Zum Abschied 60 WagenHelmut Kraus sagt nach 33 Jahren Ade als Bergisch Gladbacher Zochleiter

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Zugleiter Helmut Kraus steht vor seiner Lokomotive in der Wagenbauhalle.

Den größten Zug seiner 33-jährigen Amtszeit als Zugleiter wird Helmut Kraus am Sonntag auf seiner Lok durch die Gladbacher Straßen anführen.

Sein letzter Karnevalszug als Zugleiter soll der größte und schönste seiner Amtszeit werden. Helmut Kraus schaut auf eine bewegte Zeit zurück.

Wenn Helmut Kraus am Sonntag seine Zugleiter-Lok an der Spitze des Zochs durch die Gladbacher Stadtmitte besteigt, dann wird eine Ära zu Ende gehen. Denn nach 33 Jahren wird es Kraus' letzter Zoch als Zugleiter sein. Nach der Session möchte der 77-Jährige das Amt abgeben. Zum Abschied aber, da soll es mit 60 großen Wagen der größte Zoch werden, den Kraus je durch die Gladbacher Straßen hat ziehen lassen.


Der Abschiedszoch in Zahlen

  • 2800 Zugteilnehmer
  • 60 große Wagen
  • 42 Fußgruppen
  • 5 Musikgruppen
  • 4 Jugendgruppen
  • 500 Sicherheitsbeauftragte von DRK bis THW

„Mit 20 Wagen und 20 Fußgruppen habe ich Anfang der 90er Jahre angefangen“, erinnert sich Kraus an die Zeit, als er das Amt des Zugleiters von Willi Hebekeuser übernahm. Es war die Zeit des ersten Golfkriegs, als sämtliche Karnevalsaktivitäten kurzfristig abgesagt wurden, das Gladbacher Dreigestirn zwei Jahre im Amt blieb.

Ohne meine, leider vor zehn Jahren verstorbene Frau Agnes hätte ich das alles nicht so hinbekommen, wir waren ein tolles Team.
Helmut Kraus, Zugleiter in Bergisch Gladbach

Jeder Meldebogen, die Aufstellung und sämtliche Korrespondenz wurde damals noch auf der Schreibmaschine geschrieben. „Ohne meine, leider vor zehn Jahren verstorbene Frau Agnes hätte ich das alles nicht so hinbekommen“, sagt der gelernte Buchdrucker, „wir waren ein tolles Team.“ Kraus hält inne: „Allerdings standen wir auch jedes Mal, wenn wir den Zoch dann fertig hatten, kurz vor der Scheidung“, sagt er augenzwinkernd. „Natürlich ist sie immer auf der Lok mitgefahren. Nein, wir waren wirklich ein gutes Team. Sie wusste manchmal mehr als ich, weil sie an alles gedacht hat.“

Zugleiter Helmut Kraus steht neben einer Pappmaschefigur, die seine Züge trägt.

Auch als Wagenfigur wurde Zugleiter Helmut Kraus schon verewigt.

Was heute alles im Computer verwaltet wird, spielte sich damals noch zwischen Hängeregistermappen und der Schreibmaschine ab. Die Karnevalswagen standen damals noch zu einem großen Teil auf dem Gelände der später aufgegebenen Hermann-Löns-Kaserne.

Herausforderung der 90er Jahre: Einführung des TÜV für die Wagen

„Die Zugleiter-Lok gab's schon vor meiner Zeit, den Wagen darunter hat in den 70er Jahren noch mein Schwiegervater, Peter Neu, besorgt, der war ja bei Zanders“, erzählt Helmut Kraus und zeigt den gerahmten Kaufvertrag für den Festwagenunterbau. Bevor sie einen eigenen rollenden Unterbau bekam, seien die Einzelteile der Zugleiter-Lok mehr als 50 Jahre auf unterschiedlichen Wagen immer wieder ab- und aufgebaut worden.

