ProzesseGladbacher Gericht stellt zwei Verfahren wegen häuslicher Gewalt gegen Geldauflage ein

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Gestelltes Bild zum Thema häusliche Gewalt - Eine Frau versucht, sich vor der Gewalt eines Mannes zu schützen.

Eine Frau versucht, sich vor der Gewalt eines Mannes zu schützen (gestellte Szene).

Gewalt in der Ehe ist zwar längst nicht mehr Privatsache, aber schwer zu ahnden: Am Valentinstag gab es in Gladbach gleich zwei Strafprozesse.

Was für ein trauriges Kontrastprogramm: Am Valentinstag, dem Tag der Liebenden, hat es bei Strafrichterin Simona Sünnemann am Bensberger Amtsgericht gleich zwei Strafprozesse gegen mutmaßlich schlagende Ehemänner und Väter aus Bergisch Gladbach gegeben. Beide endeten mit Verfahrenseinstellungen gegen Geldauflage.

In beiden Prozessen war es mehr als kompliziert, die Abläufe zu rekonstruieren, es stand Aussage gegen Aussage. In Fall 1 soll ein 41-jähriger Familienvater am 25. Januar vergangenen Jahres seine Noch-Frau in der gemeinsamen Wohnung beleidigt, geschlagen, bedroht, mit einem Küchenstuhl beworfen und sie am Ende mit einem Messer bedroht haben, für den Fall, dass sie die Polizei rufe.

Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
Strafverteidiger Klaus Braatz zitiert den Köln-Mülheimer Volksmund

Die gesamte Gewaltexplosion bestritt der Angeklagte; sein Verteidiger Klaus Braatz brachte ins Spiel, dass die Ehefrau wohl eine durchtrainierte und großgewachsene Kampfsportlerin sei — was der Angeklagte selbst aber im Prozess dementierte. Im Übrigen, so der Jurist aus Köln-Mülheim, gebe es den Spruch „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“. So wohnten die beiden Streitenden weiterhin im selben Haus.

Die 37-jährige Ehefrau des Angeklagten, eine Dozentin, wiederholte dagegen ihre der Anklage zugrundeliegenden Vorwürfe — und bestritt im Anschluss Kampfsporterfahrung: „Ich bin keine Kung-Fu-Kämpferin.“ Sie musste sich jedoch von Anwalt Braatz fragen lassen, wie sie überhaupt auf Kung-Fu komme.

Ehemann 1 zahlt 600 Euro an den Weißen Ring

Da druckste sie erst ein wenig („Man hört so einiges“) und räumte dann im Anschluss ein, dass sie die Verteidigerpost an den Noch-Mann geöffnet und gelesen habe: „Es war meine Aufgabe in unserer Ehe, mich um die Post zu kümmern“, sagte sie über ihre fragwürdige Aktion.

Bereits vor der Vernehmung der Ehefrau hatte Anwalt Braatz eine Einstellung des Verfahrens gegen Buße vorgeschlagen; später wiederholte er den Vorschlag, schränkte ihn aber dahingehend ein, dass das Geld nicht an die Frau gehen solle. Staatsanwalt, Verteidiger und Richterin einigten sich am Ende auf 600 Euro zugunsten des Weißen Rings, einer Hilfsorganisation für Verbrechensopfer.

Fotos in Fall 2 zeigen mal ein linkes, mal ein rechtes blaues Auge

Keinen Deut leichter war die Wahrheitsfindung in Fall 2: Ein 39-jähriger Familienvater soll am 9. Juli 2023 nach einer Reise in seine alte Heimat Kosovo in der gemeinsamen Bergisch Gladbacher Wohnung seine Ehefrau (43) und eine seiner Töchter (24) geschlagen haben – die Tochter so heftig, dass sie das Bewusstsein verlor.

Während die Ehefrau, übersetzt von einer Albanisch-Dolmetscherin, immer wieder mit ruhiger Stimme beteuerte, dass dies alles so geschehen sei und sie es mit eigenen Augen beobachtet beziehungsweise selbst erlebt habe, tauchten zahlreiche Fragen auf: Passierten die Angriffe im Wohnzimmer, im Bad, im Flur oder im Schlafzimmer? Wer hat was beobachtet? Wieso zeigten die Fotos der Gesichtsverletzungen mal ein linkes, mal ein rechtes blaues Auge?

Sie müssen mir nicht Ihr ganzes Leben Wort für Wort erzählen. Was soll das?
Richterin Simona Sünnemann zu Ehemann 2

„Ich möchte endlich herausfinden, wer mir hier was vom Pferd erzählt“, wurde die Richterin gegenüber den mutmaßlichen Opfern deutlich. Gegenüber dem Angeklagten hatte sie bereits  vorher Klartext gesprochen, als nämlich der Mann eine langatmige Erklärung zu einem angeblichen Komplott seiner Frau und seiner drei Kinder nicht am Tattag begann, sondern schon acht Tage zuvor. Richterin Sünnemann herrschte ihn an: „Sie müssen mir nicht Ihr ganzes Leben Wort für Wort erzählen. Was soll das? Was ist am 9. Juli passiert?“

Ehemann 2 zahlt 200 Euro an die Ehefrau und 400 an die Tochter

Angesichts der vielen Fragezeichen einigten sich Albert von der Ohe, Verteidiger im zweiten Gewalt-Fall, sowie der Staatsanwalt und die Richterin auch in diesem Prozess auf eine Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage: 200 Euro gehen über Nebenklage-Anwalt Martin Krutt an die Ehefrau, 400 an die Tochter. Die Alternative wäre eine spätere Fortsetzung des bereits jetzt 90 Minuten dauernden Strafprozesses mit einem Ortstermin in der Wohnung gewesen. Einen Beweisantrag dazu hatte Verteidiger von der Ohe bereits in Aussicht gestellt.

P.S.: Übrigens ist der 14. Februar nicht nur der Tag der Liebenden, sondern seit 2013 auch internationaler Aktionstag „One Billion Rising“ gegen Gewalt an Frauen. Laut NRW-Landesregierung erlebt jede dritte Frau psychische, körperliche oder sexualisierte Gewalt, häufig im Verborgenen, häufig regelmäßig.

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