Menschen mit einer psychischen Erkrankung, Angehörige und Interessierte reisen durch NRW und klären über mentale Gesundheit auf.
WandernDie Mut-Tour will auch in Bergisch Gladbach das Verständnis für Depressionen stärken

120 Kilometer wandern die Teilnehmenden von Bochum bis nach Bonn.
Copyright: Christopher Arlinghaus
In den letzten Jahren bekommt das Thema der psychischen Gesundheit immer mehr Aufmerksamkeit. Berühmte Personen wie Lady Gaga oder Ed Sheeran sprechen offen über ihre Erkrankungen, auf Social Media wird sich in Kommentarspalten über eigene Erfahrungen ausgetauscht. Trotzdem treffen Menschen, die psychisch erkrankt sind, noch immer auf Unverständnis. „Man hört oft: Stell dich nicht so an oder das Wetter ist so schön heute, geh doch mal raus, dann geht es dir besser“, erzählt Oliver Raue. Der 48-Jährige hat Depressionen, kämpft mit Antriebslosigkeit und fühlt sich oft erschöpft. Seinen Umgang damit hat er unter anderem im Wandern gefunden, genauer gesagt bei der Mut-Tour.
Im Rahmen der Mut-Tour wandern oder fahren Menschen mit einer psychischen Erkrankung, Angehörige und Interessierte unter dem Motto „Selbsthilfe in Bewegung“ mit dem Rad quer durch Deutschland. Es geht darum, Raum für Begegnungen und Gespräche zu schaffen, Berührungsängste und Vorurteile abzubauen. Seit vergangenem Jahr gibt es ein neues Format im Rahmen der Mut-Tour: die Mut-Wanderung. In Etappen legen Teilnehmende rund 120 Kilometer zurück – dieses Jahr von Bochum bis nach Bonn.
Gerade für Betroffene ist die Teilnahme an der Tour ein großer Schritt, sie kostet oftmals viel Überwindung.
Gestern startete die Wandergruppe in Bergisch Gladbach am Papierbrunnen. Ihr Ziel: Der Kölner Dom, mit kleinen Zwischenstopps am Wiener Platz und Kölner Zoo. „Die Landschaft im Bergischen ist wunderschön“, erzählt Elisa Heidenreich, die gemeinsam mit Michaela Göddenhoff die Tourleitung übernimmt. Die 37-Jährige sei selbst nicht von einer psychischen Erkrankung betroffen, wolle aber helfen, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken und sich mit Betroffenen stärker auseinandersetzen.
Das Wandern helfe dabei, sagt sie. „Die Gespräche fühlen sich anders an als die, die man am Küchentisch führt.“ Und man komme mit Menschen ins Gespräch, die man sonst nicht treffen würde. „Gerade für Betroffene ist die Teilnahme an der Tour ein großer Schritt, sie kostet oftmals viel Überwindung.“ Je nach Etappe und Wetter kämen ein bis 23 Wandernde dazu, das Publikum sei gemischt. Gelaufen wird von 10 bis 17 Uhr, um Verpflegung und Übernachtung müssen sich die Mitwandernden selbstständig kümmern.
Ich habe auch Zeit gebraucht, um selbst offen über meine Depression zu sprechen. Aber der Austausch mit anderen auf der Mut-Tour hat mir dabei geholfen.
„Die Wanderung ist für mich ein großer Schatz, sie ist unglaublich wertvoll“, erzählt Raue, der schon zum zweiten Mal dabei ist. Seit über zehn Jahren habe er Depressionen, die in Episoden aufträten. Auch aktuell seien sie wieder Thema. „Das Wandern hilft mir“, sagt er. „Mich mit anderen Betroffenen auszutauschen und Angehörigen zu zeigen, wie sie helfen können.“ Zum Beispiel Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht alleine zu lassen, ihnen das Gefühl zu geben, verstanden zu werden. Von der Gesellschaft wünsche Raue sich mehr Toleranz und einen offeneren Umgang mit dem Thema. „Ich habe auch Zeit gebraucht, um selbst offen über meine Depression zu sprechen. Aber der Austausch mit anderen auf der Mut-Tour hat mir dabei geholfen.“
Heute macht sich das Team der Mut-Wanderung im Rahmen der diesjährigen Tour ein letztes Mal auf den Weg. Wer mitwandern möchte, kann um 11 Uhr in Wesseling am Bahnhof oder um 14 Uhr an der St. Margareta Kirche in Bonn dazustoßen. Ziel ist der Münsterplatz in Bonn.