Ausgeflippt an Karneval18-Jähriger muss Sozialstunden leisten

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Kampftrinken an Karneval: Der ungewohnte Alkohol macht mutig im falschen Moment.

Kampftrinken an Karneval: Der ungewohnte Alkohol macht mutig im falschen Moment.

Bergisch Gladbach/Kürten – Wenn es um Jugendunruhen in den Vororten geht, spricht der Engländer von „Slum Suburbs“ und der Franzose von „Banlieues“. Und der Bergische? Der hat keine Jugendunruhen in den Vororten. Außer an Weiberfastnacht in Bechen und Voiswinkel.

Einer dieser Unruhestifter stand jetzt wegen Widerstandes und Beleidigung vor Gericht. Dabei ist Daniel L. (Namen geändert) kein „Ghetto Kid“. Sondern ein 18-jähriger Abiturient aus gutem Haus. Wohnhaft in Odenthal-Voiswinkel und auffällig geworden in Kürten-Bechen.

Plastikfesseln und 1,4 Promille

Der Essener Polizeikommissar Niklas P. (24) war am 20. Februar 2020 mit einer Hundertschaft aus der 85 Kilometer entfernten Ruhrmetropole nach Bechen gereist, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Treffpunkt der trinkenden Jugend war wie immer der Raiffeisenmarkt, und zu tun gab es alle Hände voll. Gegen 17.45 Uhr wurde die Polizei zum Rewe gerufen. Während die Beamten die Situation klärten, gesellte sich der reichlich betrunkene Daniel dazu und gab seine Kommentare ab. Kommissar P. erteilte ihm einen Platzverweis und schob ihn, als er nicht reagierte, zusammen mit einem Kollegen weg.

Daniel flippte aus, spuckte in Richtung der Ordnungshüter. Er schrie „Sch...-Bullen“ und „Bastarde“. Es bekam ihm aber nicht gut: Die Beamten brachten ihn zu Boden. Widerstand war zwecklos, Daniel versuchte trotzdem, seine Hände wegzuziehen. Er zog aber den Kürzeren und bekam Plastikfesseln angelegt. Ein Alkoholtest ergab 1,4 Promille.

Schriftliche Entschuldigung

Später am Abend ging Daniel, immer noch betrunken, zur Polizei, um sich über die Behandlung zu beschweren. Als er aber anderntags wieder nüchtern war, kam er ins Grübeln und suchte das Gespräch mit einem gleichaltrigen Polizisten aus seinem Dorf. Der eröffnete ihm die Perspektive der Polizisten. Im Gespräch mit einem Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe schließlich entstand die Idee, sich bei den Beamten schriftlich zu entschuldigen.

„Ich freue mich darüber“, bewertete Kommissar P. als Zeuge vor Gericht dieses Schreiben, dem sich im Prozess auch noch eine mündliche Bitte um Entschuldigung anschloss. Der Polizist trat in Zivil auf, war in seinem Jeans-Outfit vom Angeklagten kaum zu unterscheiden. Der Kommissar räumte ein: „Ich trinke auch mal gerne am Wochenende. Und ich habe auch nichts dagegen, Karneval zu feiern.“

Respekt vor der Polizei

Aber Verhältnisse wie an Weiberfastnacht in Bechen seien extrem unangenehm. „Wir haben um 8 Uhr morgens angefangen und hatten um 22 Uhr Schluss.“ Der junge Beamte: „Egal, wie viel ich trinke, ich habe immer Respekt vor der Polizei.“ Respekt für die Polizei: den forderte auch Richter Sellmann. Man könne über das Verhalten des Angeklagten nicht einfach wegsehen, es müsse geahndet werden.

„Unterste Kiste“ sei es gewesen. Daniel solle die Finger vom Alkohol lassen, wenn er damit nicht umgehen könne oder zu jung sei. Es sei unglaublich, dass sogar Bereitschaftspolizei nach Bechen kommen müsse. „Die Polizei ist zu unser aller Schutz da“, redete Sellmann dem Angeklagten ins Gewissen. „Stellen Sie sich vor, dass Sie mal Hilfe brauchen.

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Dann kann die Polizei nicht hingehen und sagen »Ach nein, der hat uns doch mal bespuckt und beleidigt.«“ Er entließ Daniel mit der Auflage, noch vor den Abiturprüfungen 20 Sozialstunden abzuleisten.

Daniel nahm das Urteil sofort an.

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