Beruflich eingespannte Väter und Mütter suchen oftmals händeringend nach Ferienangeboten für ihre Kinder mit einer Behinderung.
Fehlende FerienbetreuungMütter von Kindern mit Behinderung aus Brühl fordern Entlastung

Katrin Kossorz kämpft für eine Ferienbetreung für ihre Tochter, die rund um die Uhr Unterstützung benötigt.
Copyright: Katrin Kossorz
Ferienzeit, schöne Zeit – diese Gleichung geht aber nicht für alle Eltern auf. Schulfreie Tage treiben Katrin Kossorz und Birgit Gillessen aus Brühl sowie Astrid Fruck aus Erftstadt regelmäßig Schweißperlen auf die Stirnen.
Ihre Kinder besuchen aufgrund körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen Förderschulen, Annika (17) die Irena-Sendler-Förderschule des Landschaftsverbands Rheinland in Euskirchen, Jonah (20) und Sander (15) die Brühler Maria-Montessori-Schule, deren Träger der Rhein-Erft-Kreis ist. Anders als für viele andere Schulkinder gibt es für sie keine Ferienbetreuung.
Beruflich eingespannte Mütter
Die Mütter dieser Jugendlichen arbeiten in Teilzeit. Katrin Kossorz ist bei einer Gesellschaft für Außenwirtschaftsförderung tätig, Astrid Fruck als Kauffrau und Birgit Gillessen als Krankenschwester.
Alle drei Frauen würden gern mehr arbeiten, wenn sie könnten. „Aber für uns Eltern ist es ein ungeheurer Kraftaufwand, Betreuung und Berufstätigkeit jeden Tag neu zu organisieren“, sagt Gillessen, Jonahs Mutter. „Eine verlässliche Betreuung ist weder in der Sommerpause noch bei Unterrichtsausfall gewährleistet“, ergänzt Fruck, Sanders Mutter.
„Wir haben ja im Jahr 13 Wochen schulfreie Zeit, in denen wir als Familien individuelle Lösungen finden müssen. Man kann nicht einfach sagen, geh mal zum Nachbarskind spielen. Da bangt man auch um seine Arbeit“, erklärt sie. „Aufgrund des hohen Betreuungsaufwandes haben Freundinnen in ähnlicher Lage bereits ihre Jobs verloren. Was für eine paradoxe Situation in Zeiten des Fachkräftemangels!“, fügt Annikas Mutter Katrin Kossorz hinzu.
„Es fehlt an verlässlichen, inklusiven und angepassten Ganztagsangeboten in den Ferien. Die personelle Ausstattung vorhandener Angebot reicht sowohl qualitativ als auch quantitativ nicht, um den Bedürfnissen der Kinder mit komplexen Behinderungen gerecht zu werden“, kritisiert die 53-Jährige.
Die hohen Preise können sich gerade Eltern mit schwerst mehrfach behinderten Kindern nicht leisten
Die extrem seltenen Tagesbetreuungsangebote der Offenen Hilfen seien meist ausgebucht und außerdem auf bestimmte Kreise oder Kommunen begrenzt. Für Eltern in ähnlicher Lebenslage sei das ein Dauerproblem, das sich mit Corona nochmals verschärft habe. Das müsse endlich vor allem beim Kreis wahrgenommen werden, findet sie.
Mit den anderen Eltern fordert sie Bedarfsanalysen einer Ferienbetreuung an Förderschulen. „Wir brauchen eine Gesetzesgrundlage, die es ermöglicht, eine Betreuung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung kommunen- und kreisübergreifend umzusetzen, sodass unsere Kinder zusammen mit ihren Schulfreunden die Ferien verbringen können. Es muss ein finanzielles Polster geschaffen werden, um Betreuungsplätze vor Ort zum Beispiel mit freien Trägern anbieten zu können“, fordert Kossorz.
Guter Ansatz in Brühl
Bei den wenigen kreisweiten Ferienbetreuungen für behinderte Kinder von der Diakonie oder Lebenshilfe beispielsweise sei der Kreis nicht in die Finanzierung involviert. Das müsse sich ändern.
Ein richtiger Schritt sei das neue Angebot der Stadt Brühl, die Assistenzleistungen für inklusive Ferienangebote übernehme, nachdem Eltern dazu intensive Gespräche mit Bürgermeister Dieter Freytag geführt hätten, führt Kossorz aus. Das gelte aber nur für Brühler Familien. „An der Montessori-Schule lernen aber auch Kinder aus Wesseling, Erftstadt oder Hürth“, merkt Fruck dazu an.
Hohe Kosten schrecken ab
Ein weiteres Problem sei, dass das Betreuungsgeld der Pflegekasse von Pflegegrad zwei bis fünf die gleichen seien, die Kosten für die Freizeiten für behinderte Kinder aber oft nach Pflegegraden gestaffelt. „Die hohen Preise können sich gerade Eltern mit schwerst mehrfach behinderten Kindern nicht leisten“, erläutert Kossorz.
Mit weiteren betroffenen Eltern wollen die drei Frauen diese Problematik in die Öffentlichkeit tragen und Stadt- und Kreisverwaltungen mit potenziellen Betreuungsanbietern zusammenbringen. Auch deshalb machten sie jüngst mit bei der Gründung des Brühler Vereins „Bunte Bank“, der sich vor allem für inklusives Wohnen stark macht.