Polizei Rhein-Berg ermitteltDubiose Pflegeberater aus der Schweiz machen Kasse

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Geldbörse geöffnet mit Scheinen dpa

(Symbolbild)

Bergisch Gladbach – Nach ihren Erfahrungen mit dem dubiosen „Pflegeberatungsdienst“, der sich bei ihr gemeldet hatte, war Rentnerin Erna G. aus Schildgen erst einmal geschockt. Ungefragt, so berichtet die 86-jährige Bergisch Gladbacherin, habe das Unternehmen bei ihr angerufen und behauptet, dass sie einen Anspruch auf 6000 Euro zusätzlicher Leistungen der Sozialversicherung habe.

Bis dann die dicke Rechnung kam: Sie solle 129 Euro für die „Beratungsdienstleistung“ überweisen, sonst werde man die Sache einem Inkassobüro übergeben. Jetzt ermittelt die Bergisch Gladbacher Polizei wegen Betruges gegen die offenbar bundesweit aktiven „Berater“.

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Mahnschreiben aus der Schweiz (Ausriss).

Denn Parkinson-Patientin Erna K., die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, war entsetzt und rief die Polizei an. „Die waren richtig toll, haben mit sogar einen Streifenwagen geschickt, damit ich zu Hause Anzeige erstatten konnte und nicht in die Stadt fahren musste“, schildert sie ihre Erfahrung mit den Ordnungshütern. Von ihrer Krankenkasse erfuhr die Seniorin überdies, dass sie gar keine weiteren Leistungen zustünden als die, die ihr bereits gewährt worden seien.

Abzocke älterer Menschen als Geschäftsmodell

Kranke und ältere Menschen hinters Licht zu führen, um sie dann abzuzocken: Wer das zu seinem Geschäftsmodell macht, kann aus moralischer Sicht kaum noch tiefer sinken. Ob diese Art von Bereicherung auch strafrechtlich von Bedeutung ist, wird sich noch erweisen müssen. Verbraucherschützer warnen in diesem Sommer eindringlich vor derartigen Machenschaften.

So benennen die Verbraucherzentralen in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg konkret eine Schweizer Firma, die laut der Stuttgarter Verbraucherschützer „ältere Menschen anruft, ihnen Beratungsdienstleistungen anbietet und vorgibt, sie dabei unterstützen zu wollen, die ihnen zustehenden Leistungen der Pflegekasse zu beantragen oder zu erhalten". Nach dem Telefonat komme meist eine Rechnung über eine „Servicegebühr“ von 129 Euro.

Verbraucherschützer warnen bundesweit

Die Verbraucherschützer in Kiel sprechen offen von einer „Betrugsmasche“ und ihre Düsseldorfer Kollegen weisen darauf hin, dass das Telefonat von Seiten der Schweizer Firma mitgeschnitten werde, sobald die Angerufenen aufgefordert würden, sich mit der Übersendung einer „Pflegebox mit Informationen“ zu einem Preis von 129 Euro oder 99 Euro einverstanden zu erklären.

Die NRW-Verbraucherschützer: „Betroffene sollten den telefonischen Vertrag unbedingt innerhalb von 14 Tagen widerrufen – auch wenn sie glauben, keinen Vertrag abgeschlossen zu haben.“ Eine kostenpflichtige Beratung sei ohnehin nicht erforderlich: „Alle Menschen, die gesetzlich kranken- und pflegeversichert sind, haben einen Anspruch auf eine kostenfreie, neutrale und individuelle Pflegeberatung.“

Drohung mit „Inkassodienst“

Auf das Schreiben ihrer Nepp-Firma hat auch Erna G. umgehend reagiert: Ihr Neffe ist als Rechtsanwalt tätig und hat sie beraten. Andere Angerufene haben dieses Glück vermutlich nicht, reagieren womöglich bei dem Wort „Inkassodienst“ eingeschüchtert und zahlen.

Solche Leidensgenossen hat Erna G. im Sinn, als sie der Redaktion vorschlägt, über ihren Fall zu berichten. Polizeisprecher Christian Tholl bestätigt den Vorfall in Schildgen auf Anfrage. Anzeige sei erstattet worden, die Polizei habe Betrugsermittlungen gegen die Firma aufgenommen.

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