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BrauchtumMGV „erheischt“ beim Pfingstsingen in Rommerscheid nach alter Sitte Eier und Schnaps

Lesezeit 4 Minuten
Drei Männer in bergischer blau-roter Tracht mit altem Traktor und Vereinsbanner.

Die „Pingsjonge“ auf Tour durch Rommerscheid. Der MGV feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen.

Der Brauch ist seit 500 Jahren im Bergischen bekannt und endete früher oft mit handfesten Schlägereien - heute geht es friedlicher zu.

Das Pfingstsingen ist ein seit 500 Jahren gepflegter „Heischebrauch“ im Bergischen Land. Damals zogen junge Männer am Pfingstsamstag von Haus zu Haus, um den Pfingstgruß zu überbringen. Gleichzeitig erbaten sie mit einem Heischelied Geschenke, meist rohe Eier und Speck, aber auch Tabak, Wurst oder Geld.

Im Streit um „eigene Bereiche“ lieferten sich die jungen Sänger in früheren Zeiten allerdings oft massive Handgreiflichkeiten und brachten die Tradition so immer wieder in Verruf. Um 1800 erfolgten daher kirchliche Verbote und um 1913 wurde sogar die Androhung von Geldstrafen aufgrund Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung durch die „Polizey“ dokumentiert.

33 „Pingsjonge“ trafen sich, um das Brauchtum lebendig zu halten

Doch trotz dieser Widrigkeiten blieb der Pfingstgruß erhalten und wird heutzutage „durchweg friedlich, meist von Gesangvereinen im gesetzteren Alter“ überbracht. In „seinem“ Ortsteil bewahrt der Männergesangverein Rommerscheid e.V. (MGV) die alte Tradition. Am Pfingstsamstag trafen sich daher 33 „Pingsjonge“ in traditionell bergischer Tracht mit rotem Halstuch und bester Laune vor dem Seniorenheim Margarethenhöhe in Bergisch Gladbach.

„Auf den Tag genau, am 7. Juni vor 100 Jahren, wurde der Gesangverein hier im Haus gegründet“, hatte der Vorsitzende Klaus Rüsing recherchiert. Anlässlich dieses Geburtstags wollte man allen Frauen im Ortsteil eine Rose schenken. Da reichte der übliche Bollerwagen als Transportmittel in diesem Jahr nicht aus. Stattdessen wurde ein Oldtimer-Traktor mit Jubiläumsbanner und Vereinsfahne geschmückt und mit den vielen Blumen für die Damen sowie ausreichend flüssigem Proviant für die Sänger beladen.

Rosen für die Bewohner des Seniorenheims Margarethenhöhe

Vor dem Besuch „wirklich aller Straßen in Rommerscheid“ überbrachte der Chor gegen 15 Uhr seinen Pfingstgruß, dieses Mal mit Rosen, zunächst im Seniorenheim und bedankte sich wie jedes Jahr für hartgekochte Eier. Die deftige Stärkung war im Hinblick auf viele kleine Schnäpse an der Wegstrecke als hochprozentiger Dank für das vorgetragene Liedgut aus alten Jahrhunderten sicher sinnvoll.

Überall stimmte der Vorsänger „He kummen och de Pingsjonge“ an und sein Chor antwortete mit „Feine Rose, Blümelein“, womit das „wackere Mägdelein“ der jeweiligen Adresse gemeint war. „Die Leute freuen sich über die alten Strophen. Wir bekommen dafür auch noch Eier und Speck, öfter aber einen 'Kurzen', Bier oder Geld für unsere Vereinskasse“, so Rüsing.

Dann wurden die Pfannen eingeheizt, um das „Erheischte“ zu verzehren

„Da wohnt der Hausherr, der jedes Jahr einen Ouzo spendiert. Auch die Adresse, wo es den leckeren Haselnussschnaps gibt, ist eingetragen“, stellte ein Sänger mit raschem Blick auf den Ablaufplan fest. „An ganz wenigen Häusern werden schnell die Rollläden heruntergelassen, wenn wir ankommen, aber die meisten Leute warten schon auf uns. Besonders für neu Zugezogene ist unser Pfingstgruß eine schöne Möglichkeit, sich mit der Dorfgemeinschaft bekannt zu machen“, so die Sänger.

Im Turmzimmer der Rommerscheider Kirche heizten ab 22 Uhr fleißige Hände die Pfannen vor, denn für die hungrigen Pingsjonge vom MGV ging der steile Weg hinauf zur Höhe, dann über den „Großen Busch“, die halbe Rommerscheider Straße hinab und wieder zurück, dem Ende entgegen. Wie aus alten Zeiten überliefert, trafen sich die Sänger zum Abschluss des Tages beim Braten und Verzehren von „erheischten Eiern mit Speck“, um danach brauchtumsgemäß mit der eingeladenen Dorfgemeinschaft bis in die frühen Morgenstunden zu feiern.

Pfingstbrauch wird mit moderner Drohne dokumentiert

Mit einem Durchschnittsalter von knapp 60 Jahren zählt sich der 33-köpfige MGV Rommerscheid zu den „Jungspunden“ unter den Chören. Ältere Mitsänger begründen ihre Chormitgliedschaft ganz pragmatisch: „Vor 50 Jahren hieß es auf dem Dorf: Du gehst dahin - basta. Später ist man dann dabeigeblieben.“ Einige Sänger, so um die 40 Jahre alt, haben über ihre Väter den Spaß am Chor als Ausgleich zum Berufsalltag für sich entdeckt, andere sind „einfach so“ neu hinzugekommen.

Dass die digitale Welt auch vor dem bergischen Brauchtum nicht haltmacht, das zeigte die Dokumentation der diesjährigen Veranstaltung: Der Enkel eines „Pingsjonge“ hielt die diesjährige „Jubiläumstour“ per Smartphone gesteuerter Drohne von oben fest. Zusammen findet man im MGV „den richtigen Schwung“, der sich sicher beim Auftritt am 8. November im Bergischen Löwen zum 100-jährigen Jubiläum mit „ganz modernen Songs“ widerspiegeln wird.