ProzessTrickdieb in Gladbach vor Gericht: Statt Speckgürtel Ossendorf

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ARCHIV - 06.01.2008, Nordrhein-Westfalen, Köln: Eine Mauer mit Wachtürmen der Justizvollzugsanstalt in Köln-Ossendorf.

Eine Mauer mit Wachtürmen der Justizvollzugsanstalt in Köln-Ossendorf.

Ein Armutsflüchtling hat eine vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtete Mutter mit Baby in Gladbach bestohlen. Jetzt stand er vor Gericht. 

Manchmal fällt es dem Zuschauer im Strafprozess schwer, innerlich nicht Partei zu ergreifen. Oft gehören die Sympathien dem Opfer, gelegentlich freut man sich aber auch mit dem Täter, wenn der beispielsweise angesichts seiner besonders schwierigen Lebensumstände ein mildes Urteil bekommt.

Manchmal ist man am Ende aber auch ratlos: Was hält man von einem Armutsflüchtling, der es von Nordafrika über Spanien bis nach Bergisch Gladbach schafft, hier aber mit Trickdiebstählen seine Kokainsucht finanziert und sich dann ausgerechnet eine vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflüchtete junge Mutter mit Baby als Opfer aussucht?

Ich mag Deutschland und möchte hier arbeiten
Der Angeklagte vor Gericht

Der 27-jährige Ahmed G. (Namen geändert) sitzt seit dem 12. August 2023 wegen diverser Straftaten in der JVA Köln. „Ich mag Deutschland und möchte hier arbeiten“, sagt er im Prozess und er wisse auch, dass er Probleme verursacht habe und bereue das sehr.

Die Probleme waren neben diversen Trickdiebstählen in Nahverkehrszügen in Köln und Bonn insbesondere eine aus dem Rahmen fallende Tat auf der Kalkstraße in Bergisch Gladbach. Gemeinsam mit einem Komplizen soll er versucht haben, das Handy der aus der Ukraine nach Deutschland geflüchteten Psychologin Tamara G. (35) zu stehlen.

Polizei nimmt zwei Verdächtige fest

Doch die junge Frau merkte, wie das Telefon aus der Tasche geholt wurde und das Sommerkleid auf einmal leichter wurde und rief um Hilfe. Ihr Ehemann Wladimir (33), in der Heimat als Manager tätig, stürmte hinzu.

Laut Anklage kam es zu einem Handgemenge, einer der beiden Täter wendete Gewalt gegen den Mann an und riss seine Uhr vom Handgelenk, dann waren die beiden Täter zunächst weg, doch der Polizei gelang es, sie aufzuspüren und festzunehmen.

Flucht über das Mittelmeer

Aus der vorläufigen Festnahme wurde Untersuchungshaft wegen versuchten Raubes – und die dauerte und dauerte. Während der Komplize in Köln wegen Trickdiebstahls bestraft wurde, machte die Justiz Ahmed G. in Bergisch Gladbach den Prozess wegen Raubes. Immerhin hat der junge Ganove die lange Zeit in der Untersuchungshaft sinnvoll genutzt, hat einen Kokain-Entzug geschafft und angefangen, Deutsch zu lernen.

In seinem Prozess berichten er und sein Verteidiger Udo Klemt ein wenig über seinen Werdegang. Wie er in Nordafrika aufwuchs, wie er es dann mit dem Boot übers Mittelmeer nach Alicante in Spanien schaffte, wo er sich nicht die Zähne, sondern den Kiefer wiederherstellen ließ, der ihm in der Heimat im Zuge einer Auseinandersetzung mehrfach gebrochen worden war. Er pendelte von Spanien nach Deutschland, zurück nach Spanien und dann wieder nach Deutschland – und klaute arglosen Reisenden die Handys aus den Taschen.

Angeklagter bleibt in Haft

In seinem Gladbacher Prozess rettet ihn am Ende eine Verwechselung: Es ließ sich nicht mehr eindeutig aufklären, wer von den beiden Tätern gewalttätig geworden war – der bereits in Köln wegen Diebstahls verurteilte oder der in Gladbach Angeklagte. Und so schrumpfte der angeklagte Raub zum gemeinschaftlichen Diebstahl.

Für die diversen übrigen Taten, darunter auch ein Lebensmitteldiebstahl im Supermarkt, verhängte das Gericht am Ende ein Jahr Haft auf Bewährung. Auf freien Fuß kam der Angeklagte trotzdem nicht: Es liegen weitere Haftbefehle vor.

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