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MultitalentSo mitreißend war das Konzert von Thomas Quasthoff in Bergheim

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Auf dem Bild sind zwei Musiker auf einer Bühne zu sehen.

 Wolfgang Meyer und Thomas Quasthoff (v.l.) begeisterten im Bergheimer Medio.

Mit den Musikern Rüdiger Baldauf und Wolfgang Meyer begeisterte der weltweit gefeierte Star sein Publikum.

35 Zugaben hatte Thomas Quasthoff versprochen. „Ach nee, keine Angst, nur 28!“ Am Ende gab es drei. Es hätten auch mehr sein können, wenn es nach dem Publikum ging. Thomas Quasthoff ist ein Multitalent. Weltweit gefeiert als Kunstlied-Sänger, Opernstar, aber auch als Kabarettist, Schauspieler, Sprecher, Literat, und, zuletzt im Medio zu bestaunen: als veritabler Jazz-Sänger. Und Percussionist. Und Entertainer. Und Büttenredner – in astreinem Kölsch!

Mit „Stormy Weather“ von Harold Arlen und Ted Koehler eröffnete das Trio aus Thomas Quasthoff (Gesang), Rüdiger Baldauf (Trompete und Flügelhorn) sowie Wolfgang Meyer (Gitarre), den Abend – und das konnte man programmatisch verstehen: Ein mitunter stürmischer, emotionaler, kunstvoller Vortrag kündigte sich an.

Bergheim: Präzise Rhythmik und launige Geschichten

Im Gespräch mit dieser Zeitung hatte Quasthoff etwas lapidar eingestreut: „Wir bringen einfach nur ein paar Jazz-Standards.“ Wer nun quasi Mainstream-Musik erwartete, wurde positiv überrascht. Schon die beiden Begleitmusiker boten weit überdurchschnittliche Kost: Wolfgang Meyer lieferte mit seinen Akkord-Changes, seiner präzisen Rhythmik und seinen variablen Grooves das harmonische Grundgerüst; Rüdiger Baldauf steuerte Fill-Ins und melodieorientierte Soli bei und erfreute durch launige Geschichten.

Im Mittelpunkt natürlich Thomas Quasthoff. Sein Bassbariton hat in seiner Ausdrucksfähigkeit eine ungeheure Bandbreite: Durchdringend-beseelt in „Sometimes I feel like a motherless child“, im verspielten Dialog mit der gestopften Trompete im Beatles-Hit „When I'm 64“, verzweifelt im Frank-Sinatra-Song „One for My Baby“, gefühlsbetont mit starker Laut-Leise-Dynamik in der John-Lennon-Kult-Hymne „Imagine“. Fast hätte Quasthoff vergessen, den Höhepunkt des Abends zu singen, ein A-cappella-Solo im Stil von Bobby McFerrin oder Al Jarreau, Wolfgang Meyer musste ihn erinnern.

Thomas Quasthoff stand im Mittelpunkt

Und das hat man in seiner Vielseitigkeit, seiner Originalität, seinem Witz noch nie gehört: Ein bisschen Kindergeburtstag, ein bisschen Beatboxen, etwas afrikanische und karibische Rhythmik, Reminiszenzen an Charlie Chaplins berühmte Rede im „Großen Diktator“ oder Otto Waalkes „Leber an Großhirn“, gepaart mit groovigen Bassläufen – all das mit einer einzigen Stimme – Chapeau!

Bei mehreren Songs nutzte Quasthoff seine Stimme quasi als Performance-Instrument: Zisch- und Klacklaute imitierten täuschend echt die Hi-Hat eines Schlagzeugs. Charlie Chaplin, den Quasthoff als einen der größten Künstler des 20. Jahrhunderts pries, tauchte noch einmal mit dem Song „Smile“ auf. Er passte zu Quasthoffs Bitte, die Welt auch mal positiv zu sehen. Der Song wurde im Original am Ende des Filmklassikers „Moderne Zeiten“ gespielt, als Chaplin mit seiner Gefährtin Paulette Goddard einer harten Zukunft entgegengeht, aber mit Optimismus: Smile!

Das begeisterte Publikum kam auch noch zum Zuge. Als zweite Zugabe animierte Quasthoff zum Mitsingen: „Guten Abend, gut Nacht“. Die Zuschauer ließen sich durch den jazzigen Groove nicht irritieren und hauchten den Brahms-Song ins hell erleuchtete Medio. Mit „Moon River“ aus dem Film „Breakfast at Tiffany's“ ging es dann in die kalte Nacht mit dem berauschenden Gefühl, einen glänzenden musikalischen Abend erlebt zu haben.