Die Leiterin der VHS Bergheim, Dr. Ute Bermann-Klein, spricht im Interview über die Geschichte und die Herausforderungen der vhs Bergheim.
50 Jahre VolkshochschuleLeiterin der VHS Bergheim: „Wir benötigen Weiterbildung dringender denn je“

Dr. Ute Bermann-Klein leitet die vhs Bergheim seit 2006.
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Die VHS Bergheim feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Leiterin Dr. Ute Bermann-Klein, promovierte Literaturwissenschaftlerin, arbeitete bereits seit 1987 als freiberufliche Dozentin für die VHS in Köln und Bergheim, 1996 wurde sie als hauptamtliche Mitarbeiterin eingestellt. 2004 übernahm sie die stellvertretende Leitung und 2006 schließlich die Leitung der VHS Bergheim.
Die VHS Bergheim feiert ihr 50-Jähriges. Wie hat die Arbeit hier angefangen?
Es gab schon vor der Gründung des Zweckverbandes die Volkshochschule des Kreises Bergheim. Mein Vorgänger Alfred Hülshorst war der einzige Mitarbeiter und die Volkshochschule residierte im Keller eines Mietshauses am Birkenweg. Das Angebot war noch sehr freizeitorientiert: Malen, Stricken, Klöppeln - was heute bei Vorurteilen in Bezug auf die Volkshochschule so gerne genannt wird. 1974 wurde das Weiterbildungsgesetz NRW erlassen und damit wurden die Strukturen der Volkshochschulen generell professionalisiert.
Wie ist ihr Programm heute aufgestellt?
Wir haben ein breites Programm, von politischer Bildung, über Kultur und kreatives Gestalten, Gesundheitskursen bis hin zur beruflichen Bildung, einschließlich von Vorbereitungskursen für IHK-Abschlüsse. Fremdsprachen sind zudem ein riesiges Feld bei uns. Wir geben pro Jahr rund 17.000 Unterrichtsstunden und haben 10.000 Belegungen. Das ist noch nicht ganz der Stand vor der Pandemie, da lagen wir noch etwas darüber.
Sie bieten mittlerweile auch Lesungen an, das müsste Sie als promovierte Literaturwissenschaftlerin ja freuen.
Ich sage immer, wir bilden schon eine kleine Konkurrenz zur Lit.Cologne. Wir haben mit Buchhandlungen und den Stadtbibliotheken Elsdorf und Bergheim ein Kooperationsnetzwerk aufgebaut. Da kann ich mir einen kleinen Traum erfüllen, weil man Autoren zu Lesungen einladen und mit ihnen ins Gespräch kommen kann. Und wir hatten schon ein paar Bestsellerautoren zu Gast: Peter Prange etwa, ein Verfasser historischer Romane, mit einem unheimlich reichen historischen Wissen. Wir hatten Claire Winter da, und im Oktober kommt Marie Lacrosse.
Wie viele Menschen haben insgesamt in den 50 Jahren mal Kurse bei der vhs belegt?
In den ersten zehn Jahren, als die Volkshochschule noch im Aufbau war, werden die Zahlen noch nicht so hoch gewesen sein. Es gibt dazu leider keine Statistiken. In den 2000ern lagen wir ungefähr bei 20.000 Belegungen pro Jahr, zumindest bis zum Einbruch während der Pandemie. Volkshochschule hat ja die Idee, dass praktisch jeder Zugang zur Bildung haben soll. Deshalb versuchen wir die Preise auch so zu halten, dass das Angebot niederschwellig ist.
Wie ist der Altersschnitt bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern?
In den Integrationskursen ist der Altersdurchschnitt gering, insgesamt liegt er aber wohl relativ hoch. Junge Leute an die Weiterbildung zu bringen, wird eine der Herausforderungen der Zukunft sein. Wir geben auch hybriden Unterricht.
Stichwort „Herausforderung“: Gibt es weitere Herausforderungen für die Zukunft?
Die Pandemie hat in den Volkshochschulen, so auch bei uns, als Digitalisierungsturbo gewirkt. Das war ein positiver Nebeneffekt. Was Online-Anbieter angeht, so haben wir gerade im Moment sehr viel Konkurrenz, insbesondere bei den abschlussbezogenen Kursen oder den IHK-Vorbereitungskursen. Ich glaube, dass Volkshochschulen auch verstärkt aufsuchende Bildungsarbeit leisten müssen. Man muss sehen, wie man neue Teilnehmer erhält, die aufgrund unterschiedlicher individueller Bedingungen nicht von sich aus den Weg zur Volkshochschule finden.
So ein Integrationskurs bringt Menschen mit unterschiedlichen Vorerfahrungen zusammen. Wie geht man damit um?
Unser Auftraggeber, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, versucht diesem Aspekt der Heterogenität Rechnung zu tragen, indem sie sagen: Jeder, der einen Integrationskurs besuchen will, muss vorher einen Einstufungstest absolvieren. Der gibt wiederum nur Aufschluss über den Kenntnisstand, nicht über die Lernfähigkeit. Aber Sie werden es nie schaffen, dass Sie zu Beginn eines Kurses Homogenität in Bezug auf Kenntnisstand und Lernfähigkeit haben. Das haben Sie auch nicht im Französischkurs. Das ist aber gerade das Interessante an Volkshochschule, dass sie mit dieser heterogenen Gruppe den bestmöglichen Lernerfolg erreichen will. Hier soll auch der Handwerker mit dem Akademiker zusammen lernen können.
Volkshochschulen werden auch belächelt. Begegnen Sie Vorurteilen?
Das begegnet mir zum Beispiel, wenn ich sonntagabends den Münsteraner Tatort schaue. Die Assistentin belehrt ihren Chef, den Pathologen Boerne, weil er einen Irrtum begangen hat, und der würgt sie ab mit dem Satz: Bitte, wir sind doch hier nicht an der Volkshochschule. Das setzt Volkshochschule mit einem niedrigen Niveau gleich und suggeriert altertümliche Lehrmethoden, also Frontalunterricht. Zahllose Comedians schlagen in diese Kerbe. Vorurteile kommen meistens von Menschen, die noch nie eine Volkshochschule von innen gesehen haben. Dabei leistet diese Institution für die Gesellschaft einiges. 2015 etwa tat sich ein riesiger Bedarf an Integrationskursen auf und es wurden zunächst die Volkshochschulen als kommunale Weiterbildungszentren aufgerufen, diesen Bildungsnotstand zu beheben, was wir auch getan haben.
Haben Sie Wünsche für die Zukunft?
Ich würde mir mehr Wertschätzung für die Volkshochschule wünschen, vor allem von der „großen Politik“ und den Medien wünschen. Zudem werden wir in manchen Bereichen, so z. B. im Integrationskursbereich mit Bürokratie überfrachtet. Ich bin im Übrigen davon überzeugt, dass wir Weiterbildung in unseren Zeiten dringender denn je benötigen.