Mit Video von GeneralprobeNeuer Männerchor in Marialinden singt sein Lied „Laut aber schief“

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Ein Chor junger Männer hat sich zum Gruppenbild vor dem Landgasthof Haus Altenrath in Overath-Marialinden aufgestellt.

Mehr als 90 Stimmen hat der gerade mal vor sechs Wochen gegründete Männerchor „Laut aber schief“ bereits. Geprobt wird im Saal Altenrath in Overath-Marialinden.

Wie über 90 Männer innerhalb von nur sechs Wochen den Chorgesang für sich entdecken und einen der größten Chöre der Region aufbauen.

Marialinden In einem Männergesangverein zu singen? Das hätte sich Thiemo Steinbach (37) nie träumen lassen. Jetzt singt er in einem Männerchor. Und in was für einem. Zusammen mit mehr als 90 weiteren Männern zwischen Mitte 20 und Mitte 60. Erst vor sechs Wochen wurde der Chor gegründet, dessen Mitglieder am Mittwochabend im Saal Altenrath zur Generalprobe für den ersten Auftritt eintrudeln.  

Thorsten Traugott sing mit Mikro ein Solo vor dem Chor „Laut aber schief“ in Marialinden.

Thorsten Traugott (am Mikro) hat den Männerchor „Laut aber schief“ mitgegründet.

Landgasthof-Inhaber Dieter Schmitz hat dem neuen Chor spontan den Raum des Traditionschors angeboten, der Ende des Jahres mangels Nachwuchs aufhört. Zum Proben ist der gleichwohl viel zu klein. So dürfen die Sänger des neuen Männerchors im großen Festsaal mit Bühne proben. Angesichts von bald 100 Sängern hat der neue Männerchor noch vor seinem ersten Auftritt am kommenden Samstag einen Aufnahmestopp eingelegt.

„Eigentlich wollten wir nur mal wieder abends regelmäßig gute Freunde treffen und einen Anlass dafür haben – und Singen verbindet einfach“, sagt Thorsten „Bosse“ Traugott. Der 50-Jährige, der als Manager bei einem international agierenden Unternehmen arbeitet, hat den Chor mit aus der Taufe gehoben. „Viele wollten immer mal auf einer Bühne stehen, hatten aber keine Stimme dafür“, erklärt er augenzwinkernd, warum ein traditioneller Chor für ihn selbst unerreichbar schien.

Die Gruppe macht die Musik.
Thorsten „Bosse“ Traugott, Chromitbegründer

Bei der Neugründung ist das anders. „Wir sind viele. Und: Die Gruppe macht die Musik“, sagt Traugott und begrüßt die nächsten zur Probe eintreffenden Sänger. Alle tragen perfekt sitzende Chorkleidung. Kein Sakko mit Krawatte, sondern Baseball-Jacken mit passenden   Caps. Der Name des Chors steht groß auf dem Rücken: „Laut aber schief“. Wie war das? Die Gruppe macht die Musik! Und was in den kommenden zwei Stunden zu hören sein wird, ist beachtlich . . .


Premiere in Overath-Marialinden

Seinen ersten Auftritt hat der neue Chor „Laut aber schief“ am kommenden Samstag, 16. Dezember 2023, 18 Uhr, bei der Veranstaltung „Advent am Dom“ auf dem Kirchplatz in Overath-Marialinden. 


„Die Idee zu unserem Männerchor entstand, als wir bei ,Jeck im Sunnesching' den Kölner Männerchor ,Grüngürtelrosen' gehört haben“, erzählt Florian „Hubi“ Hubertus, bevor's mit der Generalprobe losgeht. Der 36-jährige selbstständige Finanzcoach gehört ebenso zum Orga-Team wie „Bosse“, Guido „Mücke“ Dahm, Andreas „Klötzchen“ Baßin, und Steffen Rockel.

Nach Konzert mit „Grüngürtelrosen“ selbst einen Männerchor gegründet

Nach dem „Jeck im Sunnesching“-Konzert riefen sie Freunde an, um – inspiriert von „Kölns schrägstem Männerchor“ und den noch früher gestarteten Hamburger „Goldkehlchen“ – selbst einen Männerchor zu gründen.

Thomas Wagner dirigiert den Chor „Laut aber schief“ bei der Generalprobe im Saal Altenrath von Overath-Marialinden.

Thomas Wagner dirigiert den Chor „Laut aber schief“ bei der Generalprobe im Saal Altenrath von Overath-Marialinden.

„Und wenn dann am Telefon jemand gesagt hat: Ich kann doch gar nicht singen“, erinnert sich Florian Hubertus, „dann haben wir nur nachgefragt: Aber du bist doch laut? Wenn dann ein ,Ja' kam, war klar: Dann bist du genau richtig bei uns.“

Kölner „Herrengedeck“  unterstützt den neuen Männerchor

Quasi über Nacht waren die ersten 70 sangeswillige Männer zusammen. Einige kennen sich vom Fußballspielen beim TuS Marialinden. „Wir sind einige Fußballer, die heute zu langsam oder verletzt sind – beim Singen spielt das aber ja keine Rolle“, sagt Thorsten Traugott und lächelt. „Vor fünf Wochen hatten wir die erste Probe, wir hatten einen Namen und dazu eine Unterzeile: Aus Spaß an der Freude.“

Ein Mann zapft Kölsch und reicht es einem anderen auf die Bühne von Haus Altenrath in Marialinden.

