Raumnot am Gymnasium HerkenrathGewerkschaft wirft Stadt Bergisch Gladbach Versagen vor

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Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Herkenrath in Bergisch Gladbach sitzen in einem Gang.

Im Gymnasium Herkenrath in Bergisch Gladbach ist Raumnot jetzt schon groß: In den Pausen müssen sich die Schüler in einem Gang ohne Sitzmöglichkeiten aufhalten.

Die Lehrergewerkschaft GEW sieht die Stadtverwaltung Bergisch Gladbach in der Pflicht, am Gymnasium Herkenrath, dem einzigen Bündelungsgymnasium in Rhein-Berg, Platz für die künftige Extrastufe zu schaffen. Damit stellt sich die GEW auf die Seite der Schüler.

Bei ihrer Forderung nach zusätzlichen Räumen erhalten die Schüler des Gymnasiums Herkenrath Unterstützung von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Es ist beschämend, dass die Stadt ihre Verantwortung nicht übernimmt“, sagt Heribert Schmitt von der GEW-Fachgruppe Gymnasien.

GEW wirft der Stadt Bergisch Gladbach Unkenntnis vor

Die Schule sei jetzt schon „am Rande, was geht“, betont Schmitt, der die Platznot vor Ort aus eigenem Erleben kennt. Er ist Lehrer am Gymnasium. Am Beispiel Herkenraths werde deutlich, dass die Stadt nicht gewillt sei, ihrer Verpflichtung nachzukommen, dem einzigen sogenannten Bündelungsgymnasium in Rhein-Berg die notwendige räumliche Ausstattung bereitzustellen. Stattdessen werde der erhöhte Raumbedarf als ein von der Schule zu verantwortendes Problem dargestellt: „Das geht zulasten der Schülerinnen und Schüler, auf Kosten der Kinder in der Stadt“, kritisiert Schmitt.

Wie berichtet, wird es in Herkenrath im kommenden Schuljahr 2023 in Sachen Raumnot richtig schlimm: Denn nur hier wird eine Extra-Stufe aufgemacht, in die Seiteneinsteiger wie Realschüler sowie Wiederholer gehen können, um Abitur zu machen. Anlass für die Übergangslösung ist die Umstellung von G8 auf G9.

Das geht zulasten der Schülerinnen und Schüler, auf Kosten der Kinder in der Stadt.
Heribert Schmitt, GEW-Fachgruppe

Die Sichtweise der Stadtverwaltung, die Lösung der Raumfragen liege in den Händen der Schule, lässt Schmitt nicht gelten – auch wenn sich das Gymnasium aktiv für diese Aufgabe beworben hatte: „Solche Äußerungen zeigen die Unkenntnis und die mögliche Überforderung der Kommune als verantwortungsvoller Schulträger“, argumentiert Schmitt mit den Vorgaben im Schulgesetz, Paragraf 78f. Demnach sind die Schulträger verpflichtet, „die für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel bereitzustellen und zu unterhalten.“

Die Schulleitung rechnet mit 80 bis 140 zusätzlichen Schülern

„Die pädagogische und schulinterne Organisation obliegt der Schulleitung“, sagt dagegen Stadtsprecher Martin Rölen und betont, die Verwaltung habe beim Gymnasium im Herbst 2021 sehr konkret nachgefragt, ob für die Aufgabe dort genügend Raum zur Verfügung stehe.

Dies bestätigte Schulleiter Dieter Müller im Gespräch mit dieser Zeitung: „Wir haben das kalkuliert und bekommen das hin.“ Einzelne Räume müssten etwa von Fachräumen für Erdkunde oder Geschichte zu normalen Klassenzimmern umgenutzt werden. Die Schulleitung rechnet mit 80 bis 140 zusätzlichen Schülern im kommenden Jahr. Genaue Zahlen liegen aber erst im Frühjahr vor.

Die Oberstufen-Schüler am Gymnasium Herkenrath in Bergisch Gladbach müssen in den Pausen in einem kleinen Raum eng zusammenrücken.

Für die Oberstufe mit 400 Schülern gibt es am Gymnasium Herkenrath in Bergisch Gladbach nur zwei kleine Räume.

Die Abstimmung mit der Bezirksregierung ist inzwischen abgeschlossen. Auch von dort sei das Bündelungsgymnasium Herkenrath mit dem jetzt zur Verfügung stehenden Raum genehmigt worden, berichtet Rölen. Aber: Es gibt   den Hinweis, „dass die Stadt als Schulträger alles versuchen sollte, um weiteren Raum für das Gymnasium zu schaffen.“

In den Pausen müssen die Schüler auf dem Fußboden sitzen 

Das sieht auf dem ersten Blick nach einem kleinen Hoffnungsschimmer für die Schüler aus. Sie fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen. Denn seit Jahren fehlen Aufenthaltsräume für Freistunden und Pausen. „Ein einziger Klassenraum für 400 Oberstufen-Schüler ist zu wenig“, heißt es in einem der drei Beschwerdebriefe der Schülerschaft an die Stadtverwaltung.

Die pädagogische und schulinterne Organisation obliegt der Schulleitung.
Martin Rölen, Sprecher der Stadt

Wie die Schüler der Oberstufe müssen auch die Kinder aus der Unterstufe in den Pausen auf dem Boden in den Gängen sitzen oder ganz draußen bleiben – egal ob es regnet oder schneit. Die Mensa ist regelmäßig überfüllt. Der Bitte der Schüler in ihren Beschwerdebriefen nach einer provisorischen, schnellen Lösung in Form von Containern erteilte die Verwaltung gegenüber dieser Zeitung zuletzt eine Absage.

Die Platznot ist typisch an allen Gymnasien in Bergisch Gladbach

Dafür kündigt die Verwaltung nun an, bei einem Vor-Ort-Termin die Möglichkeiten der Brandschutzertüchtigung erneut zu prüfen. In der Vergangenheit sei dies schon einmal thematisiert worden, „aber aus baufachlichen Gründen für nicht möglich erachtet worden.“ Auf den zweiten Blick also eher doch kein Ausweg. Denn der Umbau würde Zeit kosten. Zeit die fehlt.

Dabei ist das Gymnasium Herkenrath kein Extrembeispiel. Die Platznot ist typisch für alle Gymnasien im Stadtgebiet. Dabei hätte die Stadt spätestens 2018 vorgewarnt sein müssen, als die politische Entscheidung zur Rückkehr zu G9 getroffen wurde. Denn durch den zusätzlichen Jahrgang steigt der Raumbedarf ab 2026 an allen Gymnasien. Der Platzmangel wird sich überall weiter verschärfen. Schmitt von der GEW sagt: „Das ist wirklich ein Armutszeugnis und zugleich ein Offenbarungseid in Sachen verantwortungsvoller Weiterentwicklung der Schulen in Bergisch Gladbach.“

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