Bergisch GladbachZweiter Aufenthaltsplatz für Wohnungslose im Gespräch

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Auf dieser Grünfläche in der Stadtmitte könnte ein weiterer Aufenthaltsplatz entstehen.

Auf dieser Grünfläche in der Stadtmitte könnte ein weiterer Aufenthaltsplatz entstehen.

Bergisch Gladbach – Die Sozialstation an der Dr. Robert-Koch-Station hat sich zum Hauptszenetreffpunkt für Obdachlose entwickelt. Anwohner und Geschäftsleute fühlen sich durch Lärm belästigt. Um die Szene zu entzerren, will die Stadt den Bedürftigen nun einen zweiten festen Aufenthaltsstandort anbieten: auf einem städtischen Grundstück am Kreisverkehr Schnabelsmühle.

„Dieser Platz ist eine gute Lösung“, sagt Judith Becker, Leiterin Netzwerk Wohnungsnot. Die Fachberatung der Caritas Rhein-Berg und Diakonie ist seit Frühjahr 2019 zusammen mit den Caritas-Suchthilfen Träger des Sozialprojekts „Streetwork – Aufsuchende Hilfen Bergisch Gladbach“ in enger Kooperation mit dem städtischen Sozialamt.

Mehr als 100 Betroffene

Es sei gut, Ausweichmöglichkeiten zu haben, betont Becker. Je nachdem wie viele Menschen aufeinandertreffen, komme es zu Spannungen. Die Anzahl der Leute, die einen großen Teil ihrer Zeit auf der Straße verbringen, schätzt das Netzwerk Wohnungsnot auf über 100.

Der Info-Kiosk – so genannt, weil die Beratungsstelle in ein ehemaliges Büdchen eingezogen ist – hat sich für wohnungslose Menschen zum Hauptzufluchtsort vor Nässe und Kälte aber auch Einsamkeit entwickelt. In den Sommermonaten 2019 war die Dachterrasse besonders voll. Anwohner beschwerten sich immer wieder. Sie fühlten sich durch Lärm belästigt. Benachbarte Jugendhilfeeinrichtungen betonten zwar, dass sie die Bemühungen der Stadt zur Betreuung der Szene, wertschätzen. Gleichzeitig hielten sie den Betrieb der Sozialstation mit Blick auf das Wohl der von ihnen betreuten Kinder für nicht vereinbar.

Beratung im Juni

Der Zweitstandort entlang des Zanders-Grundstücks zwischen Bushaltestelle und Kreisverkehr soll die Straßenszene entzerren, so das Konzept eines eigens gegründeten Arbeitskreises unter Beteiligung der Politik. Im Falle von Konflikten könnten Mitarbeiter des Ordnungsamtes konkurrierende Gruppen trennen und auf zwei Standorte aufteilen. Die Stadtverwaltung will das aus ihrer Sicht erfolgreiche Streetworker-Projekt um ein weiteres Jahr verlängern, „um die Auswirkungen zu beobachten, die die Öffnung des Zweitstandortes mit sich bringt“.

Den Beschlussvorschlag beraten Sozialausschuss und Jugendhilfeausschuss im Juni. Der neue feste Ort sei mit Sorgfalt ausgesucht worden, findet Becker, „zentrumsnah und ins Grüne eingebettet.“ Ein Treffpunkt außerhalb der Innenstadt hätte bei dieser Klientel keine Chance gehabt. Der zweite Standort sei auch für die beiden Streetworkerinnen mit jeweils einer halben Stelle gut erreichbar.

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Die Investitionskosten stehen noch nicht fest. Die Stadtverwaltung prüft derzeit, ob die Installation von Sanitäranlagen möglich ist. Auch ein Wetterschutz, Beleuchtung und Sitzplätze sind geplant. Hauptanlaufstelle für Bedürftige soll aber der Info-Kiosk an der Dr. Robert-Koch-Straße bleiben – mit Räumlichkeiten für diskrete Krisen- und Beratungsgespräche sowie eine pflegerische Basisversorgung. Die Streetworkerinnen sind zu festen Zeiten vor Ort. Zudem organisiert der Verein Die Platte dort regelmäßig eine Lebensmittel- und Getränkeausgabe.

Allerdings hat die Pandemie den Rhythmus der Wohnungslosen in Bergisch Gladbach komplett durcheinander gebracht: Denn ihr zentraler Aufenthaltsort ist seit März 2020 geschlossen. Sie dürfen sich nicht mehr auf der Dachterrasse des Kiosks aufhalten. Seitdem sind die Mitglieder der Straßenszene wieder auf den altbekannten Treffpunkten anzutreffen, im Forumpark und am Busbahnhof. „Wir hoffen auf eine Änderung, wenn unsere Angebote nach Corona wieder stärker genutzt werden“, sagt Judith Becker, „ob die Szene den neuen Ort an der Schnabelsmühle annimmt, muss die Praxis zeigen.“

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