Helmut Kraus steht auf dem Turm seiner Zugführerlok im Gladbacher Karnevalszoch.

So kennt man ihn: Hoch oben auf seiner Lok an der Spitze des Zochs.

Auch der junge Zugleiter Kraus hatte sich bald vertieft mit den rollenden Unterbauten der Karnevalswagen zu befassen: „Nach einem Unfall mit einem Wagen in Rheinland-Pfalz ist in den 90er Jahren auch in Nordrhein-Westfalen die TÜV-Pflicht für Karnevalswagen eingeführt worden“, erinnert er sich. Seitdem organisiert der Zugleiter regelmäßige Hauptuntersuchungen für die Jecken Gefährte und zusätzliche Bremsprobentermine. „Diesmal war die Abnahme wegen der kurzen Session schon im Dezember“, sagt der gebürtige Bergisch Gladbacher, der ein echter „Gronauer Jung“ und seit 60 Jahren auch in der Kajuja fest verwurzelt ist.

Karneval hat für mich immer zum Leben dazugehört.
Helmut Kraus (77), Zugleiter und seit 60 Jahren in der Kajuja aktiv

„Überhaupt, Karneval hat für mich immer zum Leben dazugehört“, sagt Kraus, „und bei mir zu Hause ist sowieso das ganze Jahr über Karneval.“ Spricht's und zeigt die im Haus verteilten Bildergalerien, Ordensvitrinen und weitere jecke Exponate. In Kraus' Amtszeit wurde auch erstmals ein gemeinsames Zugmotto für Bensberg und Bergisch Gladbachs Stadtmitte kreiert, wie es heute zur Selbstverständlichkeit geworden ist. „Im ersten Jahr habe ich dazu extra einen Schal gemacht – als Zeichen der Verbundenheit“, sagt Kraus und hängt den Halswärmer einer Clownsfigur im Treppenhaus um.

Zugleiter Helmut Kraus steht neben einer Clownsfigur im Treppenhaus seines Hauses.

„Zu Hause ist bei mir das ganze Jahr über Karneval“, sagt Helmut Kraus.

Bunter und kreativer sei der Zoch in den 33 Jahren seiner Amtszeit geworden, sagt Kraus: „So viele Mottowagen wie heute gab's früher noch nicht, und die Kostüme sind auch deutlich aufwendiger geworden.“ Allein die Zahl der Musikgruppen sank. „Diesmal haben wir sechs Musikgruppen, früher waren es mal bis zu 13“, erinnert sich der Zugleiter, „aber es gibt halt auch immer weniger, die das machen“, bedauert er.

Als Heidi Klum im Gladbacher Zoch mitfuhr, war der Medienrummel enorm

Züge, die für Helmut Kraus ganz besonders waren? „Das war sicher 2010, als mein Schwiegersohn Alexander Prinz war, und natürlich der Zoch im letzten Jahr, als meine Tochter Melanie Jungfrau im Gladbacher Dreigestirn war.“

Der Popsaenger Seal und das "Supermodel" Heidi  Klum verteilen am Sonntag bei einem Karnevalszug in Bergisch Gladbach Suessigkeiten.

Der Popsaenger Seal und das 'Supermodel' Heidi Klum fahren 2005 im Karnevalszug in Bergisch Gladbach mit.

Turbulent seien unterdessen die Züge gewesen, in denen Heidi Klum mitgefahren sei. „Das war ein Medienrummel ...“, erinnert sich der 77-Jährige.

Auf seinen Abschiedszoch, den er an diesem Sonntag um 13.11 Uhr mit seinem Stellvertreter Heribert Häuser auf den Weg bringen wird, freut er sich schon besonders. Die Wetterprognose verfolgt er akribisch auf einem Internetportal mit dem bezeichnenden Namen „Donnerwetter.de“. „Am Nachmittag soll's trocken werden“, sagt er. So oder so – es wird mit Sicherheit ein beeindruckender Zug werden.

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