Die Stimmen des Männerchors „Laut aber schief“ werden bereits während der Probe „geölt“.

Unterstützung gab's umgehend von niemand Geringeren als den Kölner „Herrengedeck“-Künstlern Volker Weininger, J. P. Weber und Martin Schopps, mit denen Traugott in einem weiteren beruflichen Engagement zu tun hat.

Zum Auftakt singen die Männer „In der Weihnachtsbäckerei“

„Alle mal herhören“, erhebt Traugott die Stimme. Das Gemurmel auf der Bühne verstummt. „Heute ist Generalprobe.“ Traugott geht die Lieder durch: Der „Stammbaum“ von den Bläck Fööss ist dabei, „Extreme“ von Roland Kaiser ebenso wie „Ein Traum“ von Sänger Axel Bosse, „Tommi“ von „AnnenMayKantereit“ und natürlich der auf den eigenen Chor umgetextete Sacro-Pop-Song, der einiges erklären soll.

Ein Weihnachtsbaum steht auf einer Bühne, daneben steht ein Männerchor uns singt.

Am Samstag hat der erst sechs Wochen alte Männerchor „Laut aber schief“ seine Premiere bei „Advent am Dom“ in Marialinden.

Thorsten Traugott startet die Musik, die leise zur Melodieführung im Hintergrund läuft. Die Männer schauen zur Leinwand mit dem Text und setzen mit dem Eröffnungslied ein: „In der Weihnachtsbäckerei . . .“ Thomas Wagner aus Marialinden gibt die Einsätze. Er ist für den verhinderten Chorleiter   Eddie Leo Schruff („Deutsche Stimme 2003“) eingesprungen. „Habe ein bisschen musikalische Erfahrung“, sagt er.

Kräftigste Stimmen wurden in den Sängerblöcken auf der Bühne verteilt

Kräftig klingen die Männerstimmen. Bei einer vorigen Probe haben die Organisatoren die kräftigsten in den Stimmblöcken über die gesamte Chorbreite verteilt – für den runderen Gesamtklang. Ob sich noch jemand unwohl fühle mit der „Weihnachtsbäckerei“, will Thorsten Traugott nach dem ersten Probedurchlauf wissen. Die Männer schütteln den Kopf. „Ist ein guter Marsch“, meint einer.

Ein Mann mit Mikro singt ein Solo vor dem Männerchor „Laut aber schief“.

Auch Florian „Hubi“ Hubertus gehört zum Orga-Team des Männerchors „Laut aber schief“.

Gut eine Stunde nach Probenbeginn – das vierte Bierfässchen ist im Anschlag und der Spender fürs nächste   längst gefunden – geht's im Generalprobendurchlauf auf die Zielgerade: Thomas Wagner greift zur Gitarre, spielt einen Akkord zum „Einsummen“. Dann geht's los mit dem ersten eigenen Text „Laut aber schief“ auf das moderne Kirchenlied „Laudato si“. Die Premierengäste dürften staunen. Und das ist längst nicht die einzige Überraschung, die der junge Männerchor für seinen Debüt-Auftritt am Samstag vorbereitet hat.

„Wir sind gespannt, wie's ankommt“, sagt Thorsten Traugott in der Pause beim Gruppenfoto vor der Tür, bevor der Chor kurz ein paar Zeilen singt. An den erleuchteten Fenstern des Veranstaltungssaals auf der anderen Straßenseite laufen die Menschen zusammen, von Balkonen im Nachbarhaus kommt Applaus. Seit Wochen gibt's beim Sport wie im Supermarkt und auf der Straße in Marialinden vor allem ein Thema: „Laut aber schief“. Am Samstag kann jeder erleben, wie die Sänger auch auf der Bühne ankommen.


Vorbilder und Vorgänger

Die „Hamburger Goldkehlchen“ waren 2016 die ersten, die eine neue Art von Männerchören gründeten. Spaß und Leidenschaft stehen bei ihnen im Fokus, nicht unbedingt Talent. Ähnlich unterwegs sind die Kölner „Grüngürtelrosen“, nach eigenen Angaben „Kölns verrücktester Männerchor“. Und seit sechs Wochen „Laut aber schief“ – in Overath-Marialinden. Das heißt allerdings nicht, dass die Sänger nicht ambitioniert wären. Im Gegenteil: Der neue Marialindener Männerchor bewirbt sich gerade bei Sänger Axel Bosse, der für seine nächste Tournee Chöre sucht, die ihn auf der Bühne begleiten.

In traditionelle Männerchöre haben sich viele Sänger des neuen Chors „Laut aber schief“ nie getraut, wie sie sagen. Ihre Stimme sei dafür nicht gut genug. Und so haben sich auch in Rhein-Berg in den vergangenen Jahren einige Chöre mangels Nachwuchs aufgelöst – nun entsteht auf ganz andere Art Neues. (wg)

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