Ostermontag nur 11 Uhr. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Karfreitag Ruhetage.

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