Richterin streitet mit AnklägerUntreue-Prozess in Gladbach wird „terminlos“ vertagt

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Das Amtsgericht in Bergisch Gladbach.

Bergisch Gladbach – Eine 900.000-Euro-Untreue-Anklage aus Gründen der Verfahrensökonomie gegen 10.000 Euro Buße einstellen? Das erscheint dem jungen Kölner Staatsanwalt im Bensberger Schöffengericht bei aller Arbeit unvertretbar und er verweigert seine Zustimmung – trotz wachsender Verärgerung der erfahrenen Schöffengerichts-Vorsitzenden Birgit Brandes.

Lange geht die Diskussion zwischen Richterin und Ankläger hin und her, und auch Strafverteidiger Dr. Karl-Christoph Bode steuert eine grundsätzliche Anmerkung bei: Es sei ja gut, wenn der Staat wachsenden Verfolgungseifer an den Tag lege. Aber dann müsse er die Justiz auch entsprechend personell und materiell ausstatten. Einer Einstellung gegen Buße, so Bode, würde im Übrigen wohl auch sein Mandant zustimmen – der gar nicht erst zu der Verhandlung erschienen ist.

Vorwurf: Veruntreuung bei Rhein-Berger Unternehmen

Aber aus den im Raum stehenden 10.000 Euro, die der aus dem Iran stammende 55-jährige Geschäftsmann Reza G. (Name geändert) zahlen müsste, wird ja nun nichts, weil der Staatsanwalt nicht will. „Dann sehen wir uns eben im März oder April wieder. Vorher habe ich keine Termine mehr frei“, beendet Richterin Brandes die Debatte, kündigte aber auch an, noch einmal mit dem zuständigen Anklageverfasser in Köln zu reden. Offiziell ist das Verfahren jetzt erst einmal „terminlos “ gestellt.

Aus ihrer Sicht hat Brandes, Vize-Chefin im Amtsgericht, gute Gründe für eine sanfte Lösung. Der Angeklagte ist ein iranischer Staatsbürger, der von einem in Rhein-Berg ansässigen Unternehmen Gelder veruntreut haben soll. Die Firma gehört im Wesentlichen einem anderen iranischen Geschäftsmann.

Rückzahlung schon in Zivilverfahren geklärt

Unter anderem soll Reza G. untreuerweise 125.000 Euro für einen standesgemäßen Porsche ausgegeben haben, aber auch ein halbes Dutzend weiterer Rechnungen über die Firmenkasse falsch beglichen haben. Das alles steht in einer dürftigen Strafanzeige, die nach Einschätzung der Richterin eher Beiwerk zu einem zivilrechtlichen Streit war.

Denn vorgeschaltet zum Bensberger Strafverfahren hat es aber bereits ein Zivilverfahren gegeben. In erster Instanz hat das Kölner Landgericht und in zweiter rechtskräftig auch das Oberlandesgericht Reza G. zur Rückzahlung verdonnert.

Angeklagter spricht von Absprache mit Eigentümer

Strafrechtlich ist die Sache damit aber längst noch nicht klar. Denn im Zivilprozess gilt anders als im Strafverfahren eine Beweislast-Umkehr: Im Zivilprozess hätte der jetzt Angeklagte beweisen müssen, dass er die angegriffenen Transaktionen mit Wissen und Billigung des Firmeneigentümers vorgenommen hat.

Das konnte er nicht, es schwebte immer nur die unbewiesene Behauptung im Raum, dass alles abgesprochen war und dass die ganze rheinisch-bergische Firma eh nur dem Zweck diente, den Grundstücks-Geschäften des Eigentümers im Iran zu dienen. Im Strafprozess muss dagegen die Schuld bewiesen werden.

Staatanwaltschaft will mögliche Zeugenaussagen hören

Aus der zivilrechtlichen Vorgeschichte hat Richterin Brandes, früher lange selbst Zivilrichterin, die Prognose abgeleitet, dass am Ende nur Aussage gegen Aussage stehen werde und man das Ganze auch direkt mit einer Geldbuße beenden könne, statt sich womöglich tagelang mit Geschäftsunterlagen aus und Geschäftssitten in fernen Ländern zu befassen.

Das sieht der Staatsanwalt bis zum Schluss anders: „Wir sollten die möglichen Zeugen hören. Vielleicht können wir uns daraus ja doch ein Bild machen.“ Der junge Ankläger telefoniert sogar noch einmal mit dem Anklageverfasser. Der aber überlässt ihm die Entscheidung, man könnte auch sagen: den schwarzen Peter.

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Und so wendet sich der Staatsanwalt in der Form vollendet, in der Sache aber knallhart an die Richterin: „Auch wenn Sie eine viel größere Weitsicht haben und die Akten viel besser kennen: Einer Einstellung kann ich so nicht zustimmen.“

Die Juristin fügt sich in ihr Schicksal, nimmt aber kein Blatt vor den Mund: „Ich mach das hier noch maximal zwei Jahre. Aber so lange kann ich das ja nicht liegen lassen.“